Über 70 Kilometer lang

Mitten in Bayern: Dieser historische Lost Place gilt als „die vergessene Autobahn“

Stefan Besner

Online-Redakteur

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05.05.2025, 04:55 Uhr
Das nie fertiggestellte 70 km lange Autobahnteilstück ist Bayerns längstes Denkmal und im wahrsten Sinne des Wortes ein „Lost Place“. (Symbolbild)

© od0720.ukr.net via imago-images./IMAGO/Depositphotos Das nie fertiggestellte 70 km lange Autobahnteilstück ist Bayerns längstes Denkmal und im wahrsten Sinne des Wortes ein „Lost Place“. (Symbolbild)

Verwittert und verfallen, aber noch nicht vergessen, führt die Strecke 46 mitten durch Bayern. Wandert man über den rissigen, grasüberwucherten Asphalt, fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, wie die Städte von heute einmal anmuten mögen, sollte die Menschheit nicht in der Lage sein, ihre Konflikte untereinander beizulegen. Die gewaltigen Strukturen zwischen Rupboden im Norden und Karsbach sind nicht nur stumme Zeugen einer noch nicht allzu fernen Vergangenheit, sondern auch deren Mahnmal. 1937 begann der Bau unter den Nazis, bereits 1939 wurden die Arbeiten wegen des Abzugs von Arbeitskräften und Materialien zu Kriegszwecken eingestellt. Das nie fertiggestellte 70 km lange Autobahnteilstück ist Bayerns längstes Denkmal und im wahrsten Sinne des Wortes ein „Lost Place“.

Ursprünglich hätte die Strecke 46 laut „Spiegel“ von Bad Hersfeld über Fulda nach Würzburg durch Wälder und Täler geführt, vorbei an Flüssen und Burgen und hinauf in die Berge. Man wollte den damaligen Autofahrern eine idyllische Fahrt durch die Heimat bieten – eine romantisierte Heimatautobahn im Sinne der Nationalsozialisten und das Gegenteil von heutigen, rein funktionalen Schnellstraßen. Dazu kam es dann allerdings nie. Bereits zuvor waren zahlreiche Arbeiter von der Autobahn abgezogen worden, um den Westwall zu errichten, mit Kriegsbeginn wurde der Bau letztlich komplett eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt fehlte nur noch die Betonfahrbahn.

Das surreale Vermächtnis des Traums einer idyllischen Autobahn, das übrig blieb, ragt heute finster und drohend aus der Landschaft. Zwischen den Orten Gräfendorf und Schonderfeld etwa findet sich auf einer grünen Wiese ein fast 18 Meter hoher, 25 Meter breiter und gut vier Meter dicker rötlich-brauner Pfeiler.

Die morbide Anziehungskraft solcher Orte ist hinlänglich bekannt. Es existiert eine ganze Szene von Fans, Eingeweihten, Instagrammern oder auch einfach nur Neugierigen, die Lost Places aufsuchen. Inzwischen werden sogar geführte Wanderungen zur und auf der Strecke 46 angeboten. Interessante Bilder sind dabei in jedem Fall garantiert. Darüber hinaus wird einem mit ikonografischer Vehemenz die unweigerliche Vergänglichkeit von allem und jedem vor Augen geführt, nicht zuletzt einem selbst. Und wem das zu abgehoben ist, der findet immerhin eines: Ruhe. Denn ein Auto fährt auf dieser Autobahn garantiert nicht.

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