FDP sieht "handfesten Skandal"

Coronazahlen für Ungeimpfte extrem nach unten korrigiert

7.1.2022, 16:38 Uhr
Einen Skandal erkennt FDP-Fraktionschef Martin Hagen in den nun korrigierten Zahlen.

© Matthias Balk, dpa Einen Skandal erkennt FDP-Fraktionschef Martin Hagen in den nun korrigierten Zahlen.

Die FDP im bayerischen Landtag fühlt sich in ihrem Verdacht bestätigt, dass die amtliche Statistik über die Corona-Infektionen im Freistaat über Monate hinweg unrichtig waren. Das Infektionsrisiko für Geimpfte sei viel zu niedrig angegeben worden, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im bayerischen Landtag, Matthias Fischbach, am Freitag in München. Das habe letztlich zu falschen politischen Entscheidungen geführt.

Das Verhältnis von geimpften zu ungeimpften mit Covid-19 infizierten Personen hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch im vergangenen November öffentlich auf eins zu 16 beziffert. Söder gab damals auf Grundlage der Zahlen des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) die Sieben-Tage-Inzidenz für Geimpfte mit 100, für Ungeimpfte mit 1.600 an. Wie sich später herausstellte, basierten die Zahlen auf der Annahme des LGL, dass alle gemeldeten infizierten Personen mit unbekanntem Impfstatus zu 100 Prozent "ungeimpft" seien.

Am Freitag veröffentlichte die Behörde die der Inzidenzermittlung zugrunde liegenden Rohdaten. Die Behörde selbst spielte die für Geimpfte und Ungeimpfte angegebenen Inzidenzen in ihrer Bedeutung herunter. Diese seien "kein Leitindikator zur Beschreibung und Bewertung der Pandemielage in Bayern" gewesen, zitierte dpa einen Behördensprecher. Hingegen betonte FDP-Fraktionsvorsitzender Martin Hagen, Söders "Gerede von der 'Pandemie der Ungeimpften'" habe seine Grundlage in der "systematischen Unterschätzung" des Infektionsrisikos für Geimpfte beruht und den Bürgern "eine falsche Sicherheit suggeriert."

Das ändere nichts daran, dass Impfungen und Boostern uneingeschränkt zu empfehlen seien. Die Öffentlichkeit könne aber die Wahrheit durchaus ertragen und auf "Schönfärbereien" verzichten, so Fischbach.

Nach den Berechnungen der FDP anhand der vom LGL veröffentlichten Rohdaten war das Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren, Ende 2021 für Ungeimpfte nur 2,5 bis 3,5 mal höher als für Geimpfte. Umgekehrt waren Geimpfte davor statistisch gesehen nicht 16 mal, sondern lediglich etwa drei Mal besser vor einer Infektion geschützt als Ungeimpfte. Dies habe dazu geführt, dass die dringende Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen zu spät erkannt worden sei, sagte Hagen. Falsche Zahlen hätten "womöglich zu politischen Fehlentscheidungen" geführt. Der bayerischen Politik habe ein "realistisches Bild" über die Infektionslage gefehlt. Die Öffentlichkeit sei von der Staatsbehörde LGl "getäuscht" worden.

Anders als vom inzwischen versetzten ehemaligen LGL-Präsidenten Walter Jonas zunächst behauptet, hätten sich die Fälle mit unbekanntem Impfstatus im Nachhinein nicht "in der weit überwiegenden Anzahl" als ungeimpft erwiesen, legte FDP-Politiker Fischbach nach. Vielmehr habe die Verteilung der Fälle mit zunächst unbekanntem Impfstatus weitgehend der Verteilung der bekannten Fälle entsprochen. Statt alle Infizierten, zu denen keine Informationen vorlagen, pauschal den Ungeimpften zuzuschlagen, hätte man sie entsprechend dem Verhältnis der bekannten Fälle hochrechnen müssen. Seit Bekanntwerden der Kritik hat das LGL keine Inzidenzen für Geimpfte und Ungeimpfte mehr veröffentlicht.

Die Liberalen im Landtag halten an ihrer Einschätzung fest, dass es sich um einen handfesten Skandal handelt und wollen nicht locker lassen. Man werde weiter auf Aufklärung dringen, sagte Fischbach. Zentrale Frage sei dabei, wer was wann gewusst habe. Erst wenn die Verantwortung geklärt sei, könne man über Konsequenzen nachdenken.

Damit distanzierten sich die bayerischen Liberalen ein Stück weit von der Rücktrittsforderung des FDP-Parteivizes Wolfgang Kubicki an die Adresse von Ministerpräsident Söder. "Entweder Markus Söder wollte ein schiefes Bild über die von Ungeimpften ausgehende Infektionsgefahr zeichnen und eine Gruppe von Menschen damit amtlich stigmatisieren – oder er hat seinen Laden nicht im Griff. Sowohl das Eine wie auch das Andere sind ausreichende Gründe für einen Rücktritt", hatte Kubicki der "Welt am Sonntag" gesagt.

1 Kommentar