Damen-Imitator der alten Schule

18.5.2021, 16:28 Uhr
Damen-Imitator der alten Schule

Wenn ich mal meinen Humor verloren habe, könnt ihr mich eingraben." Es ist einer der ersten Sätze, die Frank Conrady beim Interview sagt. Kurzes Schlucken, und es dauert nur Sekunden, um zu kapieren: Der ganz in schwarz Gekleidete mit den wachen Augen und dem sympathischen Lächeln meint das Ernst. Und dieser Mann ist gleichzeitig mit einer entwaffnenden Fröhlichkeit gesegnet, nicht auf den Mund gefallen und nimmt einen mit seiner liebenswürdigen offenen Art sofort für sich ein. Die beruhigende Erkenntnis also: Besagter Tag liegt glücklicherweise mit Sicherheit in weiter, weiter Ferne.

Conrady wird in diesem Jahr 70. Und – das ist keine der üblichen Phrasen – man sieht ihm das Alter nicht an. Könnte man ihn erst noch in seinem Beruf sehen, erst recht nicht. Denn Conrady ist Travestie-Künstler und nicht nur in Nürnberg, sondern fast in der ganzen Welt als France Delon bekannt. Klingelt’s? Genau, wer schon einmal im "Paradies" in der Nürnberger Südstadt war – übrigens dem zweitältesten Cabaret-Theater Deutschlands – der hat auch France Delon erlebt. Conrady tritt dort seit der ersten Stunde vor 43 Jahren auf.

Wie es dazu kam? Conrady holt ein bisschen aus und erzählt von seiner Kindheit. Die Eltern Flüchtlinge aus Pommern, wuchs der kleine Frank in der Lüneburger Heide auf, mit sieben Jahren ging es nach Köln. Im Kirchenchor sang er, weil "ich dann abends länger ausgehen konnte", sagt er augenzwinkernd.

Und in der Domstadt kommt man freilich an einem Thema nicht vorbei: "Ich war natürlich im Karnevalsverein, meine Ballettlehrerin meinte allerdings, mit zwölf sei ich zu alt, um Primaballerina werden zu können und so habe ich eine klassische Ausbildung in Jazz und Modern Dance gemacht."

Mit 14 Jahren lernte er allerdings zunächst Möbelkaufmann, hing sogar noch eine Ausbildung zum Hotelkaufmann dran. "Ich habe den Job im Hotel geliebt, ich wäre heute noch dort…" Ja, wären da nicht parallel dazu die deutschlandweiten Auftritte als Tänzer und Sänger in diversen Nachtclubs und Musikhallen gewesen. "Ich lernte auch Leute aus der Travestie-Szene kennen und eines Tages fragte mich Coco La Fontaine, ob ich mit ihr als Duo auftreten würde." Zunächst noch als Frank Conrady an ihrer Seite.

"Eigentlich wollte ich mich nie schminken und verkleiden", erzählt er lachend. "Eines Tages habe ich es doch getan – und das schlug ein wie eine Bombe." Frecher und witziger sei er als France Delon, sagt er über sich selbst. Es folgte eine beinahe beispiellose Karriere. In den letzten Jahrzehnten füllte Conrady als France Delon Häuser, Hallen, Theater und Clubs in ganz Deutschland, Österreich und vor allem der Schweiz – aber auch in New York. Und seit 28 Jahren ist er für AIDA Cruises weltweit auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs.

Seine "Homebase", wie er sagt, ist seit mehr als 20 Jahren Nürnberg. "Die Franken", meint Conrady milde lächelnd, "haben sich erst an uns gewöhnen müssen." Doch das taten sie, noch mehr: Sie lernten das "Paradies" und ihre Künstler lieben. "In Cham hat man uns dagegen sogar mit Maßkrügen beworfen."

Im Moment beziehungsweise seit vielen Monaten ist Conrady durch Corona ausgebremst. Umso mehr freut er sich, dass sein guter Freund Marcel Dannhorn seit ein paar Wochen einen Instagram-Account für ihn führt. "Innerhalb von vier Wochen hatten wir 1600 Likes, das ist toll!" Doch finanziell ist es eng. "Mein selbsterspartes Rentengeld lichtet sich", deutet er an. Aber unterkriegen lassen ist keine Option für den 69-Jährigen. "Meine Bestimmung ist es einfach, Menschen glücklich zu machen, zu unterhalten und zum Lachen zu bringen." Und natürlich: "Meinen Humor lass ich mir nicht nehmen!" Gut so.

Seine KulTour-Tipps: Sobald es wieder möglich ist, wird sich Frank Conrady "Madame Butterfly" im Nürnberger Opernhaus ansehen. "Ebenfalls immer einen Besuch wert: das Germanische Museum." Und: "Meine gute und im besten Sinne verrückte Freundin Lizzy Aumeier empfehle ich uneingeschränkt."

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