Der Hofnarr bittet um Gehör

23.2.2021, 17:03 Uhr
 Der Hofnarr bittet um Gehör

© Foto: privat/Claudia Wunder

"The Court Jester", sagt er, "ist mein absoluter Lieblingsfilm". Mehr als 50 Mal habe er den US-Kult-Streifen (deutscher Titel: Der Hofnarr) mit Danny Kaye aus dem Jahr 1955 schon gesehen – "und immer noch schmeiße ich mich jedes Mal weg vor Lachen." Weil Galler einen ausgeprägten Sinn für Humor hat, gab er sich im Netz eben den Namen "Hofnarr Giaccomo". "Absichtlich falsch geschrieben", fügt er grinsend hinzu, "damit es auffällt."

Auffallend war schon in seiner Kindheit die Leidenschaft für Buchstaben: Lesen konnte er, bevor er in die Schule kam. "Die drei ???", "Fünf Freunde" – all diese Abenteuer verschlang er als Jugendlicher. Was ihn so faszinierte: "Mit Büchern ist es wie mit fast allen Medien: Wenn man sich ihnen ganz hingibt, macht es am meisten Spaß." Gelesen hat er immer mit Musik. "Noch heute fallen mir Szenen aus meinem Lieblingsbuch ,Herr der Ringe’ ein, wenn ich bestimmte Lieder von den Dire Straits höre", erzählt er.

Eine ganz spezielle Art von Humor, ein Faible für Musik, eine noch speziellere Stimme – bei manchem Hörer der Nürnberger Privatradio-Landschaft der 1990er und 2000er Jahre mögen nun die Alarmglocken läuten. Zu Recht. So viel sei verraten: Galler verkörperte mit seiner Stimme tatsächlich eine Kunstfigur, die Kult war – vor allem bei all jenen, die musikalisch die härtere Gangart bevorzugen. Noch heute, verrät er fast schüchtern, schreiben ihm Fans, die nach einem Comeback fragen. "Ich hätte tatsächlich auch Bock, wieder zu senden, irgendwas mit Musik zu machen", sagt er, "aber ohne Chef." Doch das gehe nicht. Stichwort Gema.

Was aber geht: Urheberrechtsfreie Bücher vorlesen. Denn Lesen und Sprechen sind nach wie vor Gallers große Leidenschaft. Und das macht er bei seinem jüngsten Projekt "Der Narr liest" (www.dernarrliest.de). "Das ist ein Corona-Baby", sagt der 53-Jährige, der BWL studiert hat und im Brotberuf Software-Trainer ist. Als er im vergangenen Jahr ins Homeoffice musste, suchte er eine Beschäftigung. "Weil ich ziemlich technikaffin bin und gerne Neues ausprobiere, habe ich einfach mal Podcasts und Videos aufgenommen." Das fand er ganz "schick", und so las er – zunächst nur für sich – alte Klassiker (Stichwort urheberrechtsfrei) von Edgar Allan Poe über Arthur Conan Doyle bis Edgar Wallace vor. Im April habe er dann die ersten Videos und Podcasts ins Netz gestellt. "Die Rückmeldungen waren so gut, dass ich weitergemacht habe."

Jede Aufnahme dauert eine halbe bis ganze Stunde, "anscheinend eine gute Länge", schließt Galler aus dem Feedback seiner Anhänger. Was ihn besonders freute: "Eine Lehrerin an einem rumänisch-deutschen Institut schrieb mir, sie benutze die Videos im Unterricht." Das Spezielle: Nicht etwa der Hofnarr, also Galler, ist im Bewegtbild zu sehen, sondern der Buchtext zum gleichzeitigen Mitlesen, ähnlich wie beim Karaoke.

Wenn Galler einen Wunsch frei hätte? "Das Hobby zum Beruf machen", sagt er sofort. Denn bisher ist seine Motivation für die Videos und Podcasts, "dass es mir tierisch Spaß macht und ich auch noch was dabei lerne." Geld lasse sich damit nicht verdienen. "Außer, es kommt vielleicht ein Sponsor um die Ecke." Dabei schwingt leise Hoffnung in der Stimme des Narren mit.

 

Seine KulTour-Tipps: Gernot Galler empfiehlt das Hörbuch "Frontal" zum Debüt "Mit dem Leben erfolgreich an die Wand" des Nürnbergers Berny Kiesewetter. Ebenfalls für die Ohren: die Scheibe "American Amadeus" von John Diva & The Rockets Of Love. Und Leseratten legt er das Buch "Das ist bei uns nicht möglich" von Sinclair Lewis ans Herz.

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