Die importierte Brutalität

6.5.2004, 00:00 Uhr

Dass Polizeipraktiker von einem „bedeutenden Bedrohungspotenzial“ ausgehen, ist auch für die neutralen Wissenschaftler der Kriminologschen Forschungsgruppe der bayerischen Polizei nachvollziehbar.

Johannes Luff vom Bayerischen Landeskriminalamt hat ernüchternde Zahlen aus fünf bayerischen Regionen: Dort war jeder fünfte deutsche tatverdächtige Jugendliche und sogar jedes dritte deutsche tatverdächtige Kind ein Aussiedler.

Besonders stark haben „Rohheitsdelikte“ und Drogenkonsum bei den jungen Aussiedlern zugenommen. Bei den 18- bis 20-Jährigen entfallen 90 Prozent der Straftaten auf die Rauschgiftkriminalität, bei den 21- bis 24-Jährigen liegt der Wert mit 87,4 Prozent fast ebenso hoch.

In Niedersachsen gibt es nach einer Untersuchung einen hohen Anteil von Intensivtätern bei den Aussiedlern, der „deutlich über ihrem Bevölkerungsanteil liegt“.Diese Intensivtäter sind es, denen der Nürnberger Kriminalhauptkommissar Horst Küspert ein „besonders brutales und eiskaltes Vorgehen“ bescheinigt.

2002 kam es im Nürnberger Rosenaupark zu einer tödlich verlaufenen Auseinandersetzung rivalisierender Gruppen von Russland-Deutschen, bei denen es um Einflussbereiche im Nürnberger Rotlicht-Milieu ging. Schon früher planten drei Russland-Deutsche kaltblütig den Mord an einem Taxifahrer in Fürth. In Nürnberg-Langwasser, einem Stadtteil, in dem ein Drittel der 45 000 Einwohner aus den GUS-Staaten kommt, wurde eine 15jährige brutal vergewaltigt.

Erpressung spielt bei den Aussiedlern, die ohne kriminelle Hilfe selbständig geworden sind und langsam ein mehr oder weniger großes Vermögen aufgebaut haben, eine immer größere Rolle. Früher oder später tauchen Besucher aus der Heimat auf und bieten ein „Schutzdach“ an. Ein Kenner der russischen Szene zur NZ: „Für das Inkasso und die Kontrolle nehmen sie junge Aussiedler. So gewinnen sie in Deutschland ständig an Boden, ohne Geld investieren zu müssen“.

Mit harten Bandagen wollen russische Schuldeneintreiber, vermutlich auch sie durch junge Russlanddeutsche verstärkt, jetzt auch in Deutschland tätig werden. In Zeitungsanzeigen bietet ein „Inkasso Team Moskau“ seine Dienste an. Kaum verdeckt wird darin angedeutet, dass man auch vor Gewalt als Mittel zum Zweck nicht zurückschrecken würde.

„Ihr Schuldner muß kein russisch können — er wird uns auch so verstehen“, verheißt ITM darin. Und weiter im Text, der an militärische Karrieren im alten Russland denken lässt: „Ihr Anliegen ist unser Marschbefehl“.

Intensivtäter: Das sind für den Nürnberger Kriminalrat Peter Kreisel „sehr wenige Personen, die aber viele Straftaten begehen“. Beruhigen kann das nicht. Denn die Gefahr wächst, dass sich in Deutschland s Jugendstrafanstalten unter dem Diktat eiserner, krimineller Regeln ein neues gewalttätiges Potenzial junger Russlanddeutscher herausbildet.

In der Jugendstrafanstalt Hameln spricht man bereits von einer „russischen Subkultur“, in anderen Einrichtungen nennt man die abgeschotteten Strukturen der Russlanddeutschen „Parallelgesellschaften“.

In einigen deutschen Justizvollzugsanstalten wurden inzwischen Papiere sichergestellt, die erstmals Einblick in die geheimen Strukturen der russischen „Parallelgesellschaft“ geben. Für die jugendlichen Spätaussiedler wird der Aufenthalt unter dem Joch der „Organisierten“ oft zur Hölle hinter Gittern. (Wird fortgesetzt)

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