"Flüssige" Birnen kommen aus "B-Heim"

7.6.2021, 05:50 Uhr

© Foto: Jürgen Leykamm

Alles begann vor drei Jahren, als auf den Bäumen mehr Obst hängen blieb als versteigert werden konnte, blickt Martin Lettenmeier dabei zurück. Das wollte der Vorsitzende des örtlichen Obst- und Gartenbauverein (OGV) mit seinen aktuell rund 100 Mitstreitern nicht so ohne weiteres hinnehmen. Also machte man sich frisch ans Werk, die überschüssigen Äpfel zu verwerten – denn 2018 war ein echtes "Apfeljahr".

Die Weißenburger Mosterei Billing stellte aus dem Biorohstoff den Grundmost her, die Kelterei Hohenloher Fruchtsäfte besorgte die Weiterveredelung zum A-Cider: abgefüllt in modernen 0,33-Liter-Flaschen, mit einem Alkoholgehalt von 4,3 Prozent. 2020 nun schickte man sich an, das gleiche Spiel zu wiederholen – zusätzlich aber noch ein anderes Obst miteinzubeziehen.

"Im letzten Jahr gab es sehr viele Birnen", begründet Lettenmeier. So krempelte ein ein Dutzend Hände starker Trupp Aktivposten des Vereins seine Ärmel hoch und nahm insgesamt ebenso viele Bäume an der Buchleite und in den angrenzenden Gebieten ins Visier. Zweieinhalb Tonnen Früchte sammelten die sechs Vereinsmitglieder an einem einzigen Vormittag auf – den Cider selbst gab es später als schmackhafte Entlohnung.

Aus dem Sammelgut wurden im Billinger Betrieb Birnen- und Apfelsaft gewonnen – 900 Liter aus der erstgenannten Frucht, 800 aus der zweiten. Nun galt es beides noch mit Hefe zu vergären. Die Container mit der flüssigen Ladung wanderten zur Partnermosterei in Schwäbisch Hall und erfuhren dort ihre endgültige Veredelung.

An den Mann beziehungsweuise die Frau gebracht wird die Köstlichkeit nun in erster Linie vom Wettelsheimer Getränkevertrieb. "Das Geld soll in der Region zirkulieren", legt Norbert Metz Wert auf regionale Wertschöpfung, wo immer dies möglich ist. Er ist einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der allfra Regionalmarkt Franken GmbH, unter deren Markennamen "hesselberger" nun sowohl der A- wie der B-Cider vertrieben werden. Letzterer ist nun ebenso in 0,33-Liter-Flaschen erhältlich. Er verfügt mit 3,5 Prozent über etwas weniger Alkoholgehalt als sein "großer Bruder".

Das Gesamtprojekt werde von der Regierung von Mittelfranken "heftig begrüßt", so Metz. Der Markt Berolzheimer Cider darf daher als "bislang einziges Getränk das Regierungswappen auf dem Etikett führen". Er hoffe nun auf viele Abnehmer – auch von den Gaststätten. Dem schließt sich Otto Schmidt vom Getränkelieferanten aus Wettelsheim gerne an: "Die Chancen stehen durch die Wiedereröffnung der Außenbereiche nicht schlecht".

Friedrich Käfferlein als einer der Helfer hat wiederum Verwandte in den USA. Vielleicht findet sich der B-Heimer B-Cider also auch bald jenseits des großen Teiches wieder. Als regionaltypisches Geschenk eigne er sich in jedem Fall, unterstreicht Lettenmeier. Für den einen Markt Berolzheimer sei der Cider "schon Kult", ein anderer verschenke ihn gar kastenweise an seine Enkel, plaudert Metz dazu aus dem Nähkästchen. Er will den Stolz der Einheimischen auf dieses Regionalprodukt weiter befeuern.

Das ist ganz nach dem Geschmack von Bürgermeister Fritz Hörner, der die neue Köstlichkeit als "anregendes Sommergetränk" würdigt. Das Cider-Projekt an sich passe zudem wunderbar in das Gesamtkonzept der Buchleite. 2008 übernahm die Gemeinde die Betreuung und Pflege des Naturschutzgebietes, unter anderem um das Kulturgut Streuobst zu erhalten. Doch das soll nicht nur ökologischer Selbstzweck sein, sondern zudem einen ganz praktischen, genüsslichen Wert haben, wie es die Cider-Herstellung bewerkstelligt. Zu der tragen indirekt die Tiere von Schäfer Robert Lechner durch ihre "Mäharbeiten" bei. "Ohne ihn wäre der Trockenrasen hier nicht zu halten", so das Lob des Gemeindechefs.

Streuobstbäume im Vormarsch

Der Bestand an Streuobstbäumen wächst in B-Heim generell behutsam an. Im scharfen Gegensatz zum Trend in Bayern. Dort ist ihre Zahl seit 1965 auf ein Viertel zusammengeschrumpft und beträgt nunmehr noch fünf Millionen, wie Metz erläutert. Derzeit aber "stehen die Zeichen fürs Streuobst gut", ergänzt er. Durch das Volksbegehren sei das Thema "ganz oben im Freistaat angelangt." Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber wolle sogar "100 000 Obstbäume verschenken". Was Metz aber gleich wieder relativiert: "Das entspricht gerade einmal der Menge, die wir in Bayern jährlich verlieren." Gäbe es da nicht ein unbeugsames Dorf in Mittelfranken, das sich dem Abwärtstrend entgegenstemmt. Was an die Gallier von einst erinnert. Und richtig: Einen sehr guten Cider gibt es natürlich auch in der Bretagne. Hier wie dort verfügt man eben über einen echten "Zaubertrank".

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