Ex-Chefarzt kritisiert ANregiomed-Führung

13.2.2017, 11:00 Uhr
Ex-Chefarzt kritisiert ANregiomed-Führung

© Silvia Schäfer

Das Rothenburger Krankenhaus liegt den Bürgern am Herzen. Dies zeigte die große Resonanz am Informationsabend von Förderverein "Mediroth" und Seniorenbeirat am Freitagabend in der "Schranne".

Das Stadtoberhaupt befand sich in einer schwierigen Situation. Die Bürger erwarten zurecht größtmögliche Tranparenz und haben wenig Verständnis dafür, wenn wichtige Fragen offen bleiben. Als Mitglied im Verwaltungsrat, dem Aufsichtsratsgremium von ANregiomed, ist Walter Hartl an Vertraulichkeit gebunden und wollte deshalb zu Details nichts sagen. Diesen Umstand quittierten Zuhörer mit einem missbilligenden Kopfschütteln und dem Einwand, dass die Gerüchteküche umso mehr brodelt, wenn es an Aufklärung fehlt.

Doch der Reihe nach: Der Vorsitzende des Rothenburger Krankenhaus-Fördervereins "Mediroth", Hans-Peter Nitt, sprach in seiner Begrüßung die Sorge an, "dass unsere Klinik durch Umstrukturierungen auch in den Strudel der roten Zahlen gerät und letztlich der hiesige Standort gefährdet ist". Momentan steht das Rothenburger Krankenhaus sehr gut da. Es hat einen hervorragenden medizinischen und pflegerischen Ruf, arbeitet wirtschaftlich und schreibt schwarze Zahlen. Pro Jahr werden dort zirka 6400 Patienten stationär und über 2500 Menschen ambulant behandelt. In der Geburtshilfestation kommen jährlich über 500 Kinder zur Welt.

Seit Sommer 2013 ist das Rothenburger Krankenhaus Teil des Klinikverbundes, der tief in den roten Zahlen steckt. "Man hat den Eindruck, dass sich das defizitäre Rad immer schneller dreht", so Hans-Peter Nitt. Zu ANregiomed gehören neben den Hospitälern in Ansbach, Rothenburg und Dinkelsbühl auch eine Tagesklinik in Feuchtwangen, fünf Medizinische Versorgungzentren und sechs Pflegeschulen.

"Selbstherrliche Entscheidungen"

Dr. Paul Kerscher hat einen besonders engen Bezug zum Krankenhaus Rothenburg. Er war 23 Jahre Chefarzt der Chirurgie und ist auch jetzt im Rentenalter als erfahrener Kollege einmal in der Woche am Operationstisch tätig. Er kennt die Versorgungseinrichtung wie seine Wes­tentasche und hat sich immer für das Krankenhaus eingesetzt. Während seiner aktiven beruflichen Zeit verzichtete der Mediziner sogar darauf, die mit seiner Arbeit verbundenen finanziellen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, weil er das Ganze im Blick hatte.

Gefährdungspotenzial sieht Dr. Paul Kerscher im Stellenabbau bei den Chefärzten und bei der nachgeordneten Ärzteschaft sowie in der Pflege. Folge könnte ein Rückgang der Patientenzahlen sein. Er warnte auch vor einer Verlagerung von Leistungsangeboten an andere Häuser. An Beispielen in Moosburg und Neu-Ulm zeigte er, dass inzwischen selbst rentable Kliniken geschlossen werden.  Wenn es nach den Krankenkassen gehe, sollten alle kleinen Krankenhäuser unter 300 Betten dichtgemacht werden, weil sie nicht mehr konkurrenzfähig seien, beklagte Kerscher.

Kritik übte der Mediziner auch an der Verwaltung des Klinikverbundes: „Oft wurden selbstherrliche Entscheidungen getroffen, ohne die Erfahrungen der Leistungserbringer abzufragen – und unrealistische Planungsziele gesetzt." Die Verwaltung hält er für aufgebläht: "Es wurden mehrere Direktorenstellen geschaffen, während Chefarztpositionen nicht besetzt wurden."

Qualifikation wurde bezweifelt

Er regte an, die Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg zu forcieren. Seit 2011 ist die Klinik Rothenburg als Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Würzburg zur Ausbildung von Studenten befugt. Die Ausbildung erfolgt auf universitärem Niveau im so genannten Praktischen Jahr (letztes Studienjahr) in den Fächern Innere Medizin und Chirurgie.

Oberbürgermeister Walter Hartl widersprach der Darstellung, dass gut funktionierende Bereiche von Rothenburg nach Dinkelsbühl verlagert  werden sollen, um dort ein Defizit auszugleichen. Bei einer Verlagerung würde man das Klientel aus dem württembergischen Raum einbüßen, das immerhin über 40 Prozent der Patienten ausmacht und dann nach Crailsheim oder Bad Mergentheim ausweichen würde.

Der Oberbürgermeister verwarf auch die Idee eines Zusammenschlusses mit der Uni Würzburg: "Dazu müsste das Rothenburger Krankenhaus selbstständig sein und diesen Schritt zurück werden wir nicht machen." Man müsse die Dinge realistisch betrachten. Es würden auch wieder Stellenbesetzungen erfolgen, ließ er durchblicken und mahnte an, die Qualifikation von Oberärzten nicht anzuzweifeln: "Sie sind nicht weniger leistungsfähig als ein Chefarzt."

Viel Porzellan zerschlagen

Zu den Gesamtverbindlichkeiten von rund 100 Millionen bei ANregiomed stellte Walter Hartl klar, dass aus Unwissenheit einiges falsch dargestellt werde: "Verbindlichkeiten sind nicht gleich Schulden." In der Bilanz seien auch die Zuschüsse enthalten, die das Kommunalunternehmen von Land und Bund bekomme. Man dürfe nicht immer nur nach den schwarzen Zahlen schauen. Momentan werde kräftig investiert. Das veraltete Ansbacher Krankenhaus etwa wird für über 100 Millionen Euro modernisiert. Ohne die Investitionen des Landkreises stünde das Rothenburger Haus nicht so gut da, meinte Hartl.

Keinen Hehl machte er daraus, dass sich die Rahmenbedingungen der Krankenhausführung weiter verschärfen werden: "Wir müssen uns Gedanken machen, was uns die Gesundheitsvorsorge wert ist". Auch andere Bereichen seien hoch defizitär. Als Beispiele nannte er den öffentlichen Personennahverkehr, Bäder und Museen.

Zur umstrittenen Person Dr. Andreas Göttfert (er hat als gemeinsamer Vorstand der Kliniken des Landkreises und der Stadt Ansbach die Zusammenlegung zu einem Verbund gesteuert und dann die Geschicke des Kommunalunternehmens bis 2015 geleitet), meinte Walter Hartl: "Er war durchaus ein Fachmann, aber er hat menschlich viel Porzellan zerschlagen gegenüber Beschäftigten, Partnern, niedergelassenen Ärzten und anderen Klinikbetreibern."

Die Zusammenführung zwischen den Häusern des Landkreises Ansbach und der Stadt Ansbach war der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet und nicht vorrangig der Toleranz und Gleichberechtigung zwischen den Vertragspartnern.

Klinikchefin degradiert, aber nicht gefeuert

Auch unter Vorstand Claudia Conrad kam der Klinkverbund nicht aus den Negativ-Schlagzeilen. Nachdem sie Finanzchef Jörg Reinhardt im Alleingang gekündigt hatte, wurde die Klinikchefin degradiert, aber nicht gefeuert. Dies hat einen finanziellen Hintergrund. Ihr Vertrag läuft noch bis Ende 2020, heißt es. Bei einem Rauswurf wäre ihr eine hohe sechsstellige Abfindung sicher gewesen.

Der von Conrad geschasste Finanzchef ist wieder im Amt und führt gemeinsam mit seinem Kollegen Lars Bergmann ANregiomed nun kommissarisch – aber nur im operativen Tagesgeschäft. Die Leitung des Klinikverbundes haben Landrat Jürgen Ludwig (CSU) und die parteilose Oberbürgermeisterin Carda Seidel, die zugleich die Spitze des Verwaltungsrates bilden.

Angesichts der fatalen Melange aus politischem Unvermögen und Managementfehlern fragen sich die Bürger besorgt, ob der Klinikverbund in öffentlicher Trägerschaft und in seinem jetzigen Zuschnitt eine Zukunft hat.

Lungenabteilung war finanzielles Desaster

Kritik geübt wurde auch daran, dass am Ansbacher Klinikum eine Lungenabteilung aus dem Boden gestampft wurde. Sie war von Anfang an ein finanzielles Desaster. Das medizinische Angebot überlappte sich mit der benachbarten Fachklinik in Strüth, die vom evangelischen Sozialkonzern Diakonie Neuendet­telsau betrieben wird, dem größten Konkurrenten von ANregiomed.

Seit April 2013 sitzt der Landrat im Kuratorium und Aufsichtsrat der Dia­konie Neuendettelau. Was an sich ein klassischer Interessenskonflikt ist. Als Kuratoriumsmitglied der Diakonie und ANregiomed-Verwaltungschef ist Ludwig in beiden Klinikunterenehmen maßgeblich involviert, wenn es um Strategie, Investitionen und die Kontrolle des jeweiligen Managements geht.

über sein operatives Geschäft. Hinter dem Unternehmen stehen Krankenversicherungen. Ganz will der Klinikverbund das Heft nicht aus der Hand geben. Das Übernahme-Angebot der Diakonie komme deshalb erst einmal nicht in Betracht.

Zurück bleiben ratlose Bürger, Die Lage scheint so komplex und undurchschaubar, dass sie sich für Laien jeder objektiven Bewertung entzieht.

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