Timothy Liston ist Silvaner-Liebhaber

US-Generalkonsul in Ansbach: "Wladimir Putin hat sich verkalkuliert"

Stefan Blank

Region/Bayern

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30.3.2022, 19:39 Uhr
Der US-Generalkonsul in München, Timothy Liston, spricht in der Karlshalle in Ansbach.

© Stefan Blank, NN Der US-Generalkonsul in München, Timothy Liston, spricht in der Karlshalle in Ansbach.

"Servus mitanand" - Timothy Liston brauchte in der Ansbacher Karlshalle nicht lange, um die rund 100 Gäste zum Schmunzeln zu bringen. Dabei ging es danach teils um sehr ernste Themen. Als US-Generalkonsul in München war der 51-Jährige der erste Redner bei der neu ins Leben gerufenen Vortragsreihe der Garrison Ansbach der US Army.

Timothy Liston sprach komplett auf Deutsch, riss die politische, wirtschaftliche und kulturelle Dimension des deutsch-amerikanischen Verhältnisses an, thematisierte den Krieg in der Ukraine, Möglichkeiten, wie die Verbindung zwischen Bayern und den USA noch besser werden könnte, und erzählte, warum ihm und seinen Bekannten bei einer Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz "die Goschn am Tisch glegn" war. Nicht zuletzt ging es bei Vortrag und Fragerunde mit dem Sicherheitspolitik-Experten um das Verteidigungsbündnis NATO und die US-Army-Stützpunkte in Grafenwöhr, Vilseck, Ansbach und Illesheim.

Viele Tausend Diplomaten

"Transatlantische Beziehungen klingen immer ein bisschen abstrakt, technisch", sagte Timothy Liston, der seit Juli 2021 Generalkonsul in München ist. "Sie leben aber von den persönlichen Verbindungen zwischen den Menschen. Es gibt sie nicht einfach so, sie müssen ständig gepflegt werden, von Generation zu Generation erneuert werden." Deswegen sei er froh, dass es mit den US-Soldaten in Bayern "viele Tausend Diplomaten" neben ihm gebe, die mit den Deutschen diese Beziehung täglich mit Leben füllen.

Es gehe bei deutsch-amerikanischen Veranstaltungen auch darum, Missverständnisse abzubauen, sagte Ansbachs Oberbürgermeister-Stellvertreter Dr. Markus Bucka in seiner Einleitung. In der jüngeren Generation seien US-Soldaten "nicht mehr als Erretter bekannt", wie es den Älteren von ihren Eltern beigebracht worden war. Bucka vertrat OB Thomas Deffner, der noch in einer Stadtrats-Sitzung weilte. Bucka habe früher weggedurft, sagte er, und fügte lachend an: "Und ich genieße die Zeit hier, denn so bleibt mir viel Ärger erspart."

Nächstes Event auf dem Hubschrauber-Flugfeld

Die Standort-Kommandeurin der Garrison Ansbach, Oberst Karen Hobart, unterstrich die Wichtigkeit der Beziehungen zwischen den USA und Deutschland." Es geht darum, vor allem der jüngeren Generation aufzuzeigen, warum wir - die Amerikaner - immer noch hier sind." Auch deshalb sei die Vortragsreihe geplant worden.

Rund 100 Gäste kamen zum Auftakt der Vortragsreihe nach Ansbach.

Rund 100 Gäste kamen zum Auftakt der Vortragsreihe nach Ansbach. © Stefan Blank, NN

Event Nummer zwei wird übrigens am Donnerstag, 21. April, auf dem Flugplatz der Kaserne in Katterbach stattfinden. Das Thema ist laut Karen Hobert: "Die Rolle der Partnerschaft der US Armee mit Deutschland in Luftfahrt und -verteidigung und mehr". Dabei sollen auch Hubschrauber - in Katterbach sind Chinook- und Blackhawk-Transporthelikopter sowie Apache-Kampfhubschrauber stationiert - aus der Nähe besichtigt werden können. Den Abschluss macht im Mai noch eine Veranstaltung unter der Überschrift "Unsere ungewisse Zukunft. Warum Partnerschaften wichtig sind, um die Sicherheit zu stärken", kündigte Karen Hobert an.

Gemeinsame Werte und Ziele

Um Sicherheitspolitik ging es danach in der mit reichlich Fahnen geschmückten Karlshalle, in der zahlreiche Sicherheitskräfte Präsenz zeigten. "Die NATO war noch nie so wichtig wie jetzt", sagte Timothy Liston. "Wir müssen uns bei allem immer wieder unsere gemeinsamen Werte und Ziele vor Augen führen."

Den Krieg in der Ukraine bezeichnete Liston als "alleine Wladimir Putins Krieg", nicht der der russischen Zivilbevölkerung. Der US-Generalkonsul sprach von "staatlicher Lügenpropaganda" in Russland, "Völkerrechtsbruch" und einer "humanitären Katastrophe". Von Nürnberg seien es nur 75 Flugminuten nach Lwiw und dort wüte der "erste große Angriffskrieg in Europa seit 1945". Liston sprach von 75.000 Ukrainern, die schon nach Bayern geflüchtet seien. "Damit ist der Krieg mitten unter uns angekommen."

Wladimir Putin habe sich aber "verkalkuliert", Russlands Präsident habe nicht mit dem massiven militärischen Widerstand der Ukrainer gerechnet, den Zusammenhalt des Westens unterschätzt. Zudem sei der "korrupte russische Staat enttarnt worden".

Gastfreundschaft und ein Traumziel

Doch der Krieg alleine dominierte nicht die Rede, die Rolle der Wirtschaft sei in den Verbindungen zwischen Bayern und den USA eine besondere. Sein Ziel sei es, die amerikanisch-bayerischen Beziehungen weiter voranzutreiben, auszubauen, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte.

Die Standort-Kommandeurin der Garrison Ansbach mit den Kasernen Katterbach und Illesheim, Oberst Karen Hobart begrüßte.

Die Standort-Kommandeurin der Garrison Ansbach mit den Kasernen Katterbach und Illesheim, Oberst Karen Hobart begrüßte. © Stefan Blank, NN

"Diese Beziehungen sind über sieben Jahrzehnte gewachsen", sagte Liston. Für ihn als Diplomaten sei München immer das Traumziel gewesen, nicht nur wegen der "außergewöhnlichen Gastfreundschaft der Bayern und Franken". Zuvor war Liston unter anderem in den US-Botschaften in Hanoi, Berlin und Vilnius tätig, spricht fließend Deutsch, Vietnamesisch und Litauisch.

US-Bürgern, die nach Bayern kommen, lege er vor allem die Alpen als Reiseziel ans Herz, sagte Liston, aber auch Nürnberg, Würzburg, Neuschwanstein, die Romantische Straße und Berchtesgaden. Timothy Liston musste zugeben, dass er Bratwurst liebe, aber noch auf sein erstes Schäufele warte. "Das muss ich unbedingt essen." Bayerisches Bier schätze er sehr, sein heimlicher Favorit sei aber ein guter fränkischer Riesling oder Silvaner, verriet der Münchner Generalkonsul.

Yosemite und Berchtesgaden

Neben dem wichtigen gemeinsamen politischen Ziel, dass Menschen in Frieden und Freiheit leben können, nannte Liston weitere politische Handlungsfelder der deutsch-amerikanischen Beziehungen: "Von der Klimafrage werden viele andere Fragen abhängen." Der US-Generalkonsul wies auf die Kooperation der Nationalparks Berchtesgaden und Yosemite in Kalifornien hin und sprach von einem "intensiven Datenaustausch". Er könne sich vorstellen, dass in diesem Bereich noch deutlich mehr möglich sei.

Auch die Pandemie und der Gesundheitsbereich sei ein Thema, Liston lobte die Zusammenarbeit von BioNTech und Pfizer beim Covid-Impfstoff. "Das wäre so schnell sonst nie möglich gewesen." Insgesamt seien die USA der zweitwichtigste Handelspartner für Bayern. Die US-Firmen im Freistaat hätten sich seit 1996 verdreifacht, beschäftigen 166.000 Arbeitskräfte. 740 bayerische Firmen haben Standorte in den Vereinigten Staaten von Amerika. Auch in Mittelfranken gebe es viele "hidden champions", für die der US-Markt interessant sei.

Bedeutung von Grafenwöhr, Vilseck, Ansbach und Illesheim

Die bayerischen Standorte der US Army, Grafenwöhr, Vilseck und Ansbach, zu dem auch Illesheim zählt, seien wichtige Faktoren im NATO-System. Dort könnten nicht nur gemeinsame Übungen durchgeführt werden. Bei der Frage, ob die Kontingente dort bei der von US-Präsident Joe Biden angekündigten weiteren Verlegung von US-Truppen nach Deutschland aufgestockt würden, antwortete Timothy Liston ausweichend und verwies auf die militärische Führung.

Das Bewusstsein in der deutschen wie amerikanischen Bevölkerung, wie wichtig die NATO heute noch ist, sei durch den Krieg in der Ukraine auf ein anderes Level gelangt. "Sie ist die Grundlage unserer Stabilität und Sicherheit", sagte Timothy Liston. "Der Ukraine-Krieg hat uns allen gezeigt, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist."

Deutschland übernimmt Verantwortung

Die Ankündigungen der deutschen Regierung, deutlich mehr Geld in die Bundeswehr zu investieren, hätten alle US-Amerikaner sehr begrüßt. Als Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag von 100 Milliarden Euro für den Verteidigungsetat sprach und zukünftig zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sei "die Goschn am Tisch glegn".

Deutschland sei nun bereit, Verantwortung für die europäische Sicherheit zu übernehmen, formulierte es Timothy Liston. Auch das sei sicher kein Nachteil für stabile und gute Transatlantische Beziehungen.

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