Einzigartiges Totholz-Forschungsprojekt im Stadtwald

17.03.2018, 15:59 Uhr
Einzigartiges Totholz-Forschungsprojekt im Stadtwald

© Foto: Sven Finnberg

Vor ziemlich genau einem Jahr stapften Stadtförster Sven Finnberg, Wissenschaftler Sebastian Vogel und einige Helfer durch die Waldgebiete Gräf, nordwestlich von Bad Windsheim, am Kehrenberg und den südwestlichen Teil des Ickelheimer Waldes. Der Auftrag: Astbündel aufhängen. 42 Baumarten. Sechs Standorte. Drei in der Sonne, drei im Schatten. Dort hing das Holz fast ein Jahr. "Ohne Bodenkontakt, sodass für alle die gleichen Bedingungen herrschen", sagt der auf Biodiversität im Totholz, xylobionte, also im Holz lebende Käfer und Naturschutz spezialisierte Doktorand vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie der Universität Würzburg.

Da hingen sie nun. Traubeneiche, Schwerdorn, Weißdorn, Ulme, Esskastanie, bis hin zur Rotbuche. "Da ist fast alles dabei", erklärt Sven Finnberg. Nicht unerheblich sind bei der Studie die drohenden Folgen des Klimawandels. "Wir haben auch Baumarten rausgehängt, bei denen wir in Bezug auf den Klimawandel hoffen, dass sie besser mit den Bedingungen zurechtkommen. Douglasie, Küstentanne oder Roteiche zum Beispiel", berichtet Finnberg. Unterschieden wurde laut Vogel auch noch zwischen sogenannten Lichtbaumarten wie Aspe, Eiche, Kiefer und Schattenbaumarten wie Buche, Hainbuche oder Tanne.

Europaweit einmalig

Aufwand und Größenordnung sind einige der Besonderheiten des Projektes. So sagt der sonst nicht gerade zu Emotionsausbrüchen neigende Finnberg durchaus mit Begeisterung in der Stimme: "Europaweit einmalig, in dem Umfang hat es sowas noch nicht gegeben." Vogel bestätigt: "Mit 42 Baumarten hat es bislang noch keiner gemacht." Eine Studie mit maximal 13 sei ihm bekannt.

Der Frühling kam, es folgten Sommer und Herbst. Käfer schlüpften, Pilze besiedelten das Holz, Spinnen und Hautflügler folgten. Nach dem Aufbau reiste Sebastian Vogel monatlich zur Kontrolle in die insgesamt 15 000 Hektar umfassenden Waldgebiete der Kurstadt. Immer mit der Hoffnung auf möglichste viele Insekten, die protokolliert werden können. "Sie wurden ausgebracht, um besiedelt zu werden", sagt Vogel. So gingen er und seine Helfer jeden der ein Meter langen Äste mit zwei bis acht Zentimetern Durchmesser ab. Jeder Bund besteht dabei aus drei Ästen der gleichen Baumart.

© Foto: Sebastian Vogel

Artenvielfalt im Stadtwald

Die Frage, warum eine solche Studie gerade im Bad Windsheimer Stadtwald durchgeführt wird, beantwortet der Doktorand kurz und prägnant: "Weil es hier eine unglaubliche Artenvielfalt gibt." Insgesamt gibt es nach Angaben von Sven Finnberg vor allem in der Gräf eine beeindruckende Vielzahl an Schmetterlingen – rund 750 Arten – und Insekten. Die mehr als 2000 Käferarten, davon mehr als 500 Holz bewohnende Käferarten in der Windsheimer Bucht, faszinieren Forscher aus der ganzen Welt. So war zuletzt auch einer der führenden Waldökologen, der Australier David Lindenmayer, oder der Leiter des Naturparks Bayerischer Wald, Dr. Franz Leibl, zu Gast bei Finnberg, um mit ihm und dem Käfer-Spezialisten Heinz Bassler das Gebiet anzusehen.

Beim aktuellen Projekt stehen xylobionte Organismen, dabei vor allem Käfer, im Mittelpunkt. "In Deutschland gibt es etwa 1400 Käferarten, die Totholz als Lebensgrundlage brauchen", sagt Vogel. Das Problem: "Durch die intensive Waldnutzung in Europa ist der Lebensraum geschrumpft." Für die Biodiversität im Waldökosystem übernimmt Totholz jedoch eine Schlüsselfunktion und "einige Käferarten gehen nur auf bestimmte Baumarten", erklärt Finnberg. "Von vielen Käfern weiß man kaum etwas. Bisher sind es oft Vermutungen."

Bündel lagern im Rohr

Nun wurde beobachtet, dass angeblich auf bestimmte Hölzer fixierte Käfer auch anderen Baumarten nicht abgeneigt sind. "Wenn festgestellt wird, dass die auch darauf gehen, muss man vielleicht feststellen: Die Baumart ist doch nicht so gut", sagt Finnberg. "Daher geht es nun sogar darum, welche Baumarten eingebracht werden müssen, um andere zu erhalten."

Doch soweit sind die Forscher noch nicht. Im Februar wurden die Astbündel eingeholt, sie lagern nun in Kunststoffrohren von 20 Zentimeter Durchmesser. "So, dass Luft zirkulieren kann", sagt Vogel. Drei Jahre lang werden Insekten und Pilze "ausgezüchtet", erklärt Finnberg. Die Rohre werden monatlich geleert, alles penibel dokumentiert. "Das gibt ein Wahnsinns-Datenvolumen", sagt Finnberg. Und vielleicht am Ende manch praxistauglichen Tipp, welche Baumarten wie dem Klimawandel trotzen und wie die xylobionten Käfer auch weiterhin Experten im Bad Windsheimer Stadtwald erfreuen könnten.

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