Gabi Schmidt im Interview: "Wir sind eben keine Retorten-Politiker"
09.01.2021, 06:00 Uhr
Schulschließungen, Ausgangssperren oder auch Lockerungen – Corona-Politik ist oftmals Sache der Bundesländer. Im Bayerischen Landtag haben sich die regionalen Abgeordneten, Gabi Schmidt (Freie Wähler) aus Voggendorf, Hans Herold (CSU) aus Ipsheim und der nach seinem Austritt aus der AfD fraktionslose Raimund Swoboda aus Markt Erlbach, unter anderem intensiv mit der Pandemie und ihren Folgen auseinandergesetzt. Die Windsheimer Zeitung hat dem sehr unterschiedlichen Abgeordneten-Trio Fragenkataloge zugesandt, heute spricht Gabi Schmidt über die Rolle der Freien Wähler in der Staatsregierung ebenso wie über Corona, Karpfen und Wirtshauskultur.
Was ist Ihr Wort des Jahres? Corona-Pandemie zählt nicht.
Gabi Schmidt: Mein Wort des Jahres ist „Familienzeit“. Denn wir alle wurden 2020 durch die äußeren Umstände dazu gebracht, einen Gang herunterzuschalten und mehr Zeit mit uns selbst, aber auch unseren Liebsten zu verbringen. Gleichzeitig standen die Familien vor besonderen Herausforderungen, wenn aus Infektionsschutzgründen die Großeltern nicht besucht werden durften.
Wer oder was hat Sie in diesem Jahr am meisten beeindruckt?
Schmidt: Mein Mann. Wir haben ja drei (mittlerweile erwachsene) Töchter, die pandemiebedingt mehr zuhause waren als sonst. Und auch ich war deutlich mehr daheim in Uehlfeld als in „normalen“ Jahren. Dass mein Mann bei so vielen Frauen die Nerven behalten hat, hat mich beeindruckt.
Kommen wir doch zu Corona, dem Thema 2020, das viel überlagert hat. Bei welchen Themen ist man aus Ihrer Sicht in Bayern dennoch entscheidende Schritte weitergekommen?
Schmidt: Vorangekommen sind wir vor allem, was die Information und das Verhalten der Verbraucher angeht: Regional einkaufen ist in der Corona-Zeit beliebter denn je geworden. Die Krise hat gezeigt, wie sehr wir von der globalen Warenproduktion abhängig sind, viele haben deshalb umgedacht. Fortschritte haben wir außerdem bei der Digitalisierung erzielt.
Wir haben gemerkt, dass es nicht immer nötig ist, große Distanzen zurückzulegen, wenn man miteinander sprechen will. Videokonferenzen können vieles ersetzen und auch Firmen werden sich künftig zwei Mal überlegen, ob ihre Mitarbeiter für ein kurzes Meeting nach Berlin fliegen oder fahren müssen.
Welche wichtigen Themen sind etwas zu kurz gekommen, was muss also dringend in 2021 aufgeholt werden?
Schmidt: Wir brauchen gleichwertige Lebensverhältnisse in Land und Stadt. So war in den vergangenen Monaten der Beschäftigte, der auf dem Land lebt und über keine schnelle Internetverbindung verfügt, gegenüber seinen in der Stadt wohnenden Kollegen in Bezug auf das reibungslose Arbeiten im Homeoffice im Nachteil. 2021 müssen wir daran arbeiten, diesen und andere Unterschiede auszugleichen.
In ganz Deutschland gab es auch Querdenker- Demonstrationen, auch mit Corona- Leugnern und Verharmlosern des Virus. Was halten Sie davon?
Schmidt: Seit den Medienberichten weiß ich, dass in Zusammenhang mit der Querdenker-Bewegung auch eine Riesengeldmacherei abläuft. Der Kopf der Querdenker-Bewegung sammelt dank „Schenkungen“ und einem regelrechten Querdenker-Merchandising Unsummen ein. Darüber hinaus bin ich einfach nur schockiert, wie Menschen so unbeirrt von Fakten sein können.
Bayern unter Ministerpräsident Markus Söder hat oft einen Sonderweg eingeschlagen. Halten Sie diesen für gerechtfertigt?
Schmidt: Wir Freien Wähler sind Koalitionspartner der CSU und auf diese Weise war das bayerische Vorgehen stets mit uns abgestimmt und wir haben dem, was Sie Sonderweg nennen, zugestimmt – auch wenn uns manche Entscheidung schwer gefallen ist.
Klar ist aber auch: Es gibt keine Erfahrungswerte im Umgang mit einer Pandemie, daher kann niemand im Vorfeld einer Entscheidung mit endgültiger Bestimmtheit sagen, ob diese richtig ist.
Würden Sie Markus Söder das Kanzleramt zutrauen?
Schmidt: Ja natürlich.
Plexiglasscheiben zwischen Abgeordneten im Maximilianeum – wie sehr hat die Arbeit im Landtag unter der Pandemie gelitten? Funktioniert die Koalitionsarbeit weiterhin so gut, wie das zum Start 2019 kommuniziert wurde?
Schmidt: Die Koalitionsarbeit funktioniert in der Corona-Krise sogar noch besser als vorher, weil wir uns nun noch intensiver und häufiger mit der CSU austauschen. Dabei suchen wir immer den größtmöglichen gemeinsamen Nenner – vor dieser Ausnahmesituation war es naturgemäß hin und wieder so, dass jeder Partner seine eigene Arbeit höher eingestuft hat als die des anderen Koalitionsteils.
Sie sind stellvertretende Fraktionschefin, wie ist die Stimmung innerhalb der FW-Fraktion – sind immer alle auf Söder-Kurs?
Schmidt: Was Sie „Söders-Kurs“ nennen, ist doch der Kurs der Koalition aus CSU und FW, den die Freien Wähler nicht abgenickt, sondern mitgestaltet haben. Dabei diskutieren wir jeden Sachverhalt offen aus. Zugeben muss man aber auch, dass es gerade in Krisenzeiten von Zeit zu Zeit nötig ist, als Fraktion auch mal einer Notlösung zuzustimmen.
Die Freien Wähler erzielten 2018 ihr bis dato bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl, welches die Regierungsbeteiligung bescherte. Drohen die Freien Wähler von ihrem Koalitionspartner CSU erdrückt zu werden?
Schmidt: Ein Gefühl des Erdrückens kann ich nicht feststellen. Die Freien Wähler bringen zudem Qualitäten mit, die uns auszeichnen und uns im Alltag nutzen: Wir sind eben keine „Retorten- Politiker“, die nach dem Studium direkt ins Parlament eingezogen sind. Wir bringen kommunale Kompetenz mit und wissen auch, was im Supermarkt ein Stück Butter kostet.
Nicht nur in Bayern gehen Landwirte auf die Straße. Was muss sich in diesem Bereich tun?
Schmidt: Wir können als Politiker mehr Wertschätzung für die Bauern und deren Produkte einfordern, die Verantwortung hat letztlich aber zu einem großen Teil der Verbraucher. Ich habe jedoch mit der Verwirklichung meines Herzensanliegens, nämlich dass in den Schulen seit diesem Jahr die Vermittlung von Alltagskompetenz im Lehrplan verankert ist, etwas geschafft: Künftig wissen zumindest die Kinder, wo die Lebensmittel, die zuhause auf dem Tisch landen, eigentlich herkommen.
2027 ist Landesgartenschau in Bad Windsheim. Wenn Sie sich eine Attraktion wünschen könnten, welche wäre das?
Schmidt: Als ausgebildete Kräuterpädagogin kann ich mir gut vorstellen, dass auf der Landesgartenschau Wildkräuterführungen angeboten werden und das so nützliche Wissen unserer Großeltern wieder mehr in Erinnerung gerufen wird. Bei einer Landesgartenschau im Aischgrund muss außerdem der Karpfen eine Rolle spielen, überhaupt muss die fränkische Lebensart und das Lebensgefühl dieser üppigen, von Wein, Fisch und Wirtshauskultur geprägten Landschaft vermittelt werden.
Und 2023 ist wieder Landtagswahl in Bayern. Werden Sie sich wieder um ein Direktmandat bewerben und auf welcher Liste werden Sie gegebenenfalls zu finden sein?
Schmidt: Diese Entscheidung habe ich ja nicht persönlich in der Hand, sondern das ist Sache der Freien Wähler. Ich werde also abwarten, ob ich wieder nominiert werde. Wenn ich aber antrete, dann selbstverständlich nur für die Freien Wähler.
Zur Person:
Die Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt (52) ist in Neustadt geboren und lebt mit ihrer Familie in Voggendorf (Gemeinde Uehlfeld). Den Freien Wählern (FW) trat sie 1992 bei,derzeit ist sieKreis-und stellvertretende Bundesvorsitzende, zudem gehört sie dem Bezirks- und Landesvorstand an. Seit 2013 sitzt Schmidt im Landtag. Dort ist sie stellvertretendeFraktionsvorsitzende und Mitglied im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen.
Fragen: GÜNTER BLANK, BASTIAN LAUER UND STEFAN BLANK