Junge Menschen sind stark ohne Gewalt

28.10.2010, 09:57 Uhr
Junge Menschen sind stark ohne Gewalt

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Sechs Zuhörerinnen fanden sich im Spitalsaal ein, um Informatio­nen zur Zivilcourage zu erhalten. Jörn Knauer klärte zur Einleitung über das Mobbing in der Schule auf und führte das Schikanieren von an­deren Menschen auf Anderssein und das Abweichen von der Norm zu­rück. Aber jeder sei ja schließlich ein bisschen anders, so Knauer. Des­wegen sollten wir das Selbstbe­wusstsein unserer Kinder stärken, meinte der Redner.

Eine Möglich­keit sei es, eine vorteilhafte Rolle gegenüber den Gegnern durch Rol­lenspiele zu üben. Durch einen si­cheren Schritt wird Selbstbewusst­sein signalisiert. Grenzen sollen mit Körper und Sprache geschaffen werden. Kommt es zur Ausein­andersetzung, sollte das Opfer aktiv für sich selbst Verantwortung über­nehmen und beispielsweise Öffent­lichkeit durch das Einbeziehen vor­übergehender Menschen schaffen. Ein weiterer Schritt wäre die Selbstverteidigung, zum Beispiel mit Aikido, eine betont defensive moderne japanische Kampfkunst. Wichtig sei dabei aber immer, dass das Opfer nicht aggressiv wer­de und sich und andere nicht be­wusst verletzte, so Knauer.

Wird ein Schüler gemobbt, sollte der Fall so schnell wie möglich offengelegt und das Gespräch mit Lehrern, Eltern, der Elternvertretung, der Schullei­tung und letztendlich mit dem mob­benden Schüler selbst gesucht wer­den. Mit Beispielen aus dem Alltag nä­herte sich der Sprecher nach der Einleitung dem eigentlichen Thema. Zivilcourage gilt als Auftreten ge­gen die öffentliche Meinung, mit dem der Einzelne, ohne Rücksicht auf sich selbst, soziale Werte oder die Werte der Allgemeinheit ver­tritt, von denen er selbst überzeugt ist.

In die Runde nach brenzligen Vorfällen gefragt, konnte fast jeder der Anwesenden etwas berichten. So erzählte eine Frau von zwei Ju­gendlichen im Zug, die geraucht hätten. Als ein älterer Mann dage­gen Einspruch erhob, drohte die Si­tuation zu brenzlig zu werden. Die Frau erkannte dies und holte den Schaffner zu Hilfe. Knauer lobte das Verhalten als richtig und ging auf die einzelnen Punkte mit Frage­stellungen ein: Wie sicher kann die Situation als gefährlich einge­schätzt werden? Wann handelt es sich wirklich um einen Notfall? „Die Einschätzung ist oft sehr schwierig.“

Mehr soziale Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen

Wichtig sei es auch, dass Menschen noch Empathie fühlen könnten, so der Fachmann. „Wir müssen daran glauben, dass unser Handeln Änderungen bewirkt.“ Bei dem emotionalen Thema kippte die Veranstaltung schnell von einer Frontalvorlesung zu einer lebhaften Diskussion, konnte doch die Mehrheit der Gäste von ähn­lichen Fällen fehlender Zivilcourage berichten. Tenor der Veranstal­tung war, dass Kinder und Jugend­liche in ihren sozialen Kompetenzen gestärkt werden sollten. Dabei seien Lehrer wie Eltern gefragt, meinten die Anwesenden.

Der Auftakt zur Veranstaltungs­reihe, organisiert von der Arbeits­gemeinschaft „Gewaltprävention“ in Bad Windsheim, war für Veran­stalter wie für Gäste dank der weni­gen Zuhörer und Mitdiskutierer ent­täuschend. „Ein aktueller Fall wie der von Dominik Brunner hätte wohl zu mehr Zuspruch aus der Be­völkerung geführt“, waren sich die Anwesenden einig. Brunner setzte sich im September 2009 an einem Münchner S-Bahnhof für vier junge Menschen ein und starb in Folge ei­ner gewalttätigen Auseinanderset­zung mit zwei Jugendlichen. Post­hum wurden ihm zahlreiche Ehrun­gen für Zivilcourage zuteil.

Viele Fragen wurden während des Abends gestellt, viele Beispiele feh­lender Zivilcourage wurden bespro­chen, aber nur wenige Antworten gefunden. „Ein Patentrezept für richtiges Verhalten gibt es nicht, weil jede Situation anders ist“, er­klärte Jörn Knauer. Als Möglich­keit für jeden verwies er aber auf das Handy. So könne schnell und einfach in jedem Fall Hilfe geholt werden. Weitere Veranstaltungen zum Thema sind aber trotzdem geplant, so findet am kommenden Wochen­ende in der Schneiderscheune ein zweitägiger Selbstbehauptungskurs speziell für Jungen statt. „Gewalt und Kriminalität haben nicht nur einen örtlichen Bezug, sondern oft auch örtliche Ursachen“, sind sich die Mitglieder der Arge einig.