Düngeverordnung: Gemüseanbau künftig nur noch im Gewächshaus?

21.4.2020, 06:00 Uhr
Düngeverordnung: Gemüseanbau künftig nur noch im Gewächshaus?

© Oliver Acker, www.digitale-luftbilder.de

Die Entstehungsgeschichte des Knoblauchslandes ist eine aus heutiger Sicht etwas unappetitliche. Als die Wälder an dieser Stelle ab dem achten Jahrhundert nach und nach gerodet wurden, um im Lauf der folgenden Jahrhunderte Nahrungsmittel für die wachsende Stadtbevölkerung anzubauen, fand man sehr sandige Böden vor, die man erst fruchtbar machen musste.

Dies geschah, indem die "Dullnraamer" genannten Kanalarbeiter die Ausscheidungen von Mensch und Tier in rauen Mengen aus den Städten aufs Land und auf die Äcker karrten. So wurde Humus aufgebaut und das Knoblauchsland entwickelte sich zu der hochproduktiven Gemüseregion, die sie heute ist.

Mineraldünger statt Exkremente

Exkremente landen dort bis auf ein bisschen Pferdemist aus den Reitställen schon lange keine mehr auf den Feldern. Die Bauern setzen auf Mineraldünger (der natürlich auch viel Nitrat enthält). Doch der Nitratwert im Wasser ist durch die Historie und die sandigen Böden, bei denen Stickstoff schnell ausgewaschen wird, immer noch viel zu hoch.

Zwischen 100 und 250 Milligramm pro Liter liegt die Nitratbelastung, weit über dem Schwellenwert von 50 Milligramm also. "Wir haben mindestens in den nächsten 50 Jahren keine Chance, unter diese 50 Milligramm zu kommen. Selbst wenn wir den Gemüseanbau komplett einstellen würden, würde das Jahrzehnte dauern", meint Peter Höfler, Schnepfenreuther Gemüsebauer und Nürnberger Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes.

Wegen der hohen Nitratbelastung ist das Knoblauchsland als "Rotes Gebiet" klassifiziert. Durch die Verschärfung der Düngeverordnung, die ab 1. Januar 2021 gilt, bedeutet das: Die Betriebe dort müssen künftig 20 Prozent unter Bedarf düngen.

"Dann ist es vorbei mit dem Artenschutz"

"Bei Gemüse ist das utopisch. Blumenkohl oder Kopfsalat werden so nicht mehr vom Handel angenommen. Ein kleiner, gelber Kopfsalat wird einfach nicht akzeptiert", meint Höfler. Ein Ausweg wären dann nur noch mehr Gewächshäuser. Dort wird beim konventionellen Anbau nicht direkt in den Boden gepflanzt. "Aber mehr Gewächshäuser will ja auch keiner. Dann ist es vorbei mit Artenschutz", verdeutlicht Höfler.

"Dort wo Ackerbau eher extensiv betrieben wird, wie etwa im Raum Erlangen, wird man die 20 Prozent Unterdüngung kaum merken. In Intensivregionen mit hohen Erträgen, wie etwa im Uffenheimer und Ochsenfurter Gau, sind die Auswirkungen aber enorm", meint Jürgen Dierauff, Kreisobmann des Bauernverbandes im Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. Dort könne dann kaum mehr Qualitätsweizen, sondern nur noch Futterweizen produziert werden.

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Die neue Düngeverordnung war nötig geworden, weil die EU schon seit Jahren die zu hohen Nitratwerte in manchen deutschen Grundwasserkörpern kritisiert. Schon ab April hätten ohne den Bundesratsbeschluss vom 27. März Strafzahlungen von 850.000 Euro am Tag gedroht.

Einschränkungen in Roten Gebieten

Für Landwirte in Roten Gebieten mit hoher Nitratbelastung gibt es erhebliche Einschränkungen. Sie müssen 20 Prozent unter Bedarf düngen, die Herbstdüngung ist bis auf wenige Ausnahmen untersagt, die Grünlandsperrfrist wurde ausgeweitet. "Durch einen Wegfall der Düngung vor der Zwischenfrucht fallen künftig auch Erosionsschutz, Unkrautunterdrückung und Humusbildung weg", meint Ottmar Braun, Geschäftsführer des Bauernverbands in Mittelfranken. Außerdem sei eine ausreichende Nährstoffversorgung von Gemüse-, Getreide- und Futterpflanzen nicht mehr gewährleistet.

Der Gemüsebauer Peter Höfler fordert deshalb, dass man die Regionen nach Klima, Geologie und den angebauten Kulturen gesondert betrachtet. "Man sollte außerdem unsere Anstrengungen honorieren. Wir beteiligen uns an vielen Forschungsprojekten, um den Eintrag von Stickstoff ins Grundwasser zu minimieren. Die Maßnahmen haben bereits zu einer Trendumkehr beim Nitrat geführt, die Werte werden langsam besser", betont Höfler.

Der Schnepfenreuther verwendet fast nur noch Dünger, der Stickstoff in Form von Ammonium und nur zu einem geringeren Teil als Nitrat enthält. "Ammonium haftet viel besser an den Bodenmineralien und wird nicht ausgewaschen", sagt Höfler.
Sein Vorschlag: Das Knoblauchsland sollte zum Weißen Gebiet erklärt werden, für das weiterhin die bisherige Düngeverordnung gelten würde. "Dafür würden wir auch eine Kooperationsvereinbarung mit der Landwirtschaftsverwaltung, der Wasserwirtschaft und dem Berufsstand schließen", betont Höfler.

Sein Kollege Jürgen Dierauff führt in Herbolzheim einen Betrieb mit 2500 Mastschweinen und Ackerbau. Weil sich auch sein Hof in einem Roten Gebiet befindet, darf er künftig im Herbst nicht mehr düngen.

Neue Güllegrube für 150.000 Euro

"Das bedeutet, ich brauche für die Gülle ab nächstem Jahr Lagerkapazitäten von neun bis zehn statt bisher für sechs Monate", verdeutlicht Dierauff. Gemeinsam mit vier anderen Landwirten hat er deshalb ein mit Folie ausgekleidetes Erdbecken für 6000 Kubikmeter Gülle beantragt. Kosten: 150.000 Euro, Dierauffs Anteil liegt bei etwa 40.000 Euro.

"Wenn alles klappt, habe ich noch Glück gehabt, dass wir uns zusammengetan und ein Grundstück gefunden haben", sagt der Landwirt. Ein Stahlbetonbehälter auf dem Hof hätte ihn an die 100.000 Euro gekostet.

Viele andere Bauern haben aber weder Grundstück noch Geld in der Hinterhand. "Die Landwirte wünschen sich mehr Planungssicherheit. Sie haben ja genau berechnet, in welchem Zeitraum sie ihren Stall abbezahlen können – und jetzt kommt plötzlich noch eine Güllegrube dazu", sagt Anette Sippel, Umweltreferentin beim Bauernverband.
Große staatliche Zuschüsse erwarten die Landwirte nicht für die neuen Güllegruben. Ebenso wenig einen nennenswerten finanziellen Ausgleich für die geringeren Erträge.

Hohe Bußgelder

Bis Jahresende sollen die Landwirte ihre Strukturen umstellen und neue Güllegruben schaffen (wer einen Bauantrag vorlegen kann, hat bis 1. Oktober 2021 Zeit). Die Einteilung in Rote, Grüne und Weiße Gebiete könnte bis dahin noch etwas kleinteiliger erfolgen als bisher. Genaueres legt eine noch ausstehende Bundesverwaltungsvorschrift fest.

Für Verstöße gegen die Düngeverordnung werden bis zu 150.000 Euro Geldbuße fällig. Wer als Tierhalter in Roten Gebieten nicht schon bald mehr Platz für Gülle schaffen kann, hat laut Dierauff nur noch eine Option: "Dann muss man den Viehbestand verringern. Aber das würde wohl niemand finanziell verkraften."

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