Das große Klassentreffen zur Erlanger Bergkirchweih

1.6.2017, 06:30 Uhr
Das große Klassentreffen zur Erlanger Bergkirchweih

Anstich, kein Tag wie jeder andere. Viele freuen sich das ganze Jahr über auf diesen Donnerstag vor Pfingsten, der in unserer beschaulichen Stadt den zwölftägigen Ausnahmezustand einläutet. Seit einigen Jahren hat sich dabei eine Tradition etabliert: Der Kastenlauf. Um teilzunehmen, muss man sich erst einmal mit Bier eindecken. Bierkästen, um genau zu sein. Dafür verabreden sich am Nachmittag zahlreiche junge Menschen an Supermärkten und bilden ihre Kastengemeinschaften.

"Eigentlich ist es egal, ob man sich vorher verabredet", sagt Daniel Meier (Name geändert). Der 27-Jährige ist seit zwölf Jahren dabei. "Einmal bin ich nur auf Verdacht hingefahren und habe prompt dutzende Leute getroffen, die ich kannte." Nach einer Weile ziehen die Trüppchen los. "Wir sehen uns am Baum", ruft man sich zu. Genau genommen handelt es sich hierbei um zwei Bäume, eine Birke und eine Linde, die in der Nähe der Fahrradbrücke im Wiesengrund stehen. Dort pilgern die Kastenläufer jetzt aus allen Richtungen hin.

Anfangs kamen nur wenige zum Treffpunkt, seit ein paar Jahren sind es mehrere Hundert. Seitdem das so ist, gesellt sich auch die Polizei mit mehreren Einsatzfahrzeugen hinzu. Sie passt auf, dass die Berggänger nicht dauerhaft die Fahrradwege versperren. Feiernde und Ordnungshüter unterhalten sich, die Stimmung ist friedlich und ausgelassen. Manche Radler lachen, wenn sie doch bremsen und absteigen müssen und wünschen viel Spaß. Andere sind genervt und schimpfen über den Skandal, in Erlangen einen Radweg nicht ordnungsgemäß nutzen zu können.

Seit kurzem findet man "am Baum" auch Festival-inspirierte Kreativität: Die einen haben einen Rollator zum Biertransporter umfunktioniert, andere haben eine Musik-Anlage in einen Kinderfahrradanhänger eingebaut.

Während der Oberbürgermeister gerade das erste Fass ansticht, ertönen "am Baum" immer wieder begeisterte Aufschreie, wenn sich alte Freunde in die Arme fallen. "In den vergangenen Jahren haben mich gewisse Leserbriefe irritiert, in denen unsere Tradition als eine Art Koma-Saufen von irgendwelchen Jugendlichen dargestellt wurde", sagt Meier. "Wenn man sich die Leute mal ansieht, die an diesem Tag ‚am Baum‘ zusammenkommen, merkt man schnell, dass das nicht stimmt. Es sind Studenten aus ganz Deutschland, die zurück nach Erlangen kommen, um an diesem gemütlichen, traditionellen Donnerstag gemeinsam schöne Stunden zu verbringen um über alte Geschichten zu lachen."

Natürlich geht es beim Kastenlauf ums Trinken, vor allem aber geht es um etwas anderes. Erlanger Blogger nennen es treffend "das größte Klassentreffen Deutschlands". "Anstich heißt für mich nicht, dass ich pünktlich oben am Berg sein muss, um eine schlecht eingeschenkte Maß abgreifen zu können", sagt Meier. "Anstich heißt für mich, bekannte Gesichter zu treffen, die ich sonst das ganze Jahr nicht sehe, weil sie weggezogen sind oder der Kontakt etwas eingeschlafen ist. Mir bedeutet dieser Tag sehr viel."

Wenn die Sonne sinkt, pilgern die Leute in neu sortierten oder größeren Grüppchen zum Berg. Daniel Meier geht nicht mehr weiter mit: "Auf den Berg selbst gehe ich am Anstich gar nicht, da ist es mir einfach zu voll und überlaufen." Zum Baum aber kommt er jedes Jahr wieder.

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