Erlangen: "Die Toten endlich in Würde bestatten"

24.3.2016, 06:00 Uhr
Erlangen:

© Fotos: Giulia Iannicelli

Noch türmen sich Schuttberge an allen Ecken und Enden, alte Kabel hängen lose aus den Wänden und aufgeworfene Erdhaufen übersäen den Grünstreifen: Die Bauarbeiter haben hier, im traditionsreichen Taharahaus der Jüdischen Kultusgemeinde (JKG) Erlangen, noch alle Hände voll zu tun.

Christof Eberstadt, der Beauftragte der JKG für die alte Jüdische Gemeinde, ist aber zuversichtlich: Die dringend notwendigen Renovierungs- und Umbauarbeiten auf dem Friedhofsgelände könnten bis spätestens Ende des Jahres beendet sein, meint er. Noch lieber wäre ihm ein (Wieder-)Einweihungstermin bereits im September. Denn dann wird der Israelitische Friedhof hinter dem Burgberg 125 Jahre alt.

Besonders wichtig ist dafür die Sanierung des Taharahauses, also des Gebäudes, in dem die Leichenwaschung (Tahara) an verstorbenen Juden vor der Bestattung stattfindet. Es liegt in der Regel direkt neben oder auf den Friedhöfen.

Handwerker aktiv

Auch in Erlangen ist das so. Obwohl seit 2001 auf dem Friedhof wieder jährlich drei bis vier Beerdigungen stattfinden, ist es dennoch nicht möglich, auch die für den jüdischen Glauben notwendigen Riten auf dem Areal zu verrichten: Das dafür vorgesehene Taharahaus ist dafür seit langem in einem baulich viel zu schlechten Zustand, erklärt Eberstadt, der selbst jüdische Wurzeln hat. Der 63-Jährige kann das beurteilen: Denn neben seinem Ehrenamt für die Jüdische Kultusgemeinde ist der Ingenieur als Sachverständiger für Bauschäden tätig. Es fehle einfach an allem, erläutert er, während er einen weiteren Raum betritt, in dem gerade Handwerker arbeiten. "An diesem Ort wurden früher die Toten aufgebahrt", erzählt er, "und dort konnten die Angehörigen von ihren Liebsten Abschied nehmen."

Erlangen:

Heutzutage aber sieht die letzte Reise für jüdische Gläubige profaner aus: Die Waschung geschieht im Institut für Anatomie der Friedrich-Alexander-Universität, und aufgebahrt werden die Verstorbenen an einem Platz im Erlanger Stadtteil Steudach. "In jeder Religion gehört die Bestattung mit zum Wichtigsten", erklärt Eberstadt, "und alle können das bei uns auch auf würdevoller Weise tun — bis auf die Juden." Das sei eine Schande und nicht hinnehmbar.

Deshalb verbringt er Stunden und Tage auf der Baustelle, aber auch im weltweiten Netz: auf der Suche nach emigrierten jüdischen Erlangern. Immer wieder stößt er auf entsprechenden Internetseiten und in Geschichtsbüchern auf Namen und Adressen.

"Ich habe schon ehemalige Erlanger und ihre Nachfahren in zahlreichen Ländern angeschrieben und um eine Spende gebeten", berichtet Eberstadt, "aber die Resonanz war bisher nicht so gut." Eine Zusage über einen kleineren Betrag habe er zumindest aus Florida in den USA erhalten. "Weit kommen wir damit aber nicht."

270.000 Euro für Sanierung

Rund 270.000 Euro kostet voraussichtlich allein die Sanierung des Taharahauses. Schließlich soll es in dem Gebäude unter anderem wieder ein Trauerzimmer für Familienmitglieder geben. Auch die technische Ausstattung für den nötigen Kühlraum kostet viel Geld. Dazu kommen noch die Kosten für drei Gedenktafeln.

Ein großer Teil der benötigten Mittel ist aller Voraussicht nach gedeckt, unter anderem durch Spenden von Privatleuten, Bürgerstiftung und verschiedenen Baufirmen. Auch die Stadt Erlangen unterstützt das Projekt der Jüdischen Gemeinde.

"Das alles wird wohl noch nicht reichen", sagt Eberstadt. Deshalb will sich der Erlanger Rabbiner Meir Daus nun sogar an die internationale Rabbinerkonferenz wenden und dort um Spenden bitten — für den jüdischen Friedhof und für das Taharahaus.

 

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