Bundestagswahl

Unions-Wahlschlappe: CSU-Abgeordneter Stefan Müller ruft zur Analyse auf

26.9.2021, 22:40 Uhr
Noch am Samstag, 25. 9.2021, hat die CSU in Erlangen um Wählerstimmen geworben: Auch der Bundestagsabgeordnete und Direktkandidat Stefan Müller war anwesend. 

© Sharon Chaffin, NN Noch am Samstag, 25. 9.2021, hat die CSU in Erlangen um Wählerstimmen geworben: Auch der Bundestagsabgeordnete und Direktkandidat Stefan Müller war anwesend. 

Übermächtig groß schwebt ausgerechnet Armin Laschet auf der Leinwand im Hintergrund, der Unions-Kanzlerkandidat und Verlierer dieser Bundestagswahl läuft bei der SPD-Wahlparty im E-Werk-Garten gerade in dem Moment über den Bildschirm, als sich die SPD- Abgeordnete und Direktkandidatin Martina Stamm-Fibich freudig an ihre Parteifreundinnen und -freunde wendet: „Das ist toll, dass wir so einen Abend wie heute miteinander feiern können“, ruft sie unter tobendem Applaus ins Mikrofon, „haltet aus, bleibt hier, damit wir noch gemeinsam trinken und essen und den Sieg einfach genießen können.“

Egal, wie es war und egal wie es werde, sagt Stamm-Fibich, und was in den nächsten Tagen komme: „Wir sind der Wahlsieger, denn das, was wir eingefahren haben, das nimmt uns keiner“, sagt sie und wendet sich dabei ausdrücklich an die ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfern. „Was Ihr geleistet habt, auch in der Stadt und im Landkreis, das ist einfach unbeschreiblich und dafür möchte ich Euch danken.“

Auch die Bundestagsabgeordnete selbst hat zum Wahlsieg sicherlich viel beigetragen, dass sie in das neue Parlament einzieht, erscheint am frühen Abend doch ziemlich wahrscheinlich.

„Ich bin erleichtert, dass ich wohl noch einmal in den Bundestag komme“, sagt Stamm-Fibich kurz vor ihrem Auftritt vor der Parteibasis im Gespräch mit diesem Medienhaus, „ich freue mich auf vier weitere Jahre Arbeit in Berlin.“ Für sie habe die SPD vor allem mit den Thema soziale Gerechtigkeit bei den Wählerinnen und Wählern gepunktet: „Gerade in der Pandemie ist die Spreizung von oben und unten sowie reich und arm spürbar geworden und genau das wollen die Menschen nicht mehr.“

Das hat auch ihr Parteikollege, der Ko-Kreisvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende der Erlanger Stadtratsfraktion, Munib Agha, in den vergangenen Wochen wahrgenommen. „Unser Kandidat Olaf Scholz und die sozialen Schwerpunkte sind gut angekommen, gerade während der Corona-Zeit haben wir uns für Kurzarbeitergeld und Konjunkturprogramme eingesetzt und das ist für viele Menschen enorm wichtig.“ Den Positivtrend hat er schon in den vergangenen Wochen an Wahlständen und Gesprächen mit Passanten gemerkt: „Viele wollten einen Wechsel“, sagt Munib Agha - und den werden sie nun wohl auch bekommen.

Doch wie die neue Regierung aussehen wird, weiß an diesem Abend noch niemand so recht. Möglichkeiten gibt es viele. Doch eines, das sagen auch die örtlichen Politiker, möchten die wenigsten noch einmal: eine Große Koalition.

Dem Erlanger Chef der CSU-Stadtratsfraktion, Christian Lehrmann, wäre ein Deutschland-Bündnis, also eine Regierung aus Union, SPD und FDP, mit am Liebsten. Eine Wahlparty hatten die Christsozialen in Erlangen ohnehin nicht geplant, aus Corona-Gründen, wie der Bundestagsabgeordnete und Direktkandidat Stefan Müller noch einen Tag vor der Abstimmung gegenüber dieser Redaktion betonte. Nun trifft es sich ausgezeichnet, dass keine Feier vorbereitet ist. Denn die Union fährt das schlechteste Ergebnis seit Langem ein. „Froh und glücklich macht das Ergebnis keinen CSU-ler“, räumt Lehrmann gegenüber dieser Redaktion ein. Von sofortigen personellen Konsequenzen hält er wenig, viel wichtiger sei es jetzt, die Abstimmung klar zu analysieren.

CSU-Mann sieht viele Gründe für das Ergebnis

Das sieht der Bundestagsabgeordnete Müller ähnlich. Die Gründe für das, wie Müller formuliert, „gemessen an früheren Ergebnissen schlechte Abschneiden“ seien vielfältig und reichten von einer zu späten Kanzlerkandidatenkür, über das Auswahlverfahren selbst bis hin zu einer ebenfalls zu spät präsentierten Spitzenmannschaft. Mit Blick auf Erhebungen, die die Union noch schlechter verortet hatten, sei das doch ein „sehr solides“ Ergebnis, meint Müller auf Nachfrage. Noch stehe ein langer Abend bevor und erst danach können man sagen, wie die Wahl wirklich ausgegangen ist. Klar ist am späten Abend: Stefan Müller zieht auch in den nächsten Bundestag wieder ein.

Die Grünen freuen sich besonders, sie stellen bei der Bundestagswahl wohl die stärkste Kraft in der Stadt Erlangen. "Wir haben bei uns ein tolles Ergebnis", sagt die Direktkandidatin Tina Prietz, "an uns liegt es nicht, wenn das Ergebnis bundesweit hätte besser sein können." Die gute Laune sind Prietz und ihren Parteifreundinnen und -freunden am Abend anzumerken: „Wir haben die Lust auf Veränderung im Wahlkampf schon wahrgenommen“, sagt sie, „und nun ist es so gekommen, die Union hat massiv verloren und die SPD kräftig gewonnen“. Prietz selbst hätte sich Rot-Grün gewünscht, doch dazu dürfte es wohl nicht reichen. Mit der Union könne sie sich kein Bündnis vorstellen, dann schon eher eine „Ampel“, wobei es klar sei, dass „unsere Schnittstellen mit der SPD größer sind als mit der FDP“. Die Freien Demokraten indes dürfen sich über Zugewinne ebenfalls freuen — was die örtliche FDP in ihrer Geschäftsstelle auch getan hat.

Eine wichtige Rolle spielte bei der Abstimmung die Briefwahl. Auch im Bundeswahlkreis Erlangen gab es daher für die Briefwähler dutzende extra Bezirke mitsamt ihren Auszählungsorten, in denen die Briefwahlstimmen zusammenlaufen. Ein großer Ort war die Heinrich-Lades-Halle, wo bereits vor Schließung der Wahllokale viel zu tun war.

Unterlagen müssen geprüft werden

Die Unterlagen mussten zunächst geprüft werden, ob etwa die Eidesstattliche Versicherung dabei ist und die Daten mit der Liste der Wahlberechtigten übereinstimmt. „Das ist viel Arbeit“, sagte der ehrenamtliche Briefwahlvorsteher Stephan Löcher. Schon am späten Nachmittag lagen 940 Wahlbriefe vor ihm und den anderen Freiwilligen: „Das sind schon mehr als bei der letzten Kommunalwahl, bei der ich dabei war", sagt er er.

Wenn alles korrekt ist, werden dann die roten Umschläge mit dem Stimmzettel in die Wahlurne gegeben - und natürlich erst nach 18 Uhr aufgemacht. Angst, sich bei der Arbeit mit dem Coronavirus anzustecken, hat Löcher nicht, es herrschen schließlich Pandemie-Maßnahmen.

Auch in den Wahllokalen selbst galten Abstands- und Hygieneregeln. Die Wählerinnen und Wähler mussten Maske tragen, auch Desinfektionsmittel standen bereit. Dazu konnten die Wähler auch noch eigene Kugelschreiber mitbringen — um diese ungewöhnliche Wahl in Corona-Zeiten so sicher wie nur möglich zu machen.

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