Forchheim: Archäologen legen Schmuck aus der Eisenzeit frei
15.07.2016, 08:00 Uhr
Der eine oder andere Autofahrer, der zurzeit am Kersbacher Kreuz vorbeikommt, um seinen Tank mit Benzin oder seinen Magen mit Fastfood zu füllen, wird sich beim Blick über die Willy-Brandt-Allee wundern: Eine zwei Hektar große Grube, in der Männer und Frauen viereckige Löcher buddeln, umgeben von hunderten weißer Plastiklöffel, die wie futuristische Pflanzen-Imitate aus der Erde sprießen.
„Jeder dieser Löffel wird mit einer fortlaufender Nummer beschriftet“, erklärt Grabungsleiter Matthias Tschuch und deutet auf Löffel 844. „Jeder einzelne registriert einen Befund. Auf dieser Fläche haben wir rund 1300 Stück.“ Unter Befund verstehen Archäologen – in Abgrenzung zu konkreten Fundstücken – die bei Ausgrabungen entdeckten Strukturen früherer Gebäude und Anlagen, erkennbar beispielsweise durch Grundrissmauern oder Erdverfärbungen. Anhand von Pfostengruben, die sie auf dem Areal südlich des Augrabens gefunden haben, konnten Tschuch und sein Team von der Grabungsfirma ArchDienst zahlreiche keltische Wohn- und Speichergebäude rekonstruieren.
Zudem haben sie bislang mehrere Kilogramm an Fundstücken aus der Erde geholt: Keramik-Bruchstücke von Tellern, größere Gefäße aus gebranntem Ton, die Klinge eines Steinbeils. Auch eine Bronzenadel ist dabei. „Sie wurde wohl benutzt, um Gewänder zusammenzuhalten oder einfach als Schmuckstück“, vermutet Tschuch. Das Alter der Siedlung datieren die Wissenschaftler auf den Zeitraum 1300 bis 700 vor Christus, zwischen der sogenannten Urnenfelder- und der Eisenzeit.
Beauftragt wurde die Grabungsfirma von der Netz AG der Deutschen Bahn, betreut werden die Wissenschaftler vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLFD). Seit dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz von 1973 ist das Amt bei Großbaumaßnahmen im Freistaat fest mit im Boot – so wie nun beim viergleisigen Ausbau der Trasse zwischen Nürnberg und Ebensfeld Richtung Berlin.
„Unsere Aufgabe ist vor allem die Dokumentation solcher Denkmäler“, sagt Stefanie Berg-Hobohm vom BLFD. „Was hier einst vor tausenden Jahren stand, soll für die Nachwelt erhalten bleiben, bevor es durch Bauarbeiten für immer zerstört wird.“ Dafür kommen die Ergebnisse aller wissenschaftlichen Ausgrabungen in Bayern in einen online einsehbaren Denkmal-Atlas des BLFD.
Noch etwa zwei Wochen werden die Mitarbeiter von ArchDienst in dem Gelände zwischen Kersbach und Forchheim buddeln, vermessen und dokumentieren. Alle Stücke, die sie dabei noch entdecken, werden am Ende gesäubert und kommen ins BLFD-Depot nach München. „Dort klären wir auch, wer Eigentumsanspruch auf die Funde hat“, sagt Berg-Hobohm. „Unsere Gesetze sehen vor, dass 50 Prozent an den Finder und 50 Prozent an den Grundeigentümer gehen.“ Im aktuellen Fall sei das aber ziemlich klar, denn die Bahn ist beides.
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