Abwasserstreit
Hallerndorfer Abwasserstreit: Brauerei wird aktiv
3.6.2021, 09:49 UhrWie Gunselmann als Vorsitzender der Hallerndorfer CSU Anfang Mai erklärte, sei "der enorme Wasserverbrauch sowie der massive Verschmutzungsgrad des erzeugten Abwassers" eines Starkeinleiters das Kernproblem. Der Verschmutzungsgrad der Abwässer dieses Betriebs übersteige die Verschmutzung haushaltsüblicher Abwässer um mehr als das Vierfache und so sei erklärlich, dass die kommunale Kläranlage mit deren Bewältigung seit geraumer Zeit überlastet ist.
Aus Sicht der Gemeinde und ihres 2020 neu gewählten Bürgermeisters Gerhard Bauer stellt sich die Situation wie folgt dar: Für die Suche nach der Ursache eines gravierenden Störfalls im Juli 2020 sei vom Abwasserzweckverband eine fachkundige Biologin beauftragt worden. Diese sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bildung von sogenannten Fadenbakterien den Störfall verursacht hat. Deren Wachstum werde begünstigt, wenn das Abwasser auf dem Weg zur Kläranlage zu lang in den Kanalleitungen stehe und sich deswegen Schwefelverbindungen im Abwasser bilden.
Auch durch die Belastung des Abwassers mit Stoffen mit chemischem Sauerstoffbedarf (CSB) für deren Abbau in der Kläranlage werde das Wachstum derartiger Bakterien begünstigt. Der CSB-Wert für Hallerndorf und Eggolsheim zusammen habe sich allerdings im Durchschnitt in den letzten zehn Jahren auf annähernd konstantem Niveau bewegt, so Bauer.
Nach dem Störfall im Juli 2020 habe Hallerndorf "unverzüglich Maßnahmen eingeleitet". Ein Ingenieurbüro sei beauftragt worden, einen Plan für die Verbesserung der Kanalsituation zu erarbeiten, insbesondere um etwas gegen die lange Verweildauer des Abwassers im Kanalnetz zu unternehmen. Spülungen seien durchgeführt und Schwachstellen im Netz ausfindig gemacht worden. Die Beseitigung der Schwachstellen sei bereits beauftragt.
Mögliche Starkeinleiter ermitteln
Ende März 2021 sei Hallerndorf vom Abwasserzweckverband über eine erneute Zuspitzung der Situation in der Kläranlage informiert worden – wieder seien die Fadenbakterien das Problem gewesen. Unverzüglich sei daraufhin ein großer Abschnitt der Druckleitung Willersdorf-Schlammersdorf gesäubert und das Spülgut in umliegenden Kläranlagen entsorgt worden. Der hohe Verschmutzungsgrad der Leitungen lasse nach der Expertise des Ingenieurbüros "auf ein Wartungsdefizit der letzten Jahre und Jahrzehnte schließen" und könne "aufgrund der Komplexität des Themas nicht in kürzester Zeit abgearbeitet werden."
September 2020: Die Kläranlage steht vor dem Kollaps
Allerdings spielen weitere Faktoren eine Rolle: Die Kläranlage sei 1989 vom Abwasserzweckverband nach den damaligen Anforderungen gebaut worden. "In den letzten 32 Jahren haben sich die Mitgliedsgemeinden weiterentwickelt", schreibt Bauer. Einerseits seien die Einwohnerzahlen gestiegen, es hätten sich aber auch Art und Größe der Gewerbebetriebe verändert.
Auch ohne den erhöhten Zulauf an CSB, der auf die Einleitung von gewerblichem Abwasser zurückzuführen sei, überschreite der Kläranlagenzulauf aktuell die ursprüngliche Auslegung. Viele Teile der Anlagen seien überaltert und müssten erneuert werden. Belastungsspitzen, die regelmäßig aufträten und "mit großer Wahrscheinlichkeit auf gewerbliche Einleitungen zurückzuführen" seien, müsse begegnet werden. Das Investitionsvolumen für Ertüchtigung und Sanierung sei vom Ingenieurbüro auf sechs Millionen Euro geschätzt worden. Über eine gerechte Aufteilung dieser Summe werde zwischen den zwei Gemeinden seit einem Jahr "intensiv diskutiert", erklärt Gerhard Bauer.
Kein Umweltschaden
Im Hallerndorfer Gemeinderat sei man sich darüber einig, dass Starkeinleiter – abweichend von der bisher angewandten Praxis – künftig an den Kosten für die Sanierung und den Betrieb der Kläranlage mit den zur Verfügung stehenden Mitteln herangezogen werden sollen. "Jedoch müssen die möglichen Starkeinleiter zunächst konkret ermittelt werden."
Auch der Abwasserzweckverband hat den NN gegenüber ausführlich Stellung bezogen: Die Kläranlage sei ausgelegt für 15 000 Einwohnerwerte (EW). 10 000 davon seien zum Bau der Anlage vor 32 Jahren von Eggolsheim wasserrechtlich angemeldet worden, 5000 von Hallerndorf. "Seit einigen Jahren wird dieser Wert jedoch erheblich überschritten, bis zu Spitzenwerten von rund 30 000 EW", und das obwohl nur 11 051 reale Einwohner angeschlossen seien. Dies lasse auf gewerbliche Einleitungen schließen.
Mai 2021: Was tun im Hallerndorfer Abwasserstreit?
Das geklärte Wasser wird in den Main-Donau-Kanal geleitet. Die Ablaufwerte würden eingehalten. Im Sommer 2020 "musste die Anlage für zwei Tage stillgelegt werden. Es wurde rechtzeitig gehandelt um einen Umweltschaden zu vermeiden." Als Ursache habe man einen "Temperaturanstieg und hohe CSB-Frachten in Verbindung mit schwefelbelastetem Abwasser aus Hallerndorf" festgestellt. Durch Sofortmaßnahmen habe sich die Biologie der Anlage dennoch "zügig erholen" können. Die Havarie habe keinen Umweltschaden zur Folge gehabt. "Vor Ostern 2021 stiegen die Temperaturen kurzzeitig und sehr schnell an, ebenso kamen wieder Stoßbelastungen mit hohen CSB-Frachten", teilt der Verband weiter mit. Die kritische Lage habe sich jedoch durch gezielte Eingriffe noch am selben Tag beruhigt. Langfristig gelöst sind die Probleme damit allerdings nicht: "Eine weitere ,Havarie‘ konnte und kann nicht ausgeschlossen werden. Deshalb ist Eile geboten, unverzüglich Abhilfe zu schaffen."
Der Zweckverband habe seine Mitgliedsgemeinden aufgefordert, die jeweils zugeteilten EW-Werte einzuhalten. "Hallerndorf konnte dieser Aufforderung nicht nachkommen, deshalb wurde das Landratsamt Forchheim als Rechtsaufsichtsbehörde aufgefordert tätig zu werden." Das Landratsamt habe festgestellt, dass der Zweckverband korrekt gehandelt habe und die Notwendigkeit zu handeln bei der Gemeinde Hallerndorf liege.
Intensiv mit der Materie beschäftigt
Die konkreten Probleme seien dem Verband schon seit 2018 bekannt. Bereits ab diesem Zeitpunkt hätten intensive Gespräche stattgefunden, um die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Aktuell sei geplant, die Kläranlage auf eine Kapazität von 22 000 EW auszubauen. Für Eggolsheim seien 10 500 EW das Ziel und 11 500 EW für Hallerndorf.
Auf Nachfrage räumt auch Gunselmann, der bis April 2020 in Hallerndorf Bürgermeister war, ein, das Problem bereits 2018 gekannt zu haben. Damals habe es einen personellen Wechsel in der Kläranlage gegeben "und erst dann wurde uns klar, dass wir in der Kläranlage an der Kapazitätsgrenze arbeiten." Er habe sich seitdem intensiv mit der Materie beschäftigt und auch mit dem Inhaber des Abfüllzentrums und der Brauerei Rittmayer gesprochen.
Denn die Abwassermengen dieses Betriebs und deren Verschmutzung "machen viel aus", meint Gunselmann. Georg Rittmayer allerdings "war nicht einsichtig und hat mit allen Mitteln versucht, sich herauszureden." Bis zur Abwahl Gunselmanns im März 2020 habe man keine Lösung für die Situation finden können.
Kommentar: Nicht nur das Abwasser - in Hallerndorf gärt es schon länger
Im Gespräch mit den NN äußert sich nun erstmals Georg Rittmayer öffentlich zu dem Thema, das ihm "schon viele schlaflose Nächte" bereitet habe: Es sei ein Grundsatz des Unternehmens, es stetig in unterschiedlichen Bereichen und Produktionsprozessen weiter zu entwickeln. Damit aufs Engste verbunden sei "die Frage nach nachhaltigen und umweltfreundlichen Produktionsprozessen sowie einem ökologisch sicheren Umgang mit entstehenden Abwässern."
2005 habe die Brauerei eine Stickstoffgewinnungsanlage zur CO2-Reduzierung angeschafft, die rund 130 Tonnen CO2 pro Jahr einspare. Der 2013 in Betrieb gegangene Neubau des Unternehmens sei "einer der umweltfreundlichsten Brauereibetriebe in Bayern". Damit verbunden sei die Umstellung auf eine Holzhackschnitzelheizung gewesen, was rund 140 000 Liter Heizöl pro Jahr einspare. Den Strombezug habe man auf Energie aus Wasserkraftwerken umgestellt.
Eigene Kläranlage geplant
Aktuell plane der Betrieb den Bau einer betriebseigenen Kläranlage mit Biogasgewinnung und einer CO2-neutralen Eigenstromerzeugung. Sie soll noch 2021 in Betrieb gehen. Auch die Planung für einen Misch- und Ausgleichstank für das Abwasser laufe, dessen Bau habe bereits begonnen. Diese Maßnahmen seien eine Konsequenz aus der Abwasserproblematik: "Nach der Kommunalwahl 2020 erlangte die Brauerei Rittmayer Kenntnis darüber, dass ein Sanierungskonzept des Klärwerks Eggolsheim/Hallerndorf geplant ist." Daraufhin habe sie ein Abwassermessprogramm durchführen lassen, bei dem die Einleitung in das lokale Abwassersystem überwacht wurde.
Die Ergebnisse seien unmittelbar dem Zweckverband offiziell mitgeteilt worden. "Anschließend wurde die Brauerei in keine weiteren Sitzungen der Gemeinden und des Abwasserzweckverbands involviert oder über das weitere Vorgehen informiert", bedauert Georg Rittmayer.
Im Mai 2020 habe ein Termin beim Zweckverband stattgefunden, bei dem die Investitionsbeteiligung der Brauerei am Ausbau der Kläranlage besprochen worden sei. "Unabhängig hiervon bot die Brauerei den Bau eines eigenen Abwasser- und Mischtanks proaktiv an, um die Kläranlage zukünftig zusätzlich zu entlasten." Im Sommer 2020 sei eine Durchflussmessung und die Installation einer mengenproportionalen Einrichtung zur Entnahme von Proben im Ablauf erfolgt. "Zusätzlich wurde eine Laboreinrichtung zur Abwasseranalyse angeschafft und die Produktion hinsichtlich einer Minimierung des Abwasseranfalls und seiner Frachten optimiert." Und man habe "eine repräsentative Untersuchung des Abwassers durch ein externes Fachlabor beauftragt."
Die Brauerei Rittmayer habe parallel dazu ein Ingenieurbüro mit der Einschätzung der Situation und der Planung notwendiger Maßnahmen beauftragt. Die Ergebnisse vom November 2020 seien den zwei Gemeinden und dem Projektsteuerer des Abwasserzweckverbands vorgestellt worden.
Sowohl die von einem unabhängigen Ingenieur gewonnen Erkenntnisse vom November 2020 als auch die eigenen Vorplanungen des Zweckverbands zeigen aus Sicht von Rittmayer, "dass ein Vorabbau des CSB bis auf das Niveau von häuslichen Abwässern zu keiner wesentlichen Reduktion des Bauvolumens und damit der Investitionskosten des Kläranlagenausbaus führen" würde. Zudem "bewegen sich sämtliche CSB-Werte der Brauerei nachweislich im Rahmen der gängigen Praxis, die mit anderen Brauereibetrieben 1:1 deckungsgleich sind." Alle weiteren Abwasserbestandteile wie Stickstoff, Phosphor und abfiltrierbare Stoffe der Brauerei "liegen unterhalb oder gleichauf mit Messwerten häuslicher Abwässer."
Vermutung "haltlos"
Die Planung eines Misch- und Ausgleichstanks für das Abwasser "wurde weiter forciert und ein Bauantrag gestellt. Zeitgleich wurden die Anlagenkomponenten bestellt und Baufirmen beauftragt." Nach der Baugenehmigung habe man am 13. Mai mit dem Bau eines belüfteten Misch- und Ausgleichstanks mit einem Volumen von 320 Kubikmetern beginnen können. Die Brauerei habe sich entschieden, eine betriebseigene Kläranlage auf dem eigenen Gelände anzulegen, "um zukünftig das von beiden Gemeinden genutzte Klärwerk bestmöglich zu unterstützen".
Rittmayers Fazit: "Abschließend möchten wir noch darauf hinweisen, dass eine mögliche Vermutung, unsere Produktion könnte Schuld an einer Überlastung des Klärwerks vor Ostern 2021 gewesen sein, haltlos ist und komplett ausgeschlossen werden kann." Denn die Brauerei habe in diesem Zeitraum überhaupt nicht produziert. Bei der Produktion würden etwa Kleberreste von Etiketten, die bei der Reinigung von Leergut anfallen, "zu mehr als 98 Prozent vorab herausgefiltert. Hierfür spricht der geringe Stickstoffgehalt kleiner ca. 45 mg/l gemäß den Messergebnissen aus 2020. Im Vergleich hierzu liegen häusliche Abwässer durchschnittlich bei 80 bis 90 mg/l Stickstoffgehalt."
Mitten unter uns: So schön ist Hallerndorfs grüne Mitte
Reste von Hefe, Trub und Kieselgur aus der Bierproduktion würden im Betrieb "nach neustem Stand der Technik zurückgehalten und unter anderem nach zertifizierter Methode an die Landwirtschaft weitergegeben." Zusätzlich könnten durch die aktuellen Investitionen der Brauerei in die Abwassertechnik "abfiltrierbare Stoffe auf nahe Null reduziert werden." Die Brauerei habe also alles in ihrer Macht Stehende getan, um sämtliche Betriebsabläufe und Produktionsprozesse im Sinne der Umwelt und nach Stand der Technik zu optimieren.
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