Reichsarbeitsdienst ließ Ebermannstadt bluten

18.02.2011, 17:31 Uhr
Reichsarbeitsdienst ließ Ebermannstadt bluten

© Müller-Jentsch

Der Kulturkreis hatte den Historiker Manfred Franze zu einem Vortrag in den Resengörgsaal geholt, um den Mantel des Schweigens über dieser Geschichte etwas zu lüften. Viele Ebermannstädter kennen wahrlich nur die Polizeischule, die 1938 in das RAD-Haus kam. Der Gebäudekomplex am Hasenberg, so Christian Rösch (Kulturkreis), hat „wie kein anderer in Ebermannstadt eine wechselvolle Geschichte“. Nach dem Krieg gab es ein Flüchtlingslager, später einen Kinosaal, Auch an die Fabrik eines Strumpfherstellers und den Unterrichtsraum für die frühere Mittelschule erinnert man sich. Nun beherbergt der Komplex Kinderhort und Tagesstätte, Mütterzentrum und die Stadtbücherei.

Aber die Vorgeschichte ist viel spannender. Als 1933 die an die Macht gekommenen Nazis die Arbeitsdienstpflicht einführten, war man auch im Amtsbezirk Ebermannstadt rasch mit dem Vorschlag zur Hand, ein RAD-Stammlager zu errichten. Die NSDAP hatte im Bezirkstag fünf Sitze und die Bayerische Volkspartei vier. Und alle waren dafür. Auch ein geeignetes Objekt schien schon da zu sein. Die Fabrik von Fritz Barthelmeß in Muggendorf, in der Haarschneide- und Massagegeräte hergestellt wurden, die aber seit dem Konkurs der Firma im Jahr 1929 leer stand.

Oberamtmann Ferdinand Waller, Chef des Bezirksamtes, und sein Stellvertreter Heinz Wirsching schickten zwar eine Delegation nach Würzburg, zum Gau-Arbeitsführer. Mit dem Standort Muggendorf fand man aber bei diesem kein Gehör. Zwischenzeitlich wurden die Kommunalparlamente politisch gleichgeschaltet. In Ebermannstadt war BVP-Bürgermeister Georg Wagner der erste, der das Parteiabzeichen der NSDAP trug. Die fünf Parteifreunde im Rat folgten zwar ihm nicht, aber im Juli 1933 löste die BVP sich von selbst auf.

Wagner und sein zweiter Stellvertreter Joseph Batz sowie Ratsmitglied Nikolaus Schmidt, der SA-Kreisleiter und spätere RAD-Feldmeister, zogen nach einem einstimmigen Beschluss des Stadtrates die politischen Fäden. Am 18. September waren sie am Ziel. Das Bezirksamt musste die Segel streichen. Muggendorf schied aus. Arbeitsgauführer Fritz Schinnerer verkündete in der Ratssitzung, dass das RAD-Sammellager, in dem man 216 Mann unterbringen wolle, zehn Jahre lang in Ebermannstadt bleiben werde.

Partei setzt Verwaltung matt

Für Franze ist die Entwicklung bei der Standortsuche ein Vorgang, der schon sehr früh die Macht der Partei bis in die letzten Winkel der Gesellschaft hinein deutlich gemacht habe. Die NSDAP „schob die kommunalen Instanzen einfach beiseite“. Infolgedessen legte der NSDAP-Kreisleiter Karl Schmidt den Bauplan für das RAD-Lager am Hasenberg vor. Und sagte: Der Arbeitsdienst biete die „einzigartige Möglichkeit zur Ertragssteigerung der Bodenbewirtschaftung in der gesamten Fränkischen Schweiz“.

Der Amtsbezirk hatte 22000 Einwohner, war der kleinste in Oberfranken und galt als „Notstandsgebiet“, das „dringend Hilfe von außen bedurfte“ (Franze). Das RAD-Zentrum, von dem die Nazis behaupteten, es werde „das schönste Arbeitslager Deutschlands“, obwohl man sich am Hasenberg durch Schlamm und Morast kämpfen musste, hat der NSDAP anfangs viel Sympathien in dem kleinen Ort eingebracht. Franze: „Die Nazis konnten sich als Modernisierer präsentieren und so leichter ihre Ideologie verbreiten.“ Auch hatte der berüchtigte „Frankenführer“ Julius Streicher das Ebermannstädter RAD-Lager bei einem Besuch hoch gelobt. Auch sein Sohn Lothar war hier kaserniert. Und hat sich dort in den Hetzreden des Vaters geübt, unter anderem hervorgetan mit einem Artikel „gegen den jüdischen Rüstungskapitalismus“ in der Lagerzeitung.

Mit dem Lager hatte sich die Stadt freilich finanziell übernommen. So verweigerte die Arbeitsgauleitung der Stadt Kredite aus dem so genannten Reinhardt-Programm. Auch die Regierung von Ober- und Mittelfranken stellte sich taub. Sie warnte „vor größeren Belastungen“ wegen „derartiger Einrichtungen“ wie RAD-Lagern. Somit blieb die finanziell schwachbrüstige Stadt auf 100000 Reichsmark Schulden sitzen. Schon vorher hatte der Bezirkstag klargestellt, dass er die Neubaukosten von 158000 Euro nicht übernehmen werde.

Arbeitsdienst „Fremdkörper“

Sodann drohte der RAD auch noch mit dem Abzug, sollte das Lager keine Turnhalle bekommen. Das Gebäude, in dem 1000 Gäste Platz finden konnten, wurde dann vom Bezirksamt finanziert. Aber weder das Stammlager noch die Halle hat man offiziell eingeweiht. Zu tief saß der Ärger in Ebermannstadt über das Verhalten des RAD, den man als „Fremdkörper“ empfand. 3,8 Millionen Arbeitstage waren für die Arbeiter des RAD-Lagers Richard Wagner avisiert. 1000 waren bis 1938 in Ebermannstadt stationiert. Die Verkehrserschließung auf der Langen Meile und der Straßenbau im Ramstertal war ihre Aufgabe. Für mehr hätte man in der Fünf-Kilometer-Zone 16 Jahre gebraucht.