Im Morgengrauen kam der Krieg

Ukrainerin aus Franken befürchtet Flüchtlingswelle und will Eltern nach Deutschland holen

Patrick Schroll

Stellvertretender Ressortleite

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24.2.2022, 12:39 Uhr
Olena Demchuk (3. v.l.) mit ihren Eltern und ihrem Neffen. Das Foto stammt aus dem Sommer 2021 und ist bei einem Besuch ihrer Eltern in der westukrainischen Stadt Luzk aufgenommen worden. 

© Olena Demchuk Olena Demchuk (3. v.l.) mit ihren Eltern und ihrem Neffen. Das Foto stammt aus dem Sommer 2021 und ist bei einem Besuch ihrer Eltern in der westukrainischen Stadt Luzk aufgenommen worden. 

Ihre Eltern sind 70 Jahre alt und wohnten bis zuletzt im Westen der Ukraine. Trotzt der Spannungen zwischen Russland und der Ukraine seit vielen Jahren seien die Menschen beruhigt gewesen, auch ihre Familie. "Wir haben gedacht, hier greift Putin nicht an. Hier, direkt an der Grenze zur Nato", sagt Demchuk. "Es ist schrecklich", sagt sie. "Wir haben wirklich gehofft, dass uns Russland die Hälfte der Ukraine lässt."

2014 hat Putin die Halbinsel Krim besetzt. Russische Separatisten haben den Osten des Landes unter Kontrolle. Seit Jahren schon finden in den abtrünnigen Regionen kriegerische Auseinandersetzungen statt. Schon vor Jahren kamen deshalb die ersten ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland an.

Um sie hat sich Olena Demchuk gekümmert. Demchuk arbeitet für die Asylberatung des Caritasverbandes, hatte das bis vor zwei Jahren noch in Forchheim getan. Jetzt arbeitet sie am Standort Herzogenaurach für den Landkreis Erlangen-Höchstadt. Zum Angriff Russlands auf die Ukraine sagt sie: "Das wird eine neue Welle von Flüchtlingen auslösen."

Mit dem Morgengrauen kam der Krieg für die Familie von Olena Demchuk

Bereits 2015 seien Flüchtlinge aus allen Teilen der Ukraine nach Deutschland gekommen. "Wie heute hatten die Menschen damals Angst vor Krieg gehabt, vor allem die, die aus dem Osten kommen", sagt Demchuk. Aber auch die wirtschaftlich schlechte Situation in der Ost-Ukraine habe die Menschen zur Flucht getrieben. "Die wirtschaftlichen Beziehungen gerade im Osten des Landes sind zu Russland sehr eng. Und die wurden sehr schlecht", erklärt sie.

Ihre Eltern leben in der 210.000-Einwohner-Stadt Luzk. Sie liegt nahe der polnischen Grenze, 400 Kilometer und rund fünf Autostunden westlich der Hauptstadt Kiew. "Bisher haben die Leute dort im Westen nichts vom Krieg im Osten gespürt", sagt Demchuk. Der Konflikt war über Jahre hinweg weit weg.

Er sei nur dann greifbar gewesen, wenn Soldaten einberufen und in den Osten geschickt worden seien. Oder wenn die Nachricht eines getöteten Bekannten eingetroffen ist. Nach UN-Schätzungen gibt es in dem seit acht Jahren währenden Konflikt bisher mehr als 14.000 Tote, die meisten auf dem von Separatisten kontrollierten Gebiet. Mit dem Morgengrauen ist der Krieg im gesamten Land angekommen.

"Die Flüchtlinge von damals sind fast alle wieder in die Ukraine abgeschoben worden oder freiwillig zurückgekehrt", sagt Demchuk. "Außer es haben humanitäre Gründe dagegen gesprochen, wenn zum Beispiel jemand krank war." Der Hauptgrund für die Abschiebungen sei die Argumentation gewesen, dass nur der Osten vom Konflikt betroffen gewesen sei. Das hat sich jetzt geändert.

"Ruhig bleiben und nicht in Panik verfallen"

Olena Demchuk verfolgt die Entwicklungen in der Ukraine ganz genau. Ihre Eltern will sie beruhigen, hofft, dass sie nicht in Panik verfallen. "Wir müssen abwarten und schauen", sagt sie. "Wenn es möglich wird, will ich meine Eltern zu mir nach Deutschland holen."

Olena Demchuk ist 2002 als Studentin nach Deutschland gekommen. Die heute 42-Jährige hat in der Ukraine Deutsch studiert und bereits während ihrer Zeit an der Universität an vielen deutsch-ukrainischen Austauschen teilgenommen. "Viele haben das damals gemacht, weil die Beziehungen zwischen den Ländern so gut waren."

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