Schlechtes Wetter und Baustellen
Von Enten und Pistazieneis: Forchheim aus der Sicht einer "Fremden"
09.04.2022, 06:00 Uhr
Nach knapp zwei Wochen voller Sonnenschein und mit Höchsttemperaturen bis zu 17 Grad startet meine Reise nach Forchheim an einem grauen und kalten Tag. Nein, das ist kein Witz - ich scheine das schlechte Wetter nach Forchheim gebracht zu haben. Seit meiner Ankunft Ende März habe ich nun Wind, Regen und sogar Schneefall erlebt. Warum ich überhaupt in Forchheim gelandet bin?
Ich bin seit November 2021 Volontärin im Verlag Nürnberger Presse. Auf dem Laufplan, der meine nächsten zwei Arbeitsjahre klar strukturiert, ist auch eine Außenredaktion angekündigt: Forchheim. Es war zu meiner großen Freude, als ich den Namen dieser Stadt gelesen habe - der Grund für meine Euphorie war jedoch nicht die Stadt selbst, sondern die Nähe zu meinem aktuellen Wohnort Erlangen. In Forchheim war ich in den letzten sieben Jahren nur zwei Mal. Das erste Mal für einen Kinobesuch mit einer ehemaligen Kommilitonin, die in Forchheim zu Hause ist und ein weiteres Mal, um im Globus einkaufen zu gehen.
Der erste Eindruck
Der Wetterbericht kündigt für die nächsten Tage ausschließlich Regen an, sodass ich meine erste Mittagspause für einen Stadtspaziergang im Trockenen ausnutze. "Eine Baustelle folgt der Nächsten. Eine Traditionsbäckerei, die den Betrieb aufgegeben hat und leere Gehwege", denke ich mir. Der erste Eindruck von Forchheim: eher trist und bedrückend.
In der Innenstadt ändert sich der Anblick. Eisdielen, ein Bächla und kleine Cafés: traumhaft schön und wahnsinnig heimisch. Erinnerungen an die Zeit vor meinem Wohnortwechsel nach Franken werden geweckt. Bevor ich 2015 studienbedingt nach Erlangen gezogen bin, habe ich 17 Jahre lang in Baden-Württemberg gelebt. In unmittelbarer Nähe zu meiner Geburtsstadt liegt Freiburg und auch dort zieht sich durch die Innenstadt ein Bächla beziehungsweise (badisch) ein Bächle.
Die grauen Wolken verschwinden plötzlich und in meinem Kopf erscheinen Bilder, auf denen bunte Papiersegelschiffe im Wasser schwimmen. Kinder und Erwachsene sitzen in meinem inneren Auge auf den Bänken am Straßenrand und genießen ein Eis. "2,80 Euro für eine Kugel Pistazieneis", mit diesem Zuruf werde ich aus meiner Fantasie gerissen und nähere mich der Eisdiele in der Sattlertorstraße, in der diese Premiumkugel beworben wird.
In den vergangen fünf Jahren war ich selbst als Aushilfe in verschiedenen Eisdielen eingestellt und kenne die Diskussion über die stetig steigenden Eispreise zu gut. Aber 2,80 Euro für eine Kugel Eis, da muss selbst ich schlucken. Ich entscheide mich dagegen und kehre zurück in die Redaktion.
Um mehr über die Stadt, in der ich für die nächsten drei Monate arbeiten werde, zu erfahren, möchte ich an einer Stadtführung teilnehmen. "Nächster Termin am Mittwoch, 6. April", erfahre ich von der Tourist-Info. Der Eintrag steht im Kalender - jetzt heißt es nur noch abwarten.
Eine Leidenschaft: religiöse Bauten und Aberglaube
Am Tag der Führung kann ich meinen Augen kaum trauen: Es regnet nicht! Bis zum Mittag rücken die grauen Wolken immer weiter auseinander und die Sonne kommt zum Vorschein. Auf dem Weg zur Tourist-Info kann ich sogar meine Sonnenbrille aufsetzten. Unser Stadtführer Josef Siebenhaar startet mit der Stadtgeschichte. Der "Ur-Forchheimer" (O-Ton Siebenhaar) berichtet von einem Salzmagazin mit einem Café inklusive Töpferei daneben - ein Abstecher ist in Sicht.
Meine große Liebe für religiöse Bauten wird durch einen Besuch der Kirche Sankt Martin gestillt. "St. Martin ist die größte und älteste Kirche Forchheims", erzählt Siebenhaar. Im Anschluss geht es zum historischen Rathaus, das uns aufgrund der Generalsanierung unter den Planen verborgen bleibt. Ein Bild auf der großen Bautafel schafft Abhilfe. Detailaufnahmen zeigen Nischenfiguren in verschiedenen Positionen: Eine der Figuren zeigt dem Publikum ihren blanken, nun ja, Arsch.
Doch warum schmückt ausgerechnet so ein Anblick, dieser gewisse "Mauerscheißer", das Rathaus der Stadt? "Um böse Geister zu vertreiben", antwortet Siebenhaar. Der Baumeister Hans Ruhhalm soll mit dem Einsatz der Figuren der Angst vor bösen Geistern entgegengewirkt haben. "Durch das Vorzeigen des nackten Gesäßes wurden diese vertrieben", beschreibt der Stadtführer den Gedanken hinter den Verzierungen. Ein Aberglaube also - perfekt! Ich übertreibe nicht, wenn ich mich als abergläubisch bezeichne und die Angst vor bösen Augen ist mir durchaus bekannt. Seit Jahren schmückt meinen linken Unterarm ein Augen-Tattoo - das natürlich vor unerwünschten Blicken schützt.
Enten, Eis und Sonnenschein
"Die letzte Sehenswürdigkeit des Tages ist die Kammerers Mühle, auch das Schiefe Haus genannt", kündigt der Stadtführer an. Die ehemalige Mühle ist mir nicht unbekannt: Tagtäglich genieße ich ihren Anblick von meinem Schreibtisch in der Redaktion aus. Josef Siebenhaar erklärt, dass neben den vier Brauereien und den 23 Bierkellern im Kellerwald auch "Klein Venedig" zu den Highlights der Altstadt gehört - malerische Häuserzüge direkt am Ufer der Wiesent.

Gemeinsam laufen wir wieder in die Fußgängerzone und die Stadtführung endet doch tatsächlich vor der Eisdiele, in der eine Kugel Pistazieneis 2,80 Euro kostet. Mit einer solchen im Becher laufe ich wieder gen Klein Venedig. Auf dem Weg dorthin watscheln mir "Fo" und "Ebs" über den Weg: Zwei Enten, die in Forchheim (oder zumindest in der Redaktion) zu den tierischsten Promis gehören. Auf der Brücke vor der Kammerers Mühle angekommen genieße ich die letzten Sonnenstrahlen und das wohl beste Pistazieneis, das ich je probieren durfte (Tatsache!). Jetzt ist die Vorfreude auf den Sommer noch größer geworden: Denn keiner anderen Stadt steht der Sonnenschein so gut wie Forchheim.
Stadtführungen werden zwei Mal in der Woche angeboten: samstags zwischen 10.30 Uhr und 12 Uhr und mittwochs von 15 Uhr bis 16.30 Uhr. Weitere Informationen unter: www.forchheim-erleben.de
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