Attraktive Wohnstadt und Zufluchtsort

29.3.2012, 09:00 Uhr
Attraktive Wohnstadt und Zufluchtsort

© Hans-Joachim Winckler

In den vergangenen Jahren konnte Oberbürgermeister Thomas Jung immer mit Freude auf die Zahlen des Amts für Stadtforschung und Statistik Nürnberg-Fürth zur Bevölkerungsentwicklung blicken. Fürth wurde größer, während andere Großstädte einen Rückgang ihrer Bewohner verzeichneten. Mit der Einwohnerzahl wuchs auch das Selbstbewusstsein der Stadt: Jung schwärmt gerne davon, dass die Bevölkerungsentwicklung ein schöner Beweis sei für die Lebensqualität in Fürth.

Er hat nicht Unrecht: Tatsächlich hat die Kleeblattstadt in der Region viele Herzen erobert. So ziehen seit einiger Zeit beispielsweise mehr Nürnberger nach Fürth als Fürther nach Nürnberg. 2011 stand unterm Strich ein „Wanderungsgewinn“ von 461 Zugezogenen aus Nürnberg. Aus dem restlichen Regierungsbezirk gewann Fürth 448 Neubürger hinzu; manche, vor allem ältere Menschen, zogen auch aus dem Landkreis zurück in die Stadt. Besonders die Südstadt und die Innenstadt legten an Bewohnern zu.

In den nächsten Jahren soll Fürth nach Prognosen der Statistiker aus dem bayerischen Innenministerium so stark wachsen wie keine andere Stadt in Mittelfranken: 2030 sollen 119100 Menschen in der Kleeblattstadt leben. Als „Wohnstadt“ sei Fürth sehr attraktiv geworden, bestätigt Wolf Schäfer, Leiter des Amts für Stadtforschung und Statistik.

Er weiß aber auch dies: Dass Fürths Einwohnerzahl 2011 einen Rekordstand erreichte, hat in starkem Maße mit Menschen zu tun, die nicht in die schicken Lofts am Südstadtpark oder in sanierte Innenstadtwohnungen ziehen. Wie in ganz Deutschland war in Nürnberg und Fürth eine verstärkte Zuwanderung aus dem Ausland zu beobachten. Unter den 1835 Menschen, um die die Einwohnerzahl in Fürth stieg, sind 1058 Ausländer, darunter 830 EU-Bürger. Die hohe Zahl habe ihn überrascht, gesteht OB Jung.

Am stärksten erhöhte sich die Zahl der hier lebenden Griechen (plus 280) — als Folge der Finanzkrise — sowie die der Rumänen (plus 208) und Bulgaren (plus 162). Rumänien und Bulgarien, die erst 2007 zur EU beitraten, zählen zu den Mitgliedsstaaten, in denen das Armutsrisiko am höchsten ist. 

Flucht vor Armut

Die Zuwanderer sind Menschen, die der Armut in ihren Heimatländern entfliehen wollen, bestätigt Jale Schumann, die in der Migrationsberatung der Awo-Kulturbrücke in der Theresienstraße viele der Migranten bei der Wohnungssuche und der Beantragung von Arbeitlosen-, Wohn- und Kindergeld unterstützt hat.

Wegen der großen Zahl der Zuwanderer und der Unterstützung, die sie benötigten, hat man in der Kulturbrücke alle Hände voll zu tun. Allein rund 100 türkischstämmige Griechen aus der Gegend um Komotini in Nordgriechenland haben Schumanns Hilfe gesucht. „Sie haben durch die Krise ihre Existenz verloren.“ Viele von ihnen sind jung und haben Verwandte hier, so Schumann, ihre Startchancen sind dennoch schlecht: Die meisten seien aus bildungsfernen Schichten, ohne gute Schulbildung und Berufsausbildung. Im Jobcenter bestätigt Leiter Günther Meth, dass sie auf dem Arbeitsmarkt oft nur für „einfachste Helfertätigkeiten“ gebraucht werden. Sie kommen im Wurstverarbeitungsbereich, im Reinigungsbereich, bei der Müllsortierung oder in Zeitarbeitsfirmen unter, weiß Schumann.

„Das größte Problem sind die fehlenden Deutsch-Kenntnisse“, sagt sie. Für die EU-Bürger seien die Integrationskurse nicht vorgesehen, nur unter bestimmten Umständen werden sie vom Staat bezahlt. Ein Fehler, wie Schumann findet. „Die meisten von ihnen werden in Deutschland bleiben“, vermutet sie. Auch fehlende Kindergartenplätze seien in Fürth ein Problem.

An den Schulen hat man indes auf die starke Zuwanderung reagiert: Die Zahl der Deutschförderklassen für Migrantenkinder wurde verdoppelt, sagt Ulrike Merkel, Leiterin des Staatlichen Schulamts auf FN-Nachfrage.

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