Impfreihenfolge: Fürther Experten warnen vor Neiddebatten

10.3.2021, 16:30 Uhr
Impfreihenfolge: Fürther Experten warnen vor Neiddebatten

© Foto: Ron Hübner

Viele Fachleute erwarten sich den Durchbruch beim Kampf gegen die Pandemie davon, dass Hausärzte gegen Corona impfen dürfen. Auch im Impfzentrum hält man den Schritt für "absolut notwendig".

Zugleich warnen die Verantwortlichen vor Neiddebatten über die Impfreihenfolge. "Wir brauchen den Zusammenhalt der Gesellschaft", sagte Sebastian Habicht von der AGNF, die das Impfzentrum, das PCR-Testzentrum und – zusammen mit dem BRK – jetzt auch zwei Schnelltest-Stationen betreibt.


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In Stadt und Landkreis Fürth gibt es rund 140 Praxen von Hausärzten. Deren Bereitschaft, im Kampf gegen Covid-19 aktiv zu werden, nannte der Ärztliche Leiter des Zentrums, Dr. Michael Hubmann, jetzt "sehr groß". Und sie würde noch größer, "wenn die Entbürokratisierung kommt".

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen niedergelassene Ärzte spätestens Mitte April in die Impfkampagne einbeziehen. Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten sollen den Startzeitpunkt sowie Regeln festlegen.

Das Problem: In Pilotprojekten, an denen auch zwei hiesige Praxen beteiligt sind, hat sich laut Hubmann gezeigt, "dass der bürokratische Prozess verschlankt werden muss".

Bei Dr. Franz Jobst, Allgemeinarzt und Sprecher des Ärztenetzes Fürth, fragt zurzeit "jeder zweite Patient, wann die Impfung in die Praxis kommt und ob er sich schon mal dafür anmelden darf." Nein, lauten die Antworten bisher, sagt Jobst.

"Wir führen noch keine Warteliste." Jobst stellt klar, dass er an sich bereit ist für die Corona-Impfung, allerdings "eher ablehnen würde, wenn die Terminvergabe auch für die Praxen über die landesweite Software BayIMCO erfolgen würde, darüber auch Dokumentation und Abrechnung abzuwickeln wären und sich der Staat die Priorisierung vorbehalten würde".

"Ich kenne meine Patienten"

Jobst wünscht sich "gewisse Spielräume" bei der Impfreihenfolge und das Vertrauen der Politik, dass die niedergelassenen Ärzte auch ohne starre Priorisierung umsichtig vorgehen und besonders gefährdete Patienten zuerst impfen. "Als Hausarzt kenne ich meine Patienten. Ich weiß, wer schon Probleme mit Impfungen hatte, und muss das nicht extra abfragen."


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Ähnlich sieht das der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt: "Sobald wir ausreichend Impfstoff für alle haben, sollten Haus- und Fachärzte auch selbst über die Impfreihenfolge entscheiden dürfen", sagte er der Rheinischen Post. "Sie wissen am besten, welche ihrer Patienten besonders gefährdet sind." Zu viele Vorgaben und Prüfverfahren hielten nur unnötig auf.

Eine Haltung, die man im Fürther Impfzentrum teilt: "Wir wünschen uns eine Öffnung der Priorisierungskategorien, um eine höhere Schlagzahl zu erreichen", sagt Habicht.

Flexibler in den Praxen?

Manches spricht dafür, dass diese Einschätzungen in der Politik angekommen sind. So hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geäußert, Impfungen könnten in den Praxen der Hausärzte auch flexibler erfolgen. Und sein bayerischer Amtskollege Klaus Holetschek machte klar, dass die Ärzte ihre Termine selbst vergeben und die umfangreichen Dokumentationspflichten abgebaut werden sollen. "Pandemie und Bürokratie vertragen sich nicht."

Wenn alles kommt wie geplant, werden ab April also Hausärzte parallel zu Impfzentren gegen Covid-19 immunisieren. Die Lagerung des hochempfindlichen Serums von BionTech/Pfizer etwa stelle dabei kein Problem dar, versichert Hubmann. Werden die Dosen dem Tiefkühlzentrum entnommen, blieben 120 Stunden Zeit, sie bei normalen Kühlschranktemperaturen zu lagern und einzusetzen.

Das Fürther Impfzentrum erweitert seine Kapazitäten gerade von 120 auf 200 Mitarbeiter. Aus acht Impf-Teams sollen im März 14 werden. Man habe auch dank der Resonanz auf entsprechende Veröffentlichungen in den FN das Personal annähernd zusammen, hieß es nun. Die Teams kommen zurzeit im Impfzentrum zum Einsatz, in temporären Impfstationen und in Grund- und Förderschulen.

Auf Klagen, wonach jüngere Lehrkräfte bisweilen vor älteren zum Zug kommen, entgegnet Hubmann, bei den Aktionen vor Ort kämen alle Personen dran, die die betreffende Schule gemeldet habe. In BayIMCO wiederum erhalte jeder Bürger ein virtuelles Alter. Ob der Algorithmus dann eine Lehrkraft mit einer Zusatzerkrankung wie etwa Diabetes hochstufe, "wissen wir nicht".

Hubmann wie auch sein Kollege Habicht betonen, dass sie sich in der aktuellen Katastrophensituation weniger Neiddebatten wünschen und mehr Solidarität. Denn, so Habicht: "Jede Impfung ist ein Gewinn."

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