Ausgefallene Kirchweih

Schon wieder nix: So trauern Teilnehmer um Fürths Erntedankumzug

Gwendolyn Kuhn

Lokalredaktion Fürth

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10.10.2021, 11:00 Uhr
Schon wieder nix: So trauern Teilnehmer um Fürths Erntedankumzug

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Keine Kärwa, kein Erntedankumzug, keine Aktionen mit anderen jungen Leuten: Wenn Evamarie Sippel daran denkt, was heuer wieder alles ins Wasser fällt, treibt ihr das gleich einige Tränchen in die Augen. "Es ist schon wirklich traurig", sagt die 23-jährige erste Vorständin der evangelischen Landjugend Knoblauchsland. Dass sie und ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen in diesen Tagen alle Hände voll zu tun gehabt hätten, hätte sie nicht gestört.

Gerne wäre sie mit den anderen jungen Frauen wie sonst ab Freitagmittag vor einem riesigen Haufen Radieschen gesessen, vor 5000 bis 6000 der kleinen roten Knollen, wie sie schätzt, die es dann für gewöhnlich zu entblättern gilt und mit Bast an die mannshohe Erntedankkrone zu binden. Die ist das Herzstück des Umzugs. Sie thront, gebettet auf Karotten, Kohlrabi, Salat, Rettich und weiteres Gemüse, auf einem Wagen, den traditionell zwei Pferde ziehen. Auch dabei: ein riesiges Frankenwappen aus Rettich und Radieschen, das ein Traktor bewegt, sowie das Knoblauchslandwappen, das, von Gemüse flankiert, vier Pferde ziehen.

All die farbenfrohen Wägen putzen immer rund 25 der etwa 40 Landjugend-Mitglieder heraus – selbstredend, dass schon die Vorbereitung jede Menge Spaß macht. Wenn dann am Freitagabend alle Radieschen verbaut, die Bundmöhren liebevoll von Erde befreit und alle Wägen ganz sicher fahrtüchtig sind, steht gemeinsames Grillen auf dem Programm. Am Samstag dann werden die Wägen bestückt und aufgebaut. Das Highlight ist freilich der Festumzug mit seinen vielen Zuschauern am Straßenrand, die auch die schmucken Gemüsewägen eifrig beklatschen.

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Doch heuer? Findet nichts davon statt; im August bereits gab die Stadt den Ausfall des Umzugs bekannt. Aber auch die gemeinsamen Spieleabende oder Ausflüge, die die Landjugend sonst organisiert, fielen aus. "Das Miteinander geht langsam verloren", sagt Sippel. Die Stimmung im Vorstand sei schon entsprechend getrübt und manch einer frage sich, ob sich das Nachwuchsproblem, das die Landjugend per se hat, weiter verschärft. Den Sonntag ohne Umzug wird Evamarie Sippel wohl daheim verbringen, sich erholen von der anstrengenden Arbeitswoche auf dem Gemüsebetrieb ihrer Eltern und versuchen, der ausgefallenen Kirchweih nicht zu sehr nachzutrauern.

Beim Kärwafestzug ist auch Klaus Hoffmann dabei, solange er denken kann. Nicht immer allerdings stand er dann am Straßenrand, um die vorbeiziehenden Wägen zu beklatschen. Manchmal war auch harte Arbeit im Spiel. Als kleiner Bub etwa hat der heute 69-Jährige zwei Mal das Erntedankbrot getragen, das traditionell auf der Ehrentribüne am Rathaus an den Oberbürgermeister übergeben wird. Vielmehr: Geschleppt hat er es. Denn anders als heutzutage handelte es sich früher um einen ganz normalen Laib. Inzwischen ist dieser ausgehöhlt, damit es das Kind, das ihn während des Umzugs trägt, leichter hat. Erst kurz vor der Übergabe an den OB am Rathaus wird das Brot gegen einen kompletten Laib ausgetauscht.

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Zu der Ehre, das Brot überreichen zu dürfen kam Hoffmann durch seinen Vater. 1927 gründete dieser die Fürther Theatergruppe "Bühne Erholung 27 Fürth" und war ab 1954 für die Übergabe des verzierten Laibs und das Aufsagen des Prologs zuständig. 40 Jahre lang hatte er dieses Amt inne, danach übernahm Kurt Albert. Nun, nachdem Albert 2017 aus Altersgründen ausschied und heuer im Frühjahr verstarb, ist Klaus Hoffmann an der Reihe. Zweimal schon hat er das Ritual übernommen, 2018 und 2019 war das. Dann machte bekanntermaßen die Pandemie einen Strich durch den Festkalender, und auch jetzt fallen Kirchweih samt Erntedankumzug aus.

"Wenn mir irgendwer mal gesagt hätte, dass es keinen Kärwafestzug gibt, ich hätte es nicht für möglich gehalten", sagt Hoffmann, der wie viele gehofft hatte, die Pandemie würde sich bis zum Herbst verabschiedet haben und das Fest stattfinden können. Nun ruht die Hoffnung auf dem kommenden Jahr.

Bis dahin allerdings muss die Theatergruppe auch auf einen gewissen Werbeeffekt für ihre neuesten Stücke verzichten. Sind auf dem Wagen, den immer rund eine Handvoll Mitglieder begleiten, doch immer auch Plakate der Inszenierungen angebracht. Den einen oder anderen Besucher habe das sicherlich angelockt, sagt Hoffmann. Momentan allerdings müssen er und seine Mitstreiter nicht um Publikum buhlen, sind wegen der Pandemie doch alle wichtige Inszenierungen ausgefallen. Lediglich ein Ein-Personen-Stück, früher undenkbar, hatte in den vergangenen eineinhalb Jahren Premiere.

Nun hofft Hoffmann darauf, dass Corona im kommenden Herbst endgültig in die Knie gezwungen sein wird. Dann werden er und seine rund 50 Ensemblemitglieder am Morgen des Erntedankumzugs Stellung in der Herrnstraße beziehen, um von dort aus den Tross durch die Stadt bis zum Rathaus zu begleiten. Dort wird er dann dem Oberbürgermeister das Erntedankbrot überreichen und den Prolog dazu sprechen. Diesen allerdings wird er sich zuvor erst wieder durchlesen müssen, um ihn sich wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das letzte Mal, als er die Zeilen aufsagte, liegt dann schon zu lang zurück.

Noch gar nicht richtig einfinden in die Abläufe des Kärwafestzugs konnte sich auch Björn Schnee. Seit September 2019 ist er der Dirigent des Musikzugs TSV 1895 Burgfarrnbach, der traditionell an erster Stelle läuft und so den Zug anführen darf. "Ein Privileg", nennt Schnee diese Position – und bedauert umso mehr, dass sein Einsatz und der seiner Musiker nun bereits zum zweiten Mal hintereinander ausgebremst wird. Denn der Marsch durch die Fürther Straßenzüge fordert das Blasorchester auf ganz besondere Weise. Bei der Wahl der Stücke etwa gilt es solche zu finden, bei denen sich der Wiedererkennungseffekt bei den Zuschauern schnell einstellt. Nur so könne man sie für den kleinen Moment, den man an ihnen vorbeiläuft, mitreißen oder zum Klatschen bringen, sagt Schnee. Spannend, das hat er auch schon bei seiner Premiere 2019 erlebt, wird es dann kurz vor dem Rathaus. Dann nämlich kommt der Bayerische Rundfunk ins Spiel, der wegen der Live-Übertragung genaueste Vorgaben gibt, wann der Tross stoppen muss.

Bis hoffentlich kommendes Jahr wieder ein Erntedankumzug stattfinden kann, schwelgt Schnee in Erinnerungen – und hofft, dass die Pandemie den Musikzug nicht weiter beuteln wird. Schon jetzt sei nämlich eine gewisse "Corona-Lethargie" unter den Musikern zu spüren. Die Motivation sei bei vielen gesunken, die Proben seien wegen der Auflagen kompliziert geworden, und so manch einer musste zum Start im Juni sein Instrument erst einmal gehörig entstauben.

Seinen einzigen Auftritt hatte der Musikzug im vergangenen Oktober; auch der Nachwuchs fehlt. "2020 hatten wir doppelt so viele Abmeldungen wie sonst", sagt Schnee, der für dieses Jahr aber noch eine spezielle Hoffnung hegt: die auf Weihnachtsmärkte. Falls sie stattfinden, würde er sich freuen, wenn sein Musikzug dort, wie sonst auch, aufspielen darf. "Wir sind die Basis der Kultur", sagt Schnee. "Wenn wir ausfallen, kommt irgendwann auch niemand mehr ins Symphonieorchester."

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