Viele Köche verderben die Laune
14.10.2008, 00:00 UhrRobustes Schuhwerk und Top-Kondition braucht’s, wenn sich am Samstag und Sonntag die Fürther Ateliertüren öffnen. 33 sind es beim «Gastspiel» des Kulturrings C, dem Interessenverbund hiesiger bildender Künstler. Und dann wäre da noch «Kunst in der Stadt». Im Angebot dort: 27 offene Ateliers und Kunstadressen. Rainer Wredes Fotura-Galerie in der Kofferfabrik ist darunter, eine Schmuckwerkstatt und in Fürth nicht ganz unbekannte Namen wie Fotograf Günter Derleth sowie die Maler David Krugmann und Walter Bauer. «Kunst in der Stadt» eröffnet etwas früher, nämlich schon am Freitagabend in der Freibank. Bürgermeister Markus Braun gibt sich die Ehre.
«Den ganz normalen Fürther wird es doch überhaupt nicht stören, wenn er durch die westliche Innenstadt läuft und noch mehr offene Ateliers entdeckt als sonst.» Ellen Haselmayer hat die Faxen dicke. Den Vorwurf, mit «Kunst in der Stadt» eine Kollision mit Ansage zu betreiben, hat die 58-jährige Betreiberin des Kleinen Ateliers in der Hirschenstraße in den vergangenen Wochen oft gehört.
«Es wäre schön, wenn der Ring C demokratischer agieren und endlich auf uns zugehen würde.» Man wolle ja, so Haselmayer («Ich bin nicht die Chefin, aber irgendwer muss es ja machen»), eine gemeinsame Veranstaltung. Das Wörtchen «aber» schreibt sich in diesen Tagen allerdings riesengroß. «Ich weiß, dass ich für Weiss das Feindbild Nummer eins bin.» Grund: Ein ums andere Mal hätten sie und ihre Mitstreiter versucht, im Ring C Fuß zu fassen. Vergeblich.
Städtisches Geld
Der Ring C, 1983 gegründet, ist ein offener Verbund hiesiger bildender Künstler. Die Stadt stattet die Gruppe mit einem Jahresetat aus, der derzeit bei 8000 Euro liegt. Für die Skulpturenschau «Wachstum», die auf dem Grünstreifen der Hornschuchpromenade zum Jubiläumsjahr initiiert und neulich bis auf weiteres verlängert wurde, erhielt der Ring einen Sonderbonus in Höhe von 30 000 Euro. Ring-C-Markenzeichen aus Tradition: das Atelier-Wochenende.
Inzwischen hat die Stadt jedoch konkrete Fragen an Ring-C-Chef Hjalmar Leander Weiss. Nach welchen Auswahlkriterien er Künstler in die Gruppe aufnehme, war Thema der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses und Anlass für einen heftigen Wortwechsel, der in der Aussage von SPD-Fraktionschef Sepp Körbl gipfelte, er, Weiss, lege «ein gutsherrenhaftes Verhalten» an den Tag.
«Eine sehr ernste und negative Sache», nennt ein sichtlich genervter Weiss das aktuelle Kunst-Dilemma. «Leider gibt die Politik dem penetranten Druck, den diese Gruppe seit fünf Jahren macht, jetzt nach.» In der Tat macht Haselmayer keinen Hehl aus der Tatsache, dass die Anfrage nach Statuten und Verfahrensweisen des Rings C auf sie und «auf gute Kontakte zur Stadtverwaltung» zurückzuführen ist.
Was braucht es, um unters Dach des Ring C zu kommen? Kurz gefasst: Im Ring C sind jene Fürther Künstler versammelt, die von ihrer Arbeit zu leben versuchen. Weiss besteht bei den Seinen auf einer Vita, die klar belegt, dass der Künstler eine Akademie von innen gesehen hat. Zweites Kriterium: eine Mitgliedschaft im Berufsverband bildender Künstler bzw. bei ver.di. Treffen weder der erste noch der zweite Punkt zu, dann schaut Weiss auf die Referenzenliste. Ausstellungen in Kunstzentren wie München, Köln, Berlin sollte der Kandidat vorweisen können; über regionales Ansehen gibt der Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten bzw. die Aufnahme in die Kunstpreis-Schau Auskunft.
Haselmayer, gebürtige Nürnbergerin mit Wohnsitz Fürth, entdeckte ihre Liebe zur Kunst im Jahr 2000 mit Erdfiguren, die sie in der Kleeblattstadt ausstellte. 2003 griff sie mit Nana Moritz zu, als in der Hirschenstraße ein Friseurgeschäft schloss; das war die Geburtsstunde ihres Kleinen Ateliers. «Weiss», beklagt Haselmayer anno 2008, «entscheidet mit 8000 Euro Etat ganz allein, wer reinkommt und wer nicht. Ich finde das undemokratisch.» Seine elf Jahre währende ehrenamtliche Tätigkeit als Ring-C-Chef bewertet sie als «sehr gut. Dennoch verstehe ich nicht, warum wir nicht gemeinsame Sache und einen gemeinsamen Flyer machen können». Dass Weiss lediglich akademisch vorgebildete Künstler zulasse, «ist für mich eine völlig überholte Vorstellung». Befragt, welche Qualitätskriterien für «Kunst in der Stadt gelten», sagt
Haselmayer: «Ein gewisses Niveau sollte schon sein. Ein Studium ist nicht nötig.»
Folge: Weiss blieb stur. Doch Haselmayer ließ nicht locker. Vor vier Jahren öffnete sie mit Freundinnen und Bekannten, die ebenfalls künstlerisch tätig sind, erstmals Atelier- und Galerietüren - parallel zum Ring-C-«Gastspiel». 2005 waren es schon zehn Künstler. 2007 hielt man sich bedeckt. Das lag am Eklat, den es 2006 gab. Da hieß das Wochenende, das abermals mit «Gastspiel» kollidierte, zum ersten Mal «Kunst in der Stadt»; doch das Faltblatt mit dem (ohne Erlaubnis verwendeten) Kleeblatt-Logo bescherte Haselmayer eine Aussprache mit dem verdutzten Kulturreferenten.
Ein tiefer Graben
Jener runde Tisch, an dem auch Weiss, Kulturamtschefin Claudia Floritz und Kunstgalerie-Leiter Hans-Peter Miksch saßen, war ein Appell, die Bitternis aus dem wachsenden Zwist zu nehmen - ohne Erfolg. 2008 ist aus dem Graben zwischen beiden Gruppierungen ein Grand Canyon geworden. Weiss: «Ich bin nicht bereit, mich als Despot darstellen zu lassen.» Wenn ein Symphonieorchester spiele, «dann können auch nicht Zuschauer, die ebenfalls ein Instrument beherrschen, mit aufs Podium springen». Klar, wer die Orchestermusiker und wer die Zuschauer sind. Haselmayer wiederum berichtet von Versuchen Weiss’, Künstler, die bei «Kunst in der Stadt» angeheuert haben, telefonisch und per Mail unter Druck zu setzen. «Das ist ein Gerücht», antwortet Weiss auf FN-Anfrage. «Warum und womit sollte ich auf wen Druck ausüben?»
Die Kultur-Stadträte machten im Ausschuss jedenfalls kurzen Prozess. Bis Jahresende sollen beide Vereinigungen zu einem gütlichen Miteinander finden. Finden sie es nicht, dann bekommt der Ring C - rund 40 Mitglieder, darunter die mit Preisen ausgestatteten Künstler Axel Voss, Franz Janetzko, Fredder Wanoth, Ortwin Michl und Akbar Akbarpour - 2000 Euro von seinem Etat abgezwackt; 2000 Euro, die dann «Kunst in der Stadt» zukommen werden.
Eine unglückliche Entscheidung, meint Haselmayer. «Ich möchte dem Ring C ja nichts wegnehmen. Und ich habe nie gewollt, dass die Künstler in Fürth in zwei Lager geteilt werden. Aber das ist nicht von uns ausgegangen.» Weiss: «Ich werde diese Entscheidung der Stadt zu tragen haben. Doch die aggressive Stimmung belastet mich und sie bindet meine Energie, die ich als Künstler für meine eigene Arbeit so nötig habe.»
Auf einer Vollversammlung am vergangenen Montag beschlossen die Ring-C-Mitglieder, Protestbriefe an Oberbürgermeister Thomas Jung zu schreiben. Haselmayer sagt unterdessen, dass man «sehen muss, wie es 2009 weitergehen wird». Ein eigenes Atelier-Wochenende ihrer Gruppe im Frühsommer kommt für sie vorläufig nicht in Frage. «Eine Stadt von der Größe Fürths verträgt keine zwei Atelier-Wochenenden im Jahr.» MATTHIAS BOLL