Fehlende Kastration

Tierheim Dettenheim wird von Katzenbabies überschwemmt

Lidia Piechulek

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07.09.2021, 06:02 Uhr
Diesem Kätzchen musste ein Auge operativ entfernt werden, da ein Infekt es zu sehr gereizt und beschädigt hatte. Das Kätzchen wurde wie viele andere, die aktuell im Tierheim sind, einfach auf offener Straße gefunden.

© Lidia Piechulek, NN Diesem Kätzchen musste ein Auge operativ entfernt werden, da ein Infekt es zu sehr gereizt und beschädigt hatte. Das Kätzchen wurde wie viele andere, die aktuell im Tierheim sind, einfach auf offener Straße gefunden.

Im Dettenheimer Tierheim leben derzeit fünf Katzenmütter mit Jungen. In den beengten Räumen bedeutet das schon jetzt eine volle Auslastung. Das ist an sich so nichts Neues – und umso tragischer.

Tierheim steht vor einem Aufnahmestopp

Denn in jedem Jahr fängt der Tierschutzverein Weißenburg-Treuchtlingen zahlreiche Katzen ein, die im Landkreis besitzerlos gefunden und gemeldet werden. Nur im Winter ist es etwas ruhiger. Sie beziehen Räume, die längst nicht mehr ausreichen, um alle Tiere unterzubringen. Aktuell ist ein großer Teil der Räume belegt und wird auch in der nächsten Zeit nicht frei werden, weil sich dort Katzenmütter um ihre Kitten kümmern. Zusätzliche Katzen können nicht in den gleichen Zimmern untergebracht werden. „Wir stehen deshalb quasi erst einmal vor einem Aufnahme-Stopp“, resümiert Kerstin Doerner, die Zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins Weißenburg-Treuchtlingen.

Diese beiden Kätzchen kämpfen aktuell in Dettenheim um ihr Leben und bewegen sich kaum. Sie erhalten täglich eine teure Spritze, die ihre Immunabwehr aufbauen soll. 

Diese beiden Kätzchen kämpfen aktuell in Dettenheim um ihr Leben und bewegen sich kaum. Sie erhalten täglich eine teure Spritze, die ihre Immunabwehr aufbauen soll.  © Lidia Piechulek, NN

Auf der anderen Seite fehlt allerdings das Geld, um noch mehr Räume auszubauen. Und was noch viel wichtiger ist: Personal gäbe es auch nicht, um das Mehr an Arbeit zu stemmen.

Kerstin Doerner berichtet zwar von zahlreichen Personen, die mit viel Idealismus vorbeigekommen sind, und denen sie die nötige Hygiene und sämtliche Aufgaben der Tierpflege in vielen Arbeitsstunden vermittelt hat. „Am Ende war es leider immer das Gleiche“, erklärt die Zweite Vorsitzende. „Sie kommen ein- bis zweimal und dann meist nie wieder“. Nur eine treue Ehrenamtliche ist geblieben und hilft, wo sie kann. Für die Zukunft sehnt sie sich nach weiteren Personen, die auf Dauer helfen möchten und dazu beitragen können, ihre in Teilzeit arbeitende Tierheimleiterin, Sabine Reutner, zu entlasten. „Frau Reutner arbeitet eigentlich in Teilzeit, opfert aber einen Großteil ihrer Freizeit ehrenamtlich um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Sie geht an jedem Tag zum Tierarzt, sogar an ihrem einzigen freien Tag“, erzählt Doerner.

Bauernhof-Katzen werden kaum kastriert

Dabei setzt ihr Problem an einer ganz anderen Wurzel an. Zuständig ist der Verein für einen rund 500 Quadratkilometer großen Bereich zwischen Pleinfeld und Langenaltheim, Markt Berolzheim und Nennslingen. Vor allem in den ländlichen Bereichen sind hier Bauernhofkatzen ein fester Bestandteil. Sie fangen die Mäuse auf den Höfen und gehen selten oder gar nicht ins Haus. Kastriert werden sie selten, und so nimmt eine Spirale des Elends ihren Lauf: Sie werden zwangsläufig trächtig, die Population wächst und wächst. Viele dieser Katzen werden irgendwo im Niemandsland aufgefunden.

In diesen Außenzwingern wird als nächstes saniert: der Boden katzengerecht ausgebaut und die Dächer abgedichtet. 

In diesen Außenzwingern wird als nächstes saniert: der Boden katzengerecht ausgebaut und die Dächer abgedichtet.  © Lidia Piechulek, NN

Auf einem Bauernhof im Treuchtlinger Gemeindegebiet nahm sich der Tierschutzverein heuer dem Schicksal von circa 30 freilaufenden Katzen an – das Resultat einer lange andauernden, unkontrollierten Vermehrung. Bei dieser Aktion unterstützen den Verein die Tierfreunde Langenaltheim. Sie läuft noch immer, da die Tierschützer nicht alle Katzen auf einen Schlag einfangen und kastrieren können. Kerstin Doerner hat für Situationen wie diese wenig Verständnis. „Viele Besitzer entledigen sich der eigentlich unerwünschten Katzen dann - auf welchem Weg auch immer“, erzählt sie.

Kätzchen tot geborgen So wurden unlängst in einem meterhohen Silo zwei Kätzchen geborgen, eines tot und eines lebendig. Doerner ist sich sicher: „Acht Wochen alte Katzen kommen da allein nicht hoch.“ Dass sie dort gefunden wurden, spreche also eine deutliche Sprache. Und zeuge von der Gleichgültigkeit mancher Menschen gegenüber einem Katzenleben. Das Personal in Dettenheim kennt zahlreiche Geschichten wie diese, und hat sich nun entschieden, diese an die Öffentlichkeit zu tragen, um auf das Verhalten mancher Tierbesitzer aufmerksam zu machen.


Herzlos: Baby-Katzen am Treuchtlinger Bahnhof einfach ausgesetzt


Diese Probleme gäbe es nicht, wenn die Besitzer ihre Katzen und Kater kastrieren lassen würden. Doch viele scheuen die sehr hohen Kosten, für die dann stattdessen das Tierheim aufkommen muss.

Für Schlagzeilen hatte zuletzt Ende Juli der Fund zweier Katzen gesorgt, die direkt an den Gleisen des Treuchtlinger Bahnhofs in einer offenen Transportbox ausgesetzt wurden. Vor einigen Tagen konnten die Tiere nach entsprechender tierärztlicher Behandlung vermittelt werden.

Hohe Kosten für jedes Tier

Für die Tierpfleger bedeuten solche Aktionen viel Aufwand. Sie rücken aus, fangen die Katzen mit Fallen ein und päppeln sie im Tierheim wieder auf, bis sie vermittlungsfähig sind. Manche bleiben für immer in der Obhut des Tierheims, aus den verschiedensten Gründen. Leider gibt es auch Katzen, die niemand haben will.

Diese frisch geborenen Kätzchen werden derzeit von der Mutter versorgt. Drei von ihnen sind derzeit in der Obhut einer Pflegemutter, die sie mit der Flasche großzieht - die Katzenmutter alleine könnte sonst nicht alle sieben auf einmal durchbringen.

Diese frisch geborenen Kätzchen werden derzeit von der Mutter versorgt. Drei von ihnen sind derzeit in der Obhut einer Pflegemutter, die sie mit der Flasche großzieht - die Katzenmutter alleine könnte sonst nicht alle sieben auf einmal durchbringen. © Lidia Piechulek, NN

Für die ärztliche Behandlung der geschwächten Tiere fallen in dieser Zeit hohe Kosten an. Wochen- und monatelang zahlt das Tierheim Medikamente, Arztkosten und Katzenfutter. Katzenbabies werden entwurmt, gechipt und ernährt. Zur Veranschaulichung: Zwei schwerkranke Kitten kämpfen aktuell in einem Isolierzimmer um ihr Leben und werden täglich mit einer Spritze versorgt, die ihre Immunabwehr aufbauen soll und je 20 Euro kostet.

Am Ende einer erfolgreichen Vermittlung erhält der Verein dann eine Pauschale, die die Kosten bei weitem nicht deckt: 95 Euro für eine erwachsene Katze und 60 Euro für Kitten. Die Tiere werden gechipt, entwurmt, geimpft und kastriert vermittelt (Kitten unkastriert). „Das steht einfach in keinem Verhältnis“, konstatiert Kerstin Doerner.

Tierheim schreibt rote Zahlen

Jegliche Spende hilft Nicht zu vernachlässigen sind auch die laufenden Kosten des Vereins, so etwa die Heiz- und Stromkosten, Personalkosten, Kosten für Putz- und Desinfektionsmittel, für die Fahrzeuge und Versicherungen. Umso wertvoller sind daher Spenden von Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen, um die Verlustrechnung jedes Jahres etwas auszugleichen und überfällige Sanierungen an der Anlage in Dettenheim voranzubringen.

Der Filialleiter der Treuchtlinger Spardabank, Thomas Menhorn, überbrachte zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit einen Spendenscheck an den Tierschutzverein. Um die Anlage in Dettenheim sanieren zu können, ist die Einrichtung dringend auf solche Finanzspritzen angewiesen.

Der Filialleiter der Treuchtlinger Spardabank, Thomas Menhorn, überbrachte zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit einen Spendenscheck an den Tierschutzverein. Um die Anlage in Dettenheim sanieren zu können, ist die Einrichtung dringend auf solche Finanzspritzen angewiesen. © Lidia Piechulek, NN

Eine Spende über 1000 Euro von der Sparda-Bank ermöglichte zuletzt den Ausbau eines weiteren Katzenzimmers im Obergeschoss des Tierheims. Der Rest dieses Stockwerks ist aber noch eine Baustelle, wie so oft sind Geld- und Personalmangel ein Hemmnis.

Weitere 2000 Euro überbrachte der Filialleiter der Treuchtlinger Sparda-Bank, Thomas Menhorn, vor wenigen Tagen persönlich. Sie werden für den Ausbau und die Sanierung von drei Außenzwingern für Katzen aufgewandt. Die Überdachung und die Böden werden nun saniert, weil sie nicht katzengeeignet sind und es reinregnet.

Dieses Katzenzimmer im Obergeschoss ist erst kürzlich mit Spendengeldern fertig gestellt worden. Schon jetzt sind dort zwei Katzenbabies untergebracht.

Dieses Katzenzimmer im Obergeschoss ist erst kürzlich mit Spendengeldern fertig gestellt worden. Schon jetzt sind dort zwei Katzenbabies untergebracht. © Lidia Piechulek, NN

Trotz solcher Finanzspritzen schreibt der Tierschutzverein aber in jedem Jahr rote Zahlen. Und das, obwohl Kerstin Doerner und ihr Team vor rund zwei Jahren einen weiteren wichtigen Schritt getan und sich um eine bessere finanzielle Lage bemüht haben: Die meisten Gemeinden zahlen nun 43 Cent pro Einwohner an das Tierheim, da dieses im Dienst der Öffentlichkeit handelt, indem es sich um streunende und verwahrloste Tiere im Landkreis kümmert. In der Stadt Weißenburg und den Juragemeinden fällt dieser Betrag etwas niedriger aus, weil Weißenburg die Zwinger-Anlage in Gänswirtshaus zur Verfügung stellt.

Dieses Geld wird nun auch verwendet, um Katzenbesitzer bei der Kastration finanziell zu unterstützen. Den ersten Schritt müssen aber die Besitzer selbst tun, indem sie die Notwendigkeit erkennen, sich tierärztlich um ihre Katzen zu kümmern – und aktiv auf den Tierschutzverein zu zukommen.

So kann man den Tierschutzverein unterstützen

Im Grunde genommen kann man mit dreierlei Maßnahmen dem Tierschutzverein zur Seite stehen: Indem man Zeit, Tierbedarf oder Geld investiert.

Helfer und Helferinnen können bei der Vor- und Nachkontrolle künftiger Tierbesitzer vor und nach einer Vermittlung unterstützen.

Gesucht werden außerdem Pflegestellen, in erster Linie für Katzen, aber auch für Vögel und Kaninchen. Unterstützung bei der Versorgung der Tiere im Tierheim ist ebenfalls möglich.

Gesucht werden auch Ehrenamtliche, die bei den Umbaumaßnahmen mithelfen können. Auf Facebook gibt das Tierheim bekannt, wenn Sachspenden benötigt werden.

Geldspenden jeglicher Höhe werden für die ärztliche Behandlung und Versorgung sowie der Kastration der Tiere dringend benötigt und können entweder unter IBAN: DE49 7645 0000 0220 5500 08 oder per PayPal an info@tierschutzverein-weissenburg-treuchtlingen.de erfolgen.

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