Häusliche Gewalt: Wo es Hilfe auch für Männer gibt

4.5.2019, 05:41 Uhr
Obwohl in 20 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt Männer die Opfer sind, gibt es keine Männerschutzwohnungen und kaum Beratungsmöglichkeiten.

© Jan-Philipp Strobel/dpa Obwohl in 20 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt Männer die Opfer sind, gibt es keine Männerschutzwohnungen und kaum Beratungsmöglichkeiten.

Herr Becker, wenn man an Benachteiligung denkt, kommen einem nicht zuerst Männer in den Sinn. Warum diese neue Landesarbeitsgemeinschaft?

Becker: Bayern ist eines der letzten Bundesländer, wo es zu dem Thema kein landesweites Netzwerk gibt. Das sieht man auch an den Anlaufstellen für Männer: Es gibt fast keine. Ein Beispiel ist sexualisierte oder partnerschaftliche Gewalt. Frauen können in solchen Fällen in Frauenhäuser, Männerschutzwohnungen gibt es aber nicht und kaum Beratungsmöglichkeiten, obwohl in 20 Prozent Männer die Opfer sind.

Warum war Bayern so spät dran?

Becker: Sozialpolitisch hat man hier lange keine Notwendigkeit gesehen, weil das Thema ‚Männer in der Opferrolle' tabuisiert wurde. Generell vertritt man hier eine sehr traditionelle Sicht: Die Rollenbilder, so wie sie sind, sind gut und sollen so bleiben.

Wo sehen Sie Benachteiligung von Männern?

Becker: Ein großer Bereich ist das Vatersein. Gerade wenn man nicht verheiratet ist und ein Kind geboren wird, hat automatisch nur die Mutter das Sorgerecht, selbst wenn eine Vaterschaftsanerkennung stattfindet. Das ist eine rechtliche Ungleichstellung, die schwierig wird, wenn es zur Trennung oder zur Scheidung kommt. Dann gibt es den Kindergartenbereich: Als Erzieher steht man unter Generalverdacht pädophil zu sein. Einige Träger haben sogar die Regel aufgestellt, dass Männer Kinder in der Krippe nicht alleine wickeln dürfen. Das ist Diskriminierung nach Geschlecht. Gleiches gilt für Kleiderordnungen: Männern wird verboten kurze Hosen und Sandalen zu tragen; Frauen dürfen das aber. Das ist doch abstrus.


Mangelhafte Ausstattung: Frauenhäuser sind auf Hilfe angewiesen


Das eine sind also die strukturellen Defizite...

Becker: ...Und das andere sind unser gesellschaftlich vorherrschenden Rollenklischees. Wenn ein Mann in Teilzeit arbeitet, so wie ich, reagieren viele mit Unverständnis, weil es das Modell in vielen Köpfen nicht gibt. Der Mann muss die Familie ernähren, Teilzeitjobs passen zu dieser Vorstellung nicht und werden von vielen anderen Männern belächelt. Gerade Jüngere wollen aber anders leben. Das heißt, das Patriarchat unterdrückt nicht nur Frauen, sondern auch Männer.

Wie wollen Sie etwas mit der Landesarbeitsgemeinschaft erreichen?

Becker: Wir wollen eine bayernweite Vernetzung und ein Sprachrohr für das Themenfeld sein und mit Fachtagungen und Beratungen auf die Bedürfnisse und Belange von Jungen und Männern aufmerksam machen. Und wir wollen die Politik für den Bereich sensibilisieren und Fördermittel akquirieren.

Bekommen Sie für die Arbeit Kritik von Frauen?

Becker: Das gibt es. Zum einen sagen viele, dass die Frauenthemen noch lange nicht am Ende sind. Zum anderen haben sie Angst, dass durch unsere Förderung ihre Mittel gekürzt werden. Bei unserer Arbeit geht es aber nicht darum, gegen Frauen zu arbeiten, sondern um ein Miteinander.

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