Im Lockdown: Junge Migrantin gibt Nachhilfe in Deutsch

30.12.2020, 10:00 Uhr
Edzhe Hasanova, eine der Ehrenwert-Preisträgerin im Dezember 2020, mit ihren Eltern.

© Jo Seuß, NNZ Edzhe Hasanova, eine der Ehrenwert-Preisträgerin im Dezember 2020, mit ihren Eltern.

Als Mitte März 2020 die Corona-Pandemie in Bayern zum ersten Lockdown führte, waren die Schulen ebenfalls betroffen waren. Da es beim Homeschooling allerdings etliche Kinder gab, deren Eltern etwa mangels Sprachkenntnissen wenig helfen konnten, sorgte sich die Nürnberger Arbeiterwohlfahrt um die Benachteiligten. Als Folge startete man im April eine Hilfsaktion unter der Überschrift „Online-Nachhilfe für Ausländer gesucht“.

Noch nie Nachhilfe gegeben

Gemeldet hat sich darauf mit Edzhe Hasanova eine junge Migrantin aus Altdorf. Ihr sei langweilig gewesen, erzählt die 17-Jährige zurückblickend. Also suchte sie im Internet herum und stieß auf die Awo-Anfrage. Sie hatte zwar selber noch nie Nachhilfe gegeben, wollte aber anderen helfen.


Silvester: Was erlaubt ist und was nicht


Was viel damit zu tun hat, dass Edzhe Hasanova selber ausländischer Herkunft ist: Ihre Eltern stammen aus Bulgarien, zogen aber noch vor ihrer Geburt in die Türkei, wo sie geboren ist. Sie lebte bis 2014 in Istanbul, als ihre Eltern beschlossen, nach Deutschland zu gehen, wo Verwandte schon in Wendelstein lebten.

Mit null Deutschkenntnissen kam sie damals nach Altdorf, wo sie zuerst eine Übergangsklasse für Migranten besuchte. Die Tochter einer Lehrerin und eines Gerätetechnikers, die beide vorerst in der Reinigungsbranche arbeiten, tat sich leicht beim Erlernen der Sprache. Was auch damit zusammenhing, dass Edzhe fleißig und systematisch lernte und ihre Kenntnisse durch das Lesen von Büchern und das Anschauen von Filmen (in Deutsch mit türkischen Untertiteln) vertiefte.

Stammkundin in Bücherei

So wurden sie und ihre Eltern schnell Stammkunden der Altdorfer Stadtbücherei. „Gerne möchte ich diesen Leuten helfen, da wir die gleiche Geschichte erlebt haben und wir uns besser dadurch verstehen können“, schrieb Edzhe Hasanova in Ihrer Bewerbung um die Nachhilfe-Aufgabe.

Und sie ergänzte: „Manche Schüler trauen sich im Unterricht oder sogar in der Nachhilfe nicht, das nachzufragen, was sie nicht verstanden haben. Da wir ja fast im gleichen Alter sind, kann ich mir gut vorstellen, dass sie ihren Freunden/Freundinnen bzw. mir sagen würden, was nachzuholen ist.“

Von Edzhes Schreiben war Ilona Christl, die das Hilfsprojekt bei der Awo Nürnberg betreut, sehr angetan. Anfang Mai bekam sie ihren ersten Schüler, einen Sechsklässler, der in Deutsch Probleme hatte. Mit Hilfe des Smartphones wurden Texte hin und her geschickt, besprochen und korrigiert. Es gab einen festen Termin pro Woche, dazwischen mehrere Telefonate.

Tipps für bessere Nachhilfe

Dass die Note ihres Schülers um eine Stufe besser wurde, macht Edzhe, die ihre ehrenamtliche Tätigkeit dokumentiert hat, spürbar stolz. Wegen des großen Bedarfs hat sie zwei weitere Nachhilfeschüler übernommen. Die Online-Sitzungen wurden im Herbst mit dem Präsenzschulalltag zwar seltener, doch mit allen drei Eleven hält Edzhe Hasanova Kontakt und gibt ihnen regelmäßig Tipps.

Und sie hat viele Ideen und Vorschläge eingespeist, wie man das Nachhilfe-Projekt noch verbessern könnte. Für Christl war dieses „außerordentliche Engagement in Coronazeiten“ Grund genug, um die 17-Jährige für den Ehrenwert-Preis vorzuschlagen – mit Erfolg.

Andere Jugendliche zum Lesen zu motivieren, damit sie ihre Sprachkenntnisse verbessern, ist ein großes Anliegen der Preisträgerin. Ihr ist nämlich sehr bewusst, dass gutes Deutsch „in allen Fächern nötig ist“ und zugleich der Schlüssel „zu besserer Bildung und besseren Jobs“ ist.

Noch mehr Ehrenämter

Ungeachtet der Online-Nachhilfe ist Edzhe Hasanova, die momentan die 10. Klasse des naturwissenschaftlichen Zweigs des Leibniz-Gymnasiums in Altdorf besucht, auch anderweitig ehrenamtlich aktiv. 2019 hat sie beim Roten Kreuz in Feucht ein freiwilliges soziales Jahr absolviert, in dem sie Grundlehrgänge im Sanitätsdienst besuchte und inzwischen aktiv beim Hausnotrufdienst mitmacht.

2020 meldete sie sich für freiwilligen Einsatz in Diakonie-Heimen der Caritas, wodurch sie nun zwei ältere Damen jeden Freitag besucht und mit ihnen redet, spielt oder kegelt. „Wenn es demente Menschen etwas besser geht, indem sie sich wieder an Dinge erinnern, macht mich das glücklich“, sagt Edzhe Hasanova, die sich gut vorstellen könnte, einmal in einem Krankenhaus zu arbeiten. Mutter Aysel ist aber auch von den pädagogischen Fähigkeiten ihrer Tochter begeistert.


Hier finden Sie alle EhrenWert-Preisträger.


Die junge Frau mit der zurückhaltenden, bescheidenen Art ist aber ein neugieriger Mensch mit vielen Interessen: Intensiv recherchiert sie gern zu Themen und diskutiert danach in Internetforen mit. Und da Mathe und Kunst ihre Lieblingsfächer sind, könnte ihr Lebensweg auch noch in eine andere Richtung führen. Man darf gespannt sein.

Verwandte Themen


1 Kommentar