Kommentar
Impfmüdigkeit: Warum wir die Unentschlossenen überzeugen müssen
08.07.2021, 18:18 Uhr
Es war Mitte Mai, als der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio sich ein paar Pommes in den Mund schob und in dem Video, das er auf Twitter verbreitete, schmatzend sagte: „Ich möchte, dass Sie daran denken“ – er zeigte auf einen Hamburger in seiner Hand – „wenn Sie das ansprechend finden, denken Sie doch einfach daran, wenn Sie an die Impfung denken.“ Während Bill de Blasio also versuchte, seine Bürger vom Impfen zu überzeugen, musste Deutschland mit Priorisierungen arbeiten. Die raren Vakzine lösten neue Phänomene wie Impfneid und Impfscham aus.
Nun, zwei Monate später, macht sich auch hierzulande Müdigkeit breit. In den Impfzentren tauchen Angemeldete einfach nicht auf, überhaupt müssen immer mehr Menschen angerufen werden, um die freien Termine zu besetzen. Manch Politiker spricht von einem „Sättigungsbereich“, der in Deutschland nahezu erreicht worden sei.
Es gibt drei Gruppen in der Bevölkerung: die, die sich immunisieren lassen wollen und nun geimpft sind. Die, die unentschlossen, aber durchaus zu überzeugen sind. Und die, die auf keinen Fall geimpft werden wollen. Die Unentschlossenen sind entscheidend für die Frage, wie sich unser Leben im Herbst gestaltet. Virologen rechnen damit, dass bei einer Impfquote von 70 Prozent keine weiteren Lockdowns nötig sind. Dass dann vernünftige Hygienekonzepte ausreichen, um gut durch die Erkältungszeit zu kommen. Klar ist: Die Infektionszahlen werden unweigerlich steigen, wenn die Tage wieder kürzer werden, das liegt in der Natur des Coronavirus´.
Für uns in Deutschland mag es unbeholfen wirken, wenn ein amerikanischer Politiker versucht, mit kostenlosen Pommes Impfmüde auf seine Seite zu ziehen. Anderswo in den USA lockt man erfolgreich mit Bargeld, der Teilnahme an einer Verlosung, einer Wertpapier-Anleihe. Die Richtung stimmt: Mit Aufklärung, Sonderaktionen, unkomplizierten Impfangeboten und vielleicht sogar Prämien muss die Politik versuchen, die Pandemie zu bekämpfen. Wir dürfen die Unentschlossenen nicht sich selbst überlassen.