Israelitische Kultusgemeinde kritisiert "Nakam"-Publikation

7.10.2016, 14:39 Uhr

Gerade angesichts der allenthalben aufflackernden antijüdischen Emotionen sei eine derartige Publikation nur als "unverantwortlich" und "instinktlos" zu brandmarken, meint der IKG-Vorsitzende Arno Hamburger.

Mitglieder von "Nakam" (hebräisch für "Rache") hatten nach Ende des Krieges Vergeltungsaktionen für den Massenmord an Millionen Juden geplant. Unter anderem gehörte dazu im April 1946 der Versuch, NS-Parteigänger als Insassen des Kriegsgefangenen-Lagers Nürnberg-Langwasser mit Arsen zu vergiften, das auf Brotlaibe gestrichen werden sollte.

An diese Geschichte hatten die Nürnberger Jim G. Tobias und Peter Zinke - wie mehrfach berichtet - bereits im vergangenen Jahr in einem Film der Medienwerkstatt Franken erinnert. Der Beitrag führte sogar zu Ermittlungen der Justiz, die inzwischen allerdings wieder eingestellt wurden. Ihr Material verarbeiteten die Autoren nun zu einem Buch, das sie gestern bei Hugendubel vorstellten.

Hamburger wertet Schilderung als unerträglich

Außer auf die "Wut und Rache" der überlebenden Juden gehen die beiden darin unter anderem auf die Fluchtwege der Nazis und das Versagen der deutschen Justiz bei der Verfolgung von NS-Verbrechen ein. Besonders die Schilderung von Rachegelüsten wertet Hamburger hingegen als unerträglich - zumindest in der aktuellen Situation in Deutschland und im Nahen Osten, in der "Juden" (und nicht "Israelis") wieder pauschal beschuldigt werden, Massaker an Unschuldigen zu verüben, so zum Beispiel auf einem in der vergangenen Woche in einer Nürnberger Moschee verteilten Flugblatt.

Dass sich Überlebende damals auch zu verwerflichen Akten hinreißen ließen, sei nachvollziehbar, meint der IKG-Vorsitzende und billigt ihnen "mildernde Umstände" zu. Dennoch sei zu fragen, wer sich heute aus welchen Motiven für die "schrecklichen Geschichten von Rache" interessiere und wer einen Nutzen daraus ziehe oder davon profitiere.

"So ein Buch brauchen wir nicht"

Obwohl sich die beiden Buchautoren als "Antifaschisten" verstehen, bediene ihre Darstellung primitive Klischees und sei in der praktischen Wirkung eben doch "kontraproduktiv" und "Wasser auf die Mühlen" der Rechtsextremen, urteilt Hamburger.

Dabei versuchten die Verfasser schon in ihrem Vorwort, genau diesem Vorwurf zu begegnen. Der Einwand sei schon zu Beginn ihrer Recherche laut geworden. Aber das "genaue Gegenteil" sei ihrer Ansicht nach richtig: "So zu tun, als hätten Juden und Jüdinnen sich überhaupt nicht (. . .) zur Wehr gesetzt und an Nazis Vergeltung geübt, stützt das Vorurteil des feigen und hilflosen Opfers", heißt es dort.

Um das zu beweisen, "brauchen wir ein solches Buch nicht", hält Hamburger den Autoren entgegen. "Die bloße Existenz der jüdischen Brigaden belegt das zur Genüge. Wo immer wir die Möglichkeit hatten, uns zu wehren, haben wir das getan." Allein die Literaturliste belege obendrein, dass das Thema längst erforscht sei. Die Publikation lasse sich deshalb auch nicht mit dem Hinweis auf die nötige Aufklärung oder wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn rechtfertigen.

Der Artikel erschien am 27. Oktober 2000 in den Nürnberger Nachrichten.