Kultur und Vielfalt: Was die Menschen auf dem Land verpassen

4.10.2019, 10:54 Uhr
Die Nürnberger Kaiserburg: Ein beliebtes Touristenziel und Teil des großen kulturellen Angebots in der Noris.

© dpa Die Nürnberger Kaiserburg: Ein beliebtes Touristenziel und Teil des großen kulturellen Angebots in der Noris.

Zuletzt habe ich häufig folgende Erfahrung gemacht: Freunde oder Bekannte ziehen von der Stadt in Vororte oder aufs Land. Sie betonen dann immer, dass sich deshalb überhaupt nichts ändere. Man sei ja schließlich in nur einer halben Stunde in der Stadt, kein Problem. Und dann: lassen sie sich nicht mehr blicken.

Was sie verpassen? Zunächst einmal das, was man Kultur nennt: In der Stadt gibt es Kinos, Theater, Museen, außergewöhnliche Architektur, historische Stätten, Restaurants für jede Geschmacksrichtung, Cafés, Nachtleben oder Sportveranstaltungen (na gut, den Club verlieren zu sehen ist nicht kulturell wertvoll, das gebe ich zu). Ich wage die These: Je weiter man von diesen Angeboten entfernt lebt, desto seltener nutzt man sie. Der Mensch ist bequem.

Freie Auswahl

Natürlich ist es praktisch und angenehm, einen Garten zu haben, vor allem mit Kindern. Aber: Ich bin mit meiner Tochter in drei Minuten beim Spielplatz, in zehn Minuten im Westpark und in 15 Minuten am Schweinauer Buck, in der Rosenau, im Pegnitzgrund, an der Wöhrder Wiese oder im Stadtpark. Freie Auswahl.


Kommentar pro Land: Warum das Landleben schöner ist


Meine Tochter ist zwei Jahre alt und war bereits sieben-, achtmal in der Lorenzkirche. Die Lorenzkirche ist beeindruckend, man muss nicht gläubig sein, um sie zu mögen. Was ich damit sagen will: Nürnberg ist schön. Wer draußen an seinem Gartenteich sitzt, vergisst das vielleicht. Dass ein Bummel durch die Karolinenstraße, ein Aufstieg zur Kaiserburg oder ein Kaffee an der Pegnitz nur eine Viertelstunde entfernt ist, bedeutet für mich Lebensqualität.

 

 

 

 

Viele Menschen, interessante Menschen

Ich fürchte auch nicht um meine Sicherheit. Ich bewege mich in St. Leonhard – dem Viertel, in dem ich wohne – zu jeder Tages- und Nachtzeit ohne Angst. Meine Frau übrigens auch. Im Gegenteil: Angst hätte ich um sie, wenn sie bei Dunkelheit von irgendeiner S-Bahnhaltestelle durch Waldstücke nach Hause laufen müsste.

Außerdem leben in der Stadt viele Menschen, interessante Menschen. In St. Leonhard gibt es soziale Härtefälle. Der Stadtteil ist multikulturell geprägt. Wenn man mit offenen Augen durch die Straßen geht, wird man Zeuge vieler Konflikte, die unsere Gegenwart prägen. Man wird Zeuge von Armut und Leid, ebenso wie von Mut und Lebensfreude.

Das soll nicht heißen, dass alle Landbewohner in einer Blase leben. Es gibt dort selbstverständlich Menschen, die das Herz am rechten Fleck tragen, ich kenne viele von ihnen persönlich. Trotzdem: Manche Dinge muss man täglich sehen, um sie zu verstehen – im Guten wie im Schlechten. Und manche Dinge sehen aus der Entfernung schlimmer aus, als sie wirklich sind. Ich möchte das Stadtleben nicht missen.

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