Lichtverschmutzung: "Viele Gebäude sind überstrahlt"

30.10.2019, 15:14 Uhr
Das neue Lichtkonzept von Michael Müller und seinen Studenten für die Stadtkirche Münchberg (Landkreis Hof) lässt die Konturen des gesamtes Gotteshauses erkennen, der Einsatz der Lichtquellen erfolgt wohldosiert.

© Martin Settele Das neue Lichtkonzept von Michael Müller und seinen Studenten für die Stadtkirche Münchberg (Landkreis Hof) lässt die Konturen des gesamtes Gotteshauses erkennen, der Einsatz der Lichtquellen erfolgt wohldosiert.

Herr Müller, die Lichtverschmutzung in Bayern soll massiv eingedämmt werden. Sie dagegen entwickeln mit Ihren Studenten Lichtkonzepte und leben von der Beleuchtung historischer Gebäude. Geht Ihnen da gerade Ihre Geschäftsgrundlage verloren?

Michael Müller: Das hoffe ich nicht, ich lebe ja wirklich davon (lacht). Aber es gibt auch überhaupt keine Anzeichen für eine solche Entwicklung. Wir bekommen nicht weniger Aufträge als sonst. In den Köpfen von Bürgermeistern und Stadträten ist diese Änderung noch nicht wirklich angekommen.

Bis 23 Uhr dürfen Sie ja noch beleuchten. Aber die Bevölkerung ist sensibler geworden für das Thema Lichtverschmutzung. Ist da die nächtliche Beleuchtung der Wahrzeichen noch zeitgemäß?

Müller: Mit einer schönen Stadt identifiziert man sich – und sie soll auch nachts schön sein. Dazu ist es wichtig, dass auch, wenn es dunkel ist, eine angenehme Atmosphäre in der Stadt herrscht. Dabei ist die Beleuchtung besonderer Gebäude ein wichtiger Faktor. Gerade in touristischen Orten kann dadurch die Verweildauer in der Nacht deutlich ausgeweitet werden. Im Sommer sollte man aber länger als 23 Uhr beleuchten dürfen, da wird es ja erst kurz vorher dunkel. Ab 23 Uhr könnte man die Beleuchtung ja auch um 50 Prozent dimmen. Es geht dabei aber immer darum, behutsam mit dem Licht umzugehen.

"Man muss behutsam vorgehen"

Passiert das denn bisher noch nicht?

Müller: Die meisten Gebäude sind massiv überstrahlt. Das ist mindestens in 80 Prozent aller Orte so. Wenn man nur einen einzigen großen grellen Strahler aufstellt und damit das gesamte Gebäude beleuchten will, trägt man natürlich enorm zur Lichtverschmutzung bei.

Wie sollte man stattdessen vorgehen?

Müller: Behutsam. Man braucht die richtigen Lichtkegel und die richtige Watt-Zahl. Es reicht nicht, dass man weiß, wie man einen Strahler richtig einsteckt, da gehört schon mehr Fachwissen dazu. Die Häuser sollen so in Szene gesetzt werden, wie man sie tagsüber erlebt. Mit Vorsprüngen, Rücksprüngen und allen Details. Auch die Struktur des Materials sollte sichtbar gemacht werden.

Mit Ihren Studenten entwickeln Sie für viele fränkische Städte Lichtkonzepte und inszenieren deren Wahrzeichen zehn Tage lang mit besonderer Beleuchtung. Wie unterscheidet sich die temporäre von der dauerhaften Beleuchtung?
Müller: Wenn die Beleuchtung nur zehn Tage an ist, ist die Lichtverschmutzung natürlich meist kein großes Thema. Diese Aktionen dienen dazu, den Städten, Bürgermeistern und Bürgern zu zeigen, was in ihrer Stadt möglich ist, wie man die Stadt noch beleuchten könnte. Es ist wichtig, das einmal real zu erleben. Wenn ich abends um 22 Uhr mit meinen Freunden entspannt durch die beleuchtete Stadt schlendere, wirkt das ganz anders, als wenn ich mir die Beleuchtung auf dem Papier oder dem Computer ansehe.

Trotz allem: Auch durch behutsame Beleuchtung werden Insekten angelockt.

Müller: Das Thema muss man ernst nehmen und nicht als Hysterie abtun. Mit dem Thema Licht muss man sensibel umgehen. Aber es geht: Wir haben zum Beispiel die Beleuchtung des Walderlebniszentrums Gramschatz bei Würzburg geplant, auch die Lichter des Walderlebnispfades in der Nähe, wo wir zum Beispiel einen Baum mit einem speziellen Pilz oder einen abgestorbenen Baum anleuchten. Dabei war es natürlich ganz wichtig, dass nicht so viele Tiere angelockt werden. Wir mussten uns dort zwar auch viel Kritik von Naturschützern anhören, aber wir haben das gut hinbekommen.

2 Kommentare