Napoleon ließ Bayern neu vermessen

29.1.2018, 19:08 Uhr
Napoleon ließ Bayern neu vermessen

© Michael Matejka

Die befand der kleine Korse für militärische Zwecke freilich völlig ungenügend, und gründete im soeben eingenommenen Bayern umgehend eine Kommission für Kartographie, um Abhilfe zu schaffen. Kurz vor der Geburtsstunde des ersten bayerischen Landtags und der Verfassung von 1818 wurde also bereits der Grundstein gelegt für die moderne bayerischen Vermessungsverwaltung, die die Geschichte des Freistaats aus einer einzigartigen Perspektive wiedergeben kann.

Die wird jetzt anlässlich des doppelten Jubiläumsjahres – der Freistaat Bayern feiert 100-jähriges Bestehen – in der Wanderausstellung "Analog bis Digital – der Freistaat in Karten" gewürdigt, die gestern in Nürnberg eröffnet wurde. In Abwesenheit des Hausherrn Markus Söder (CSU) erklärte Staatssekretär Albert Füracker (CSU) das Heimatmuseum als den idealen Ort der Eröffnung: "Die Karten und Luftbilder aus mehreren Jahrhunderten belegen eindrucksvoll die hohe Dynamik in Bayern."

Als eines der ältesten Dokumente wird die erste bayerische Gesetzessammlung , die sogenannte "Lex Baiuvariorum" aus dem 6. bis 8. Jahrhundert abgebildet, in der bereits der Umgang mit Gebietsstreitigkeiten behandelt wird. Der Bogen spannt sich über drei inhaltliche Kapitel der Ausstellung von den Anfängen der Kartographie und Landvermessung bis in die Moderne. Neben den historischen Anfängen wird dem Wandel von der analogen hin zu digitalen Entwicklung, wie der Ausstellungsname schon besagt, Raum gegeben. Hier können Besucher nachvollziehen, welche Gesichtsänderungen der Freistaat durch Kriegszeiten und in den Nachkriegsjahren durchlebte. Ein Fokus liegt dabei auf den Umwälzungen der noch weitestgehend analog erfolgten Gebietsreform von 1972 bis 1978 und der damit einhergehenden Flurbereinigung, die laut Füracker so erfolgreich war, "das heutzutage in der Staatsregierung niemand ernsthaft über eine erneute Gebietsreform nachdenkt".

Napoleon ließ Bayern neu vermessen

© Michael Matejka

Auch die Entwicklung des Stadtgebiets Nürnberg und der Nürnberger Region zwischen 1956 und 2017 werden dargelegt sowie die technischen Instrumente für die amtliche Kartenherstellung und der Luftbildaufnahmen erläutert. Abgerundet wird das Angebot durch eine Präsentation der Anwendungsbereiche moderner Geodaten – die auf Wunsch in vier Dimensionen Breite, Tiefe, Höhe und Zeit verfügbar sind. Anwendungen hier sind etwa ein 3D-Druck des Stadtgebiets Nürnberg.

Sonderlich beeindruckt wirkt Richard Henninger von der hochtechnologischen GPS-Datenerfassung nicht. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der mittelfränkischen Feldgeschworenen verweilt lieber vor einer Vitrine mit sogenannten "Siebenersteinen" und erklärt deren Funktion: Sie werden von den Feldgeschworenen zusammen mit den Grenzsteinen eingebracht – in einem geheimen Muster, das nur Feldgeschworene im jeweiligen Ortsbereich kennen dürfen. Nur so können die Feld- und Flurfachleute, die dieses Ehrenamt seit dem Mittelalter in Gruppen von Sieben ausüben, erkennen, ob ein Stein im eigentlichen Sinne des Wortes verrückt wurde. "In dieses Siebener-Geheimnis werden nur Mitglieder des jeweiligen Siebener-Gremiums eingeweiht. Feldgeschworener ist man übrigens auf Lebenszeit – um unabhängig zu sein gegenüber versuchter Einflussnahme", sagt der Mann, auf dessen Krawatte ein Emblem mit den Worten "Für Ordnung, Recht und Sitte" prangt.

Ein Beispiel eines Siebenergeheimnisses? "Aus Baden-Württemberg darf ich eines verraten, den entsprechenden Bund gibt es nicht mehr", sagt Henninger, schmunzelt und erklärt: Dort wurden kleine pfeilförmige Siebenersteine so mit dem Grenzstein eingegraben, dass sie alle in Richtung des Kirchturms zeigten.

Gerade in Franken mit seinen kleinteiligen Flächen hat sich die Tradition der Feldgeschworenen bewahrt. "In Oberbayern gab es als Grundstückseigner ja nur entweder die Kirche oder die Wittelsbacher", sagt Henninger halbernst. In Franken hingegen hatte gerade der Adel ein Interesse daran, dass in den Fluren Ordnung herrscht und die Feldgeschworenen stets in Ruhe gelassen. Henninger geht heute noch mit Hut aufs Feld – denn einst lag sogar die kleine Gerichtsbarkeit bei den Siebener-Gremien. Ohne deren Grenzsteine der Siebener und deren Tradition wären Bayerns Geodaten heute sicherlich weniger präzise.

Die Ausstellung ist bei freiem Eintritt bis zum 16. Februar von 9 bis 17 Uhr im Nürnberger Heimatministerium zu besuchen (ausgenommen der 8./9. Februar). Dann zieht die Wanderausstellung durch alle bayerischen Regierungsbezirke und die Städte Marktoberdorf, Landshut, Schweinfurt, Neumarkt i.d.Opf. und Hof bis nach München. www.ldbv.bayern.de

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