Wasser von allen Seiten

Hochwasser: Ipsheim war mit am stärksten getroffen

14.7.2021, 18:00 Uhr
Wie dramatisch die Lage in Kaubenheim war, zeigt diese Drohnen-Aufnahme des Ipsheimer Ortsteils.    

© Jan Wagner, NN Wie dramatisch die Lage in Kaubenheim war, zeigt diese Drohnen-Aufnahme des Ipsheimer Ortsteils.   

Wassermassen überall in Kaubenheim, Wassermassen in Oberndorf, Weimersheim, Holzhausen und Straßenzügen im Südosten Ipsheims. „Es ist ein Gefühl zwischen fassungslos und es ist ja nur Materielles, es hätte schlimmer kommen können“, sagt Jochen Kapfenberger, der kopfschüttelnd vor seinem Anwesen in Kaubenheim steht. Wenige Meter weiter liegt noch ein Haufen Sandsäcke, auf der anderen Seite zerstörte Möbel und weitere Utensilien aus dem Keller, in dem am Freitag das Wasser rund 80 Zentimeter hoch stand. Die Gemeinde Ipsheim mit ihren Ortsteilen hat es bei den Überflutungen nach dem Starkregen am Freitag in der Region mit am schlimmsten erwischt. An vielen Stellen war es nur knapp davor, dass es noch schlimmer hätte kommen können, die Pegel nur knapp nicht die Haustüren erreichten. Beeindruckend sei die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt gewesen, heißt es von Betroffenen – und in Weimersheim half Schotter von der aktuell laufenden Kanalbaumaßnahme.

Montagnachmittag. Sonnenschein. Das Wasser ist verschwunden, viele Keller schon grob gesäubert. „Das glaubt doch keiner, der nicht dabei gewesen ist“, sagt Jochen Kapfenberger, während er Bilder von den Überflutungen auf seinem Smartphone zeigt. So wie dem Kaubenheimer geht es vielen an den Tagen nach der Katastrophe, den Tagen, in denen nur das Rausschleppen von aufgeweichten und schlammigen Dingen aller Art bleibt.

„Es kam von beiden Seiten“, erzählt Jochen Kapfenberger, „unser Haus liegt an der tiefsten Stelle Kaubenheims, wir waren quasi eingekesselt.“ Erst kam das Wasser vom Osten, später von der über die Ufer tretenden Tief von Westen. „Es war so massiv, mittags konnte keiner mehr durchs Dorf fahren.“ Wäre das Wasser noch wenige Zentimeter weiter angestiegen, „wäre es bei uns auch von oben her, durch die Haustür reingelaufen“, erzählt Kapfenberger, „das war schon eine Gänsehautnummer.“ Sandsäcke wurden angeschleppt, Feuerwehr, Landjugend, Freunde, Nachbarn, alle halfen zusammen, hievten „alles mögliche“ aus den Kellerräumen, in denen teils die Gefriertruhen herumschwammen, wie Kapfenberger berichtet. Die Feuerwehren pumpten, was ging „und auch Bauern kamen mit ihren Güllepumpen – das war schon toll“ – bis Mitternacht. Viele Dutzend Pumpen gaben im Laufe des Freitags den Geist auf.

Knapp 200 Ster Brennholz schwammen in Holzhausen umher. 

Knapp 200 Ster Brennholz schwammen in Holzhausen umher.  © Stefan Blank, NN

Kapfenberger war übrigens erst gegen Mittag von seiner Frau angerufen und „heimbeordert“ worden, zuvor half er bei Verwandten in der Ipsheimer Birkenstraße, die wie das Gebiet um Eichen- und Waldstraße Freitagvormittag Wassermassen ausgesetzt waren. In der Birkenstraße steht auch Ewald Rümlers Haus, der sich morgens noch 450 Kilometer entfernt von Ipsheim im Urlaub befand, als er telefonisch alarmiert wurde. „Um 7 Uhr hat ein Nachbar geschaut, da war im Keller noch alles okay“, sagt Rümler. „Wir haben eine kleine Mauer um das Grundstück, die hat uns wohl vor Schlimmerem bewahrt.“ Trotzdem: Partykeller, Spielzeug-Autorennbahn, Solarium – alles kaputt. „75 Zentimeter stand das Wasser im Keller“, sagt Ewald Rümler, „bei anderen waren es bis zu 1,40 Meter.“ Selbst Heizöl-Tanks schwappten auf dem Wasser hin und her. „Bei uns haben sie gehalten, das war aber nicht überall so.“

Nur noch ein großer See

Ebenfalls schon am Morgen schoss das Wasser durch Holzhausen, wie Wolfgang Redlingshöfer erzählt. Sein Haus und Hof liegen relativ tief, ganz im Norden des Dorfes, eine große Wiese grenzt an, ehe die höher gelegene Verbindungsstraße zwischen Bühlberg und Eichelberg kommt. Der Schweinebach nahm extreme Ausmaße an, Wasser aus dem Wald floss und floss „flutartig“, ließ rund 200 Ster fein aufgeschlichtetes Brennholz umstürzen und verteilte die Scheite willkürlich in der Fläche. „Da unten war alles nur noch ein See“, sagt Wolfgang Redlingshöfer, der sich an kein vergleichbares Ereignis in seinen 63 Jahren in Holzhausen erinnern kann.

Wassermassen flossen am Freitag durch Kaubenheim

Wassermassen flossen am Freitag durch Kaubenheim © Stefan Faust, NN

„Anfangs haben wir uns nicht viel gedacht, aber das Wasser kam so unfassbar schnell, hatte so eine Gewalt.“ An der Wiese steht eine kleine Scheune, bis fast unters Dach stand das Wasser, knapp drei Meter hoch insgesamt, da es auf der Nordseite, aufgrund eines relativ kleinen Rohres, das unter der Straße verläuft, nicht groß ablaufen konnte, wie Redlingshöfer erklärt, der nun auch Maßnahmen zur Verbesserung fordert. „Da muss was passieren, dieses Mal sind wir grad noch mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt der Holzhausener und fügt mit einem Schmunzeln hinzu. „Auch wenn der Urlaub heuer ins Wasser fällt.“

In Oberndorf kann davon nicht mehr die Rede sein. Sperrmüllberge säumten die Straßen am Montag. Das kürzlich renovierte Sportheim des Fußballclubs wurde schwer beschädigt, auch die neue Küche, die noch nicht einmal komplett eingebaut war, wie Vorsitzender Rudi Herbolsheimer berichtet. „Es ist eine finanzielle Katastrophe für den Verein und wir bitten deshalb um Spenden.“ Beide Rasenplätze waren von Wassermassen überschwemmt. Herbolsheimer: „Wir hatten noch nachts versucht mit Sandsäcken und Barrieren was zu retten, aber die Massen und die Wucht des Wassers war zu groß.“ Erst kamen die Fluten in Oberndorf von Süden, die Bundesstraße 470 musste komplett gesperrt werden, wie Feuerwehr-Kommandant Robert Wunschel sagt. „Wir mussten zuschauen, wie der Pegelstand steigt.“ Als das Wasser mittags etwas ablief, kamen später die Massen über die Aisch und damit von Nordwesten. „Es war ein in der Marktgemeinde noch nie dagewesenes Hochwasser-Ereignis“, befand Ipsheims Bürgermeister Stefan Schmidt Montagabend im Gemeinderat. „Die Feuerwehren haben nahezu Unmenschliches geleistet.“ Aber Schmidt sagte auch: „Wir werden das analysieren, es entsprechend aufarbeiten.“

Zwei Notarzt-Einsätze

Einige Keller standen auch in Weimersheim unter Wasser – darunter im neu sanierten Wirtshaus. Doch dort danken die Bürger vor allem auch der Baufirma, die sich um den neuen Kanal im Dorf kümmert und Freitag trotz der Wettervorhersage loslegte. „Die haben sofort Ausfahrten mit Schotter zugekippt und auch eine Art Wall aufgeschüttet“, erzählt Michael Bürger. „Das war Gold wert.“

Apropos Wettervorhersage, angekündigter weiterer Starkregen in Verbindung mit den noch pitschnassen Feldern sorgen für Ängste. „Man muss sich auch mal überlegen, wie es jetzt aussehen würde, wenn das nachts passiert wäre, sagt Wolfgang Redlingshöfer. Zwar gab es in Oberndorf auch zwei Notarzt-Einsätze, wobei einmal auch ein Rettungshubschrauber vor Ort war, dennoch hatten die Fluten vor allem materiellen Schaden zur Folge. Es waren denkwürdige Stunden für viele in der Region, die noch lange im Gedächtnis bleiben, nicht nur bei Jochen Kapfenberger: „Wenn es das nächste mal heftig regnet, mache ich kein Auge zu.“

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