In Illesheim und bei Ansbach

In der Luft mit einem Giganten der US Army: Transporthelikopter Chinook im Lärm-Test

17.8.2019, 15:27 Uhr
In der Luft mit einem Giganten der US Army: Transporthelikopter Chinook im Lärm-Test

© Foto: sb

Flappflappflapp. Es dröhnt und scheppert trotz Spezial-Ohrstöpseln, die tief in die Gehörgänge gepresst sind. Knapp 10.000 Pferdestärken. Zwei gigantische, gegenläufige Rotoren mit mehr als 18 Metern Durchmesser. 30 Meter Länge. Maximale Masse, um noch abheben zu können: 22 Tonnen. Kenneth Cole streckt einen Daumen in die Höhe. Alles okay? Gleich geht es mit dem Chinook genannten CH-47F-Transporthubschrauber in die Luft. Ziel: Illesheim Storck Barracks.

Der Tag auf dem Stützpunkt der US Army in Katterbach ist ein spezielles Erlebnis, bei dem der Oberst der 12. Heeresfliegerbrigade, Kenneth Cole, der sich vor wenigen Tagen Richtung Fort Rucker im US-Bundesstaat Alabama verabschiedet hat, ungewohnt Klartext redet – zu Hintergründen, Fluglärm, Umgang mit Beschwerden, Flugrouten und verordnetem Schutz von Urphertshofen und speziellen Veranstaltungen.

"Wir wollen uns zu 100 Prozent an die Regeln unseres Gastlandes halten", sagt Kenneth Cole. Der Kommandant der fest in Katterbach stationierten "12th Combat Aviation Brigade" steht in seiner Uniform im Besprechungszimmer des Hauptquartiers des Flugplatzes, das von der Einrichtung stark an den aus Fotos bekannten Situation Room im Weißen Haus erinnert. Überdimensionaler, dunkelbrauner Holztisch. An der Wand Digital-Uhren für vier unterschiedliche Zeitzonen. Vor dem Flug mit dem Chinook erklärt Cole, was die US Army im Bereich Lärm-Reduzierung alles tut, wobei Oberleutnant Samantha McNicholas klarstellt: "Unsere Piloten kennen die Regeln und müssen sich an diese halten."

In der Luft mit einem Giganten der US Army: Transporthelikopter Chinook im Lärm-Test

© Foto: Stefan Blank

Doch diese besagen auch: Flüge bis Mitternacht sind erlaubt. Jeden Wochentag. Zweimal pro Woche kann die Army zudem noch später mit ihren Hubschraubern üben. Im Mai und August bis 1.30 Uhr, im Juni und Juli sogar bis 2 Uhr. "Für jeden Tag, an dem wir nach Mitternacht fliegen, gibt es Entschädigungs-Tage", sagt Cole. Von Montag bis Donnerstag darf an diesen nicht später als 19 Uhr gelandet werden, freitags ist ab 15 Uhr Sperrzeit. Wochenende und Ferientage dürfen nicht als "Compensation days" genutzt werden.

"Wir schauen da genau auf die Minute", versichert Kenneth Cole. Landet auch nur ein Helikopter um 0:01 Uhr, greife die Regelung. Nach eigenen Angaben der US Army habe es im vergangenen Jahr von Katterbach aus 15 Tage Flüge nach Mitternacht gegeben, nach denen 29 Ausgleichstage angeordnet worden seien. In Illesheim seien es acht Tage und 24 "Compensations days" gewesen, erklärt Major Adam Keller.

"Die Piloten brauchen ständiges Training, um auf Einsätze optimal vorbereitet zu sein", betont Kenneth Cole. "Wir versuchen aber, möglichst viele der Trainingsflüge auf die Truppenübungsplätze in Hohenfels und Grafenwöhr zu verlagern." Auch Formationsflüge und Nachtflüge seien unabdingbar.

"Auch unsere Piloten machen Fehler"

Immer wieder hört man die Befürchtung, dass Beschwerden nicht ernst genommen würden. Dem widerspricht Cole vehement. "Wir können den Beschwerden sehr schnell und umfassend nachgehen." Flugdaten der Tower in Katterbach und Illesheim sowie Aufzeichnungen der Bundeswehr werden genutzt, um herauszufinden, welcher Helikopter welche Route in welcher Höhe geflogen ist. Cole animiert die Bevölkerung sogar, sich unter der Telefonnummer 0152/ 0911 43 69 zu melden, wenn beispielsweise über bewohntes Gebiet geflogen werde. "Auch unsere Piloten machen Fehler", erklärt Hauptmann Sasha Wellenreuther.

Viele Piloten seien seit seit Jahren im Luftraum unterwegs, die Besonderheiten in Deutschland, auch wegen der Lärm-Reduktion, müssten die US-Soldaten – vor allem von den in Illesheim stationierten Rotationseinheiten, die nur neun Monate vor Ort sind, erst lernen. In Illesheim seien rund 90 Hubschrauber und 900 Soldaten übergangsweise zu Hause, wobei im Gegensatz zu denen in Katterbach keine Familien mit in Deutschland sind. Von diesen sei jedoch ein Großteil stets auf Übungen im Baltikum oder in ganz Europa unterwegs.

Nach der Besprechung der Flugroute mit Pilot Jason Andersen und Samantha McNicholas erzählt Kenneth Cole auf dem Weg zum Flugfeld sogar, dass seine Frau vor zwei Jahren, wenige Tage nach dem Umzug nach Katterbach, in ein Haus direkt am Flugfeld, die erste Beschwerdeführerin in Sachen Lärm gewesen sei. "Hören die bald mal wieder auf?", habe sie auf der Terrasse sitzend den Brigade-Chef gefragt. Er habe leider verneinen müssen, sagt er mit einem Lächeln.

Die Rotoren knattert

Es folgen Kurzeinweisung am riesigen Chinook, in den maximal 32 Personen plus zwei Piloten passen, wie Cole erklärt, und ein Abstecher in die Kasernen-Kantine. Der fast schon unerlässliche Burger mit frittierten Zwiebelringen sollte sich später als nicht optimaler Vor-Flug-Happen herausstellen. Kenneth Cole als erfahrener Hase, der an diesem Tag seinen letzten Hubschrauber-Flug vor seinem Abschied machte und dementsprechend der Tradition folgend von der Flugplatz-Feuerwehr mit reichlich Wasser beregnet wurde, entschied sich da für eine leichtere Kost, obwohl er danach verriet, dass er "ein totaler Schäufele-Liebhaber" sei.

Wieder am Flugfeld sind die Triebwerke des Chinooks nicht zu überhören. Cole und Andersen schwingen sich ins Cockpit. Dem Rest der Testflug-Besatzung werden von Flugingenieurin Dani Qualls, sie hat die Kontrolle über den hinteren Bereich der Boeing CH-47 Chinook, Plätze zugeteilt. Flappflappflapp. Die Rotoren knattern und als die Chinook nach einigen Minuten den Boden verlässt, entsteht ein Gefühl, wie wenn jemand bei Sturm auf einer Nordsee-Insel mit seinem Liegestuhl direkt an einer Tankstellen-Zapfsäule Platz genommen hätte. Dani Qualls checkt erneut alle möglichen Dinge im Innenraum des Hubschraubers, in dem aber vor allem ein Besen und eine große USA-Flagge an der Decke ins Auge fallen. "Das ist für uns später zum Fliegen", scherzt Army-Pressesprecherin Helga Moser mit ihrer Kollegin Cornelia Summers.

Wir haben da viel mitgenommen und konnten viel lernen"

Katterbach. Herrieden. Richtung Bundesstraße 13 und Oberdachstetten. "Wir fliegen um alle Städte außenrum", hatte Sasha Wellenreuther im Vorfeld erklärt. Andersen hält sich akkurat an alles. Zahlreiche Flächen auf seinem Monitor im Cockpit sind besonders gekennzeichnet, über diese darf nicht geflogen werden. Nach vielen Beschwerden und großer Belastung in den vergangenen Jahren sei nun sogar die Anflugroute auf das für die US-Soldaten eminent wichtige Gelände Wessachhof, die "Oberdachstetten Trainig Area", geändert worden, erklärt Kenneth Cole. Für Urphertshofen und auch den Obernzenner See solle besonderer Schutz gelten. Zudem bietet die Army an, auf besondere Veranstaltungen Rücksicht zu nehmen, von Beerdigungen bis zum Freilandtheater in Bad Windsheim, sagt Helga Moser.

Öffentlichkeitsarbeit und der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung sei in diesem Zusammenhang sehr wichtig, sagt Kenneth Cole. So werden Schulklassen zum Besuch der Kasernen eingeladen, auch Reservistenkameradschaften oder Politikergruppen oder einfach Interessierte könnten sich anmelden. Zudem habe der Besuch der Army-Verantwortlichen bei der Sitzung des Bad Windsheimer Stadtrates Ende Juni Eindruck hinterlassen. "Wir haben da viel mitgenommen und konnten viel lernen", sagt Cole. Thema waren an diesem Tag auch die nicht öffentlich tagenden Lärmschutzkommissionen mit Bürgermeistern, Luftfahrtamt der Bundeswehr und Army. "Wir verstehen Ihr Anliegen und werden uns dafür einsetzen, dass die Öffentlichkeit zugelassen wird", verspricht Cole, der das mit seinem Nachfolger, John B. Broam, besprechen und die Mitglieder darüber abstimmen lassen will.

Flappflappflapp. Sanfter als jeder Urlaubsflieger berührt die Chinook den Boden auf dem Wessachhof-Areal. Die Grashalme biegen sich, Frisuren werden zerstört. Dann geht es knatternd weiter auf Ickelheim zu. Jason Andersen und Kenneth Cole im Cockpit drehen rechtzeitig bei. Regeln sind Regeln und Regeln werden befolgt, wird der Oberst später sagen. Es gehe um die Beziehung zur Bevölkerung eines der wichtigsten, stärksten und längsten Partner. Bisher für ihn und sein Team, künftig für John B. Broam. Die Rotoren verlangsamen sich. Die Ohrenstöpsel haben kurz Pause. Doch der nächste Chinook steht schon startklar bereit.

2 Kommentare