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11. November 1971: Neuheit für den ganzen Erdball

11.11.2021, 07:00 Uhr
11. November 1971: Neuheit für den ganzen Erdball

© Kammler

Mit dieser von der Firma Siemens entwickelten Apparatur wird es künftig möglich sein, auf einem Fernsehschirm den genauen Standort jedes auf Streife befindlichen Polizeifahrzeugs bestimmen und es, gezielter als dies bisher möglich war, zum Einsatz zu dirigieren.

Die Anlage in der derzeitigen Ausbaustufe kostet die Stadt vorerst keinen Pfennig. Sie wurde von Siemens mit einem Kostenaufwand von über einer Million Mark zunächst nur zu Versuchszwecken installiert. Sollte sich diese Einrichtung nach einigen Monaten bewähren – und daran zweifelt schon heute niemand mehr – dann wird sie nicht etwa wieder abgebaut, sondern sie bleibt der Nürnberger Polizei erhalten.

Dazu die Herstellerfirma: „Über den Kaufpreis werden wir uns mit Sicherheit einigen.“ Für Siemens ist jetzt nämlich das Polizeipräsidium ein nicht zu unterschätzender Werbeträger. Schon heute haben sich zahlreiche Interessenten, sogar aus anderen europäischen Staaten, in Nürnberg angemeldet.

Die Anlage, die augenblicklich noch auf einen Testsektor von sechs Quadratkilometern ausgerichtet ist, kann im Bedarfsfall auf einen Radius von rund 100 Quadratkilometern erweitert werden. Nachdem gestern auch Staatssekretär Erich Kiesl vom bayerischen Innenministerium die Vorzüge dieser Funkortung gepriesen hat, ist zu erwarten, daß die Stadtpolizei Nürnberg auch nach ihrer Verstaatlichung nicht auf dieses System zu verzichten braucht. Kiesl wies sogar auf die Möglichkeit einer späteren Ausdehnung der Funkortung auf Fürth, Erlangen und Schwabach hin mit einer Schalt- und Überwachungszentrale in Nürnberg.

Entscheidender Durchbruch

Im Rundfunk, der gestern die Meldung über die neue Einrichtung ausstrahlte, hieß es, Nürnberg, besitze nun die modernste Polizei der Welt. Horst Zeitz, designierter Polizeipräsident, nannte die Neueinrichtung einen entsprechenden Durchbruch zur Vervollkommnung der Polizei.

In den jetzt angelaufenen Versuch wurden zehn mit Spezialsendern (jeder kostet 5000 DM) ausgestattete Streifenwagen einbezogen. Sie senden ständig Signale, die von den vier Empfangsstationen im Stadtgebiet aufgefangen und an den Elektronik-Rechner im Keller des Präsidiums weitergegeben werden. In Sekundenschnelle errechnet der Computer den genauen Standort der jeweiligen Fahrzeuge und gibt die Information in Abständen von acht Sekunden an die Schaltzentrale weiter, wo jede Standortänderung der mit den Ziffern 1 bis 10 gekennzeichneten Streifenwagen am Bildschirm abgelesen werden kann.

Welchen Vorteil bietet das kostspielige Ortungssystem gegenüber dem herkömmlichen Sprechfunk? Hier ein Beispiel: am Plärrer wird ein Banküberfall gemeldet. Bisher mußte zuerst von der Zentrale über Funk der Standort aller in diesem Bereich Streife fahrenden Wagen ermittelt werden, bevor die dem Tatort am nächsten befindlichen Fahrzeuge zur Bank beordert werden konnten. Dabei verstrich oft wertvolle Zeit. Künftig aber wird der Beamte in der Zentrale sofort wissen, welches Fahrzeug für den Einsatz. in Frage kommt. Ohne weitere zeitraubende Rückfragen kann der Einsatzbefehl gezielt erfolgen.

Schließlich kann die Notrufleitung, also jeder Anruf über 110, mit dem neuen Monitor gekoppelt werden. In diesem Fall weiß der Beamte in der Zentrale sofort, woher der Notruf über Telefon kommt. An dieser Stelle erscheint nämlich auf dem Bildschirm ein Kreuz. Daneben ist gleichzeitig ersichtlich, welcher Streifenwagen dem Anrufer am nächsten ist.

Und noch eine weitere Neuerung wurde gestern vorgestellt: von der Schaltzentrale aus kann jedes mit einem Peilsender ausgestattete Streifenfahrzeug „abgerufen“ werden. Es wird dann mit Hilfe eines Laserstrahles als Punkt auf einer großen Stadtkarte sichtbar.

Auch davon verspricht sich die Polizei sehr viel bei der Verbrechensbekämpfung. Vor kurzem hatte das Rauschgiftkommissariat Kontakt zu einigen Haschhändlern aufgenommen. Ein Beamter gab sich als Käufer aus, um die Händler in flagranti zu verhaften. Zur Abwicklung des Geschäftes veranlaßten die Gauner den Beamten, mit ihnen in seinem Wagen Nürnberg zu verlassen.

Andere Polizeifahrzeuge, die zur Beschattung eingesetzt waren, wurden abgeschüttelt. Schließlich überwältigten die Händler den Polizeibeamten außerhalb der Stadt, obwohl dieser von seiner Dienstwaffe Gebrauch gemacht hatte. Die Verstärkung kam zu spät, weil die Kollegen des Beamten die Spur verloren hatten. Das kann künftig nicht mehr passieren. Über den Laser-Strahl sind die Beamten in der Zentrale ständig über den genauen Standort ihres Wagens unterrichtet.

Nürnberg ist schon lange durch die beispielhafte technische Ausrüstung der Polizei ein heißes Pflaster für Gesetzesbrecher. Bald aber schwinden ihre Chancen, nach einem Verbrechen unerkannt zu entkommen, auf den Nullpunkt. Der Computer, heute wertvollster Helfer bei der Verbrechensbekämpfung, macht's möglich.

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