14. Januar 1971: Millionen-Beute tauchte in Nürnberg auf

14.1.2021, 07:00 Uhr
14. Januar 1971: Millionen-Beute tauchte in Nürnberg auf

© Polizei

In die Affäre sind bis jetzt fünf Nürnberger Antiquitätenhändler und ein namhafter Industrieller verwickelt, der unter anderem für ein „Butterbrot“ einen 500 Jahre alten Gobelin im Wert von einer Million Mark gekauft haben soll. Seither ist der Wandteppich ebenso verschwunden wie eine wertvolle Monstranz aus Silber und Edelsteinen, ferner eine Holzplastik aus dem 18. Jahrhundert und ein 200 Jahre altes Ölgemälde eines Holländers. Alle diese Kunstgegenstände waren vorübergehend in Nürnberg aufgetaucht.

Das große Geschäft mit gestohlenen Kunstwerken aus der CSSR begann in der Zeit des „Prager Frühlings“ im Jahr 1968, als viele Tschechoslowaken ihre Urlaubsreise in den Westen mit dem Verkauf von Gemälden und Plastiken finanzierten. Aber erst als sich die CSSR-Behörden mit der Bitte um Mitfahndung an die deutsche Polizei wandten, kam vor einigen Monaten der Stein ins Rollen.

Mit der Festnahme von zwei Serien-Einbrechern in Pilsen, führte die Spur vor einigen Monaten erstmals in die Noris. Vladimir C. (33) und Josef O. (23) hatten nach ihrer Verhaftung der tschechoslowakischen Polizei gestanden, mit mehreren Nürnberger Kunsthändlern Geschäfte mit Diebesgut, das in die Millionen geht, gemacht zu haben.

„Den Heiligen Joseph“ dabei

Die Einbrüche reichen zurück in das Jahr 1969: am 18. Juni erbeutete das Duo in der Staatsburg im Loket fünf Ölgemälde und eine Holzplastik aus dem 18. Jahrhundert. („Der hl. Joseph“); in der Nacht zum 27. Oktober im Staatlichen Schloß von Kynzvart, Bezirk Cheb, einen Gobelin aus dem Jahre 1470 im Wert von rund einer Million Mark sowie zwei wertvolle Ölgemälde; am 8. November im Museum Cesky Raj in Turnov eine antike Monstranz aus massivem Silber und mit Edelsteinen besetzt, im Wert von etwa 300 000 DM. Zwei Wochen später verschwanden auf dem gleichen Weg aus dem Museum in Décin sechs Ölgemälde.

Ein Freund von Vladimir C., ein in Selb lebender 24jähriger Emigrant aus der CSSR, half jedesmal, die Beute in die Bundesrepublik zu schaffen und hier an den Mann zu bringen. Bei den polizeilichen Ermittlungen verfing sich zunächst ein Nürnberger Kunsthändler im Netz, der nach den Aussagen von Vladimir C. von ihm zwei Gemälde für 400 DM gekauft und für über 5.000 DM nach München weiterverkauft habe.

Gegen den gleichen Händler läuft bereits ein Verfahren wegen unerlaubter Ausübung seines Berufes: trotz richterlichen Verbots, das Ende dieses Monats abläuft, hatte er Kunstwerke an den ehemaligen DOMA-Gesellschafter Dietrich F. verkauft. Außerdem wird dieser Kunsthändler von Vladimir C. immer wieder als der Mann genannt, der ihm häufig den Verkauf von Einbruchsgut an Interessenten vermittelt habe, so auch den Verkauf des 500 Jahre alten Gobelins für 1.600 DM mit zwei Ölgemälden als Zugabe an besagten Industriellen.

Allerdings führten die Ermittlungen der Kripo in diese Richtung bisher nicht zum Erfolg: der Gobelin und die Gemälde sind von der Bildfläche verschwunden. Die Monstranz im Wert von etwa 500.000 DM hatte Vladimir C. nach eigenen Angaben einer Nürnberger Kunsthändlerin für 1.000 DM verkauft. Sie will die Monstranz mit einer „geringen Verdienstspanne“ an einen Unbekannten weiterverkauft haben.

Formell wurden vom Bundeskriminalamt gegen fünf Händlerinnen und Händler Verfahren wegen Hehlerei eingeleitet, die jedoch ausgehen werden wie das legendäre „Hornberger Schießen“.

Dazu der zuständige Referent beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden: „Die Unkenntnis der meisten Nürnberger Kunsthändler ist erschreckend. Weil sie – wie sie selbst behaupten – kaum etwas oder nichts von der Materie verstehen, kaufen sie bedenkenlos Diebesgut. Wenn sie nach der Schätzung später erkennen, daß es sich um Diebesgut handeln muß, berufen sie sich auf ihre Unkenntnis. Und man kann ihnen letztlich keine strafbare Handlung nachweisen.“

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