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14. November 1971: Charlie Rivel erinnert sich an die Bombennacht

14.11.2021, 07:00 Uhr
14. November 1971: Charlie Rivel erinnert sich an die Bombennacht

© Gerardi

Denn der weltberühmte Clown erlebte Nürnberg in jenen schwarzen Nächten, als ganze Straßen in Schutt und Asche versanken. Und als die Mauthalle brannte, stand Charlie Rivel noch im Clownskostüm, vor dem Flammenberg.

Der große Clown gastierte damals, im März 1943, im Apollo-Theater – dort, wo heute das Hertie-Kaufhaus steht. Abend für Abend gelang es „Akrobat schööön“, die vom Krieg zermürbten Nürnberger für ein paar Stunden ihre Sorgen vergessen zu lassen.

Dann kam der 8. März, der Tag, von dem Fritz Nadler in seinem Buch „Eine Stadt im Schatten Streichers“ schreibt: die alte Noris ist ins Herz getroffen. Charlie Rivel stand am Abend auf der Bühne. Heute schilderte er für die „NN“, was er in jener Bombennacht erlebte:

„Es mag 22 Uhr gewesen sein. Großes Gelächter, das Publikum war in großartiger Stimmung. Mitten in dem Trubel hörte ich Carmen, meine Frau, leise meinen Namen rufen. Sie stand hinter den Kulissen und ich bewegte mich unauffällig auf sie zu, um sie verstehen zu können. ,Fliegeralarm‘, rief sie leise, ,bereite das Publikum vorsichtig darauf vor‘.

Also unterbrach ich meine Show. ,Wißt ihr was‘, sagte ich zu den Gästen, ,möglicherweise kommt jetzt bald ein Fliegeralarm. Laßt uns ruhig in den Keller gehen, und dort spiele ich weiter‘. Man war damals solche Hiobsbotschaften gewöhnt. Die Leute gingen friedlich in den Keller, manche lachten sogar und standen noch ganz unter dem Eindruck dieses Abends. Dann kam plötzlich der Angriff, der Boden bebte, die Leute wurden hin- und hergeworfen. Plötzlich war die Panik da. Ich höre noch die lauten Schreie, Plötzlich war alles voller Rauch, Wir mußten schnellstens aus dem Keller.“

Charlie Rivel erinnerte sich weiter: er sei ins Freie gelangt, als der Bombenalarm vorüber war. Die Mauthalle gegenüber brannte lichterloh. „Die ganze Straße war ein Flammenmeer. Alles, was Hände hatte, half mit, die Verwundeten zu bergen.“ Unter den Menschen war auch Rivel in seinem Clownkostüm. Es sah mehr als makaber aus.

Danach, so Charlie Rivel, gab es drei Tage lang kein Wasser und kein Licht. Am vierten Abend aber stand der Clown wieder auf der Bühne. „Die Leute haben wieder gelacht, alles schien vergessen.“

Diese Erinnerungen klingen unglaublich, aber unglaublich liest sich auch, was damals in den Zeitungen stand. In der Rubrik „Laien fragen, Sachverständige antworten“ wurde damals fast im Plauderstil die Frage behandelt, wie Verschüttete geborgen werden. Charlie Rivel handelte damals wie heute mit Humor. Und ein bißchen Humor war damals eine besonders kostbare Ware.

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