18. Juni 1970: Kripo als Autodiebe

18.6.2020, 07:00 Uhr
18. Juni 1970: Kripo als Autodiebe

© Ranke

In Begleitung von zwei Kriminalbeamten machten wir gestern nachmittag von 15 bis 16 Uhr die Probe aufs Exempel: von rund 100 Personenwagen, die unter die Lupe genommen waren, waren 14 nicht verschlossen, an 24 anderen hatte der Fahrer den Kofferraum nicht verschlossen und bei 16 war es eine Leichtigkeit, durch geöffneten Ausstellfenster Inventar herauszuangeln.

Die erste Überraschung erlebten wir auf dem Polizei-Parkplatz gegenüber dem Präsidium an der Schlotfegergasse: bei einem Wagen stand das linke Fenster weit offen; das Kofferradio in der Halterung und die Wagenpapiere im Handschuhfach warteten nur darauf, mitgenommen zu werden. An einem Kombiwagen war die Hecktür unverschlossen: In einem Wagen lag gut sichtbar auf dem Vordersitz ein Kofferradio, in einem weiteren eine Aktentasche und Papiere. Und alle diese Autos gehören Ordnungshütern, die im Zuge des Vorbeugungsprogrammes die Öffentlichkeit zu mehr Vorsicht mahnen: „Gebt dem Dieb keine Chance.“

Bei den folgenden Stichproben auf dem Parkplatz hinter der Jakobskirche (gegenüber der Feuerwache) stand eine Vielzahl von Kofferraumdeckeln offen. Auf dem Vordersitz eines unverschlossenen Wagens lag eine komplette Fotoausrüstung. Ein anderer Autofahrer hatte sorgsam die Türen versperrt – aber ein Fenster offengelassen.

Von den vielen Passanten, die uns bei dem Test beobachteten, nahm nur einer Anstoß: „Haben Sie eine Berechtigung von der Polizei?“ Die Dienstmarke der Kriminalpolizei überzeugte ihn. Darüber hinaus aber nahmen die meisten Passanten keine Notiz.

Erstaunlich war dennoch, daß die vierköpfige Gruppe – zwei Kripobeamte. ein Reporter und ein Fotograf – ungehindert in das Parkhaus eines Kaufhauses gelangen und es ebenso ungehindert wieder zu Fuß verlassen konnte. Auch in dem Parkhaus waren bei den abgestellten Wagen wieder zahlreiche Kofferräume offen. Türen unverschlossen und Fenster heruntergedreht. In einem der offenen Wagen lag sogar die gefüllte Geldbombe einer Erlanger Bank.

Wenig Aufsehen bei Passanten

Vorletzte Station waren die Parkplätze am Bauhof: zahlreiche unverschlossene Kofferraumdeckel, unter denen sich viel Stehlenswertes befand: von Reservekanistern über Anzüge bis zu teuren Werkzeugkästen. Hier erlegte das Testquartett nur wenig Aufsehen unter den Vorübergehenden, die sich hin und wieder zaghaft erkundigten: „Ist das im Rahmen der .Aufklärung?“ Ein Kopfnicken stellte sie bereits zufrieden. Niemand fragte nach der Identifikation der „Täter“, die leicht hätten echte Ganoven sein können.

Ein Autofahrer glaubte, ihm könne durch das geöffnete Heckfenster (Ausstellfenster) kein Schaden widerfahren. Mit einem Stück Draht gelang es trotzdem, eine auf dem Fondsitz liegende Kamera herauszuangeln. Sie wurde danach wieder zurückgelegt.

Auf dem Parkplatz am Südausgang des Hauptbahnhofes endete die Aktion: wieder offene Kofferräume und unverschlossene Autotüren. Eine echte Diebesgruppe, die ebenso unbekümmert und ungeachtet der Passanten zu Werke gegangen wäre, hätte innerhalb dieser Stunde Beute im Wert von vielen tausend Mark machen können.

Darum: „Halten Sie den Dieb durch mehr Sorgfalt zum Narren!“

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