1980: 13 Tote bei Anschlag auf Oktoberfest

25.9.2010, 15:17 Uhr
1980: 13 Tote bei Anschlag auf Oktoberfest

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Was sich hier liest wie der Bericht vom letzten Bombenanschlag in Kabul, ist in Wahrheit eine Beschreibung aus München: Am Abend des 26. Septembers 1980 riss am Ausgang des Oktoberfests eine Explosion 13 Menschen in den Tod, 219 wurden zum Teil schwer verletzt. Um 22.19 Uhr war in einem Papierkorb ein Sprengsatz explodiert. Selbst in mehreren Kilometer entfernten Stadtteilen war die Wucht der Detonation noch spürbar. Die meisten Wiesn-Besuchern wussten dagegen nicht was geschehen war. Der Anschlagsort wurde abgeriegelt und es gab keinerlei Informationen, um eine Massenpanik zu vermeiden.

Unmittelbar nach dem Attentat begann die Suche nach den Schuldigen. Für Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß waren diese in Gestalt von linksextremen Terroristen schnell gefunden. Der CSU-Chef nutzte sogleich die Gelegenheit, dem politischen Gegner in Person von Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) schwere Versäumnisse vorzuwerfen und ihm durch seine angebliche „Verharmlosung des Terrorismus“ zudem eine Mitschuld an dem Anschlag zu geben. Strauß musste aber schon bald zurückrudern, als klar wurde, dass diesmal weder die RAF noch eine andere linke Gruppierung ihre Finger im Spiel hatten.

Stattdessen wurde Gundolf Köhler, ein 21 Jahre alter Geologiestudent aus Donaueschingen, der bei dem Anschlag ebenfalls ums Leben kam, als Attentäter ausgemacht. Ihm konnten Beziehungen zur rechtsradikalen Wehrsportgruppe (WSG) Hoffmann aus Nürnberg nachgewiesen werden. Bereits am Tag nach dem Anschlag wurden deren „Anführer“ Karl-Heinz Hoffmann sowie mehrere Mitglieder festgenommen, aber bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Nach kurzen Ermittlungen kamen die Behörden zu dem Ergebnis, der Anschlag sei die Tat eines „sexuell frustrierten, verwirrten“ Einzeltäters gewesen.

Allerdings wurden schnell Zweifel an dem offiziellen Untersuchungsergebnis laut, da zu viele Fragen unbeantwortet blieben. So soll Köhler unmittelbar vor dem Anschlag in Begleitung von zwei Männern in Parkas gesehen worden sein. Mehrere Zeugen bestätigten unabhängig voneinander die Flucht einer Person kurz vor dem Anschlag. Und wie ist die Aussage eines Unbekannten, der kurz nach den dramatischen Ereignissen in der Nähe des Tatorts herumirrte („Ich wollt’s nicht. Ich kann nichts dafür, bringt’s mich um.“), sowie der verschwundene Koffer, den der Attentäter nachweislich bei sich trug, zu bewerten? Laut Aussage des Journalisten und Schriftstellers Ulrich Chaussy passten zudem sowohl der verwendete Zünder wie auch der Sprengstoff nicht zur Einzeltäter-Theorie. Außerdem habe Köhler kurz vor der Tat einen Bausparvertrag abgeschlossen, was für einen Selbstmord-Attentäter doch reichlich sinnlos gewesen wäre.

Das populärste Gerücht über das schnelle Ende der Ermittlungen war, dass politische Gründe eine Rolle spielten. Der Anschlag ereignete sich neun Tage vor der Bundestagswahl. Kanzlerkandidat Strauß lag mit der CDU/CSU in den Umfragen weit hinter Helmut Schmidt und seiner sozialliberalen Koalition. Wohl auch deswegen versuchte der CSU-Vorsitzende, das Attentat für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. Seine Taktik, der Bundesregierung Versagen im Hinblick auf den linken Terror vor zu werfen, ging freilich nicht auf. Die Regierung in Bonn drehte sogar den Spieß um und warf ihm vor, auf dem rechten Auge blind zu sein. Sollte deshalb die Katastrophe schnell ad acta gelegt werden?

Wahre Fundgrube

Der Anschlag erweist sich bis heute als wahre Fundgrube für Verschwörungstheoretiker. Von militärischen Geheimkommandos wie der „Gladio“, einer paramilitärischen Organisation von CIA und Nato, ist die Rede. Auch wollen Gerüchte nicht verstummen, das Attentat würde mit dem Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna im gleichen Jahr in Verbindung stehen. Bewiesen wurde bis heute nichts, zumal 1997 auf Anordnung des zuständigen Staatsanwaltes sämtliche Beweismittel vernichtet wurden.

Doch erst vor wenigen Wochen sind neue Dokumente aus einem Nachlass wieder aufgetaucht. Angeblich soll einer der Hauptzeugen ein Spitzel des Verfassungsschutzes und aktiver Rechtsextremist gewesen sein. Die Akte „Wies’n-Attentat“ kann vermutlich noch lange nicht geschlossen werden.

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