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28. November 1971: 1000 Wracks auf den Straßen

28.11.2021, 07:00 Uhr
28. November 1971: 1000 Wracks auf den Straßen

© Hans Kammler

Waren es im Jahre 1969 „nur“ 120 Wracks, die von Amts wegen oder nach amtlicher Aufforderung vom Halter beiseite geräumt wurden, so kletterte die Zahl im vergangenen Jahr schon auf 413. Heuer werden es voraussichtlich 1000 Fahrzeuge sein. Dabei macht sich das dafür zuständige Tiefbauamt keine Illusionen: die „Dunkelziffer“ der unbekannten Fälle dürfte noch weitaus höher liegen. Dennoch muß auch künftig meist ein langwieriges Verfahren abgeschlossen sein, bis ein ausrangiertes Auto für herrenlos erklärt und verschrottet werden kann. Eine andere Lösung, die Zeit und Personal spart, weiß Dr. Richard Sauber auch nicht.

Leichter tut sich die Stadt, wenn der Halter eines langsam verrottenden und von Altmaterialsammlern halb demontierten Wagens nicht mehr ermittelt werden kann. „Das Auto ist so verhaut, daß den Karren keiner mehr haben will“: gilt dieses Gutachten, dann eignet sich die Stadt das Fahrzeug als herrenlose Sache kurzerhand an und läßt es verschrotten. Der gleichen Methode bedient sich die Stadt auch dann, wenn zwar der Halter ermittelt werden konnte, der Ertappte jedoch sämtliche Fristen und Termine unbeachtet ließ. „Dann kann er hinterher nicht mehr zu uns kommen und sein Eigentum verlangen“, erklärte Dr. Sauber, dessen Referat mit einer Schrottfirma vertragliche Vereinbarungen eingegangen ist. Das Unternehmen entfernt kostenlos, aber auch ohne Kaufpreis, die Vehikel.

Nach weiteren Firmen sucht das Tiefbauamt noch. Den Autos, die noch fahrbereit sind, wird dagegen noch eine kurze Schonzeit eingeräumt. Sie rosten nebeneinander auf einem Platz an der Uhlandstraße und werden, meldet sich der Halter nicht innerhalb eines halben bis eines Jahres, an den Meistbietenden versteigert. Allerdings ist die Kapazität des Platzes nicht groß. Er bietet außerdem wenig Sicherheit, denn nachts wurden bereits mehrere Wagen aufgebrochen und Teile davon abmontiert. Die Stadt erwägt deshalb, einen Teil des Innenhofes vom Kongreßhallen-Torso dafür zu verwenden. Denn die Polizei möchte dort einen eingezäunten Abstellplatz für sichergestellte Fahrzeuge einrichten und hat sich damit einverstanden erklärt, rund 30 Stellplätze an das Tiefbauamt abzutreten.

Wer allerdings von dort seinen Wagen wieder herausholen will, muß mindestens die Abschleppkosten zwischen 40 und 70 DM ersetzen. Um der Unsitte, den alten Wagen einfach seinem Schicksal zu überlassen, halbwegs entgegenzutreten, bekommen künftig die Halter bei der Abmeldung ihres Fahrzeugs bei der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle ein Merkblatt in die Hand gedrückt. Es macht die Bürger darauf aufmerksam, daß das Abstellen stillgelegter Wagen als Ordnungswidrigkeit mit Verwarnungsgebühren und Bußgeldern geahndet wird und schließlich die Dienste der Schrottfirmen zur Verfügung stehen. Das kommt am Ende immer noch billiger. Denn die Geldbuße gegen säumige Fahrzeughalter beträgt in der Regel bis zu 100 DM und kann notfalls durch das Amtsgericht beigetrieben werden.

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