29. Juli 1967: Kunst an historischen Stätten

29.7.2017, 07:00 Uhr
29. Juli 1967: Kunst an historischen Stätten

© Gerardi

Zufrieden sind auch die Veranstalter im Schul- und Kulturreferat der Stadt Nürnberg. Der Beifall der vielen Zuschauer aus Nah und Fern ermutigt sie, ihre Pläne bis zum verpflichtenden Dürer-Jahr 1972 mit künstlerischen Elan und werbe-wirksamen Methoden zu verwirklichen: dem großen Vorbild des „Prager Frühlings“ soll zukünftig ein ebenso schöner „Nürnberger Sommer“ folgen.

Nürnberg, einer der am stärksten von Bomben zerstörten deutschen Städte, war dennoch nach dem Krieg in einer vergleichsweise glücklichen Lage: seine historischen Gebäude waren nicht in Schutt und Asche gesunken, in den meisten Fällen blieben wenigstens die Fassaden erhalten. Hinter den alten Mauern konnte liebevoll und kunstsachverständig wieder aufgebaut werden.

29. Juli 1967: Kunst an historischen Stätten

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Man mag über viele Restaurationsarbeiten geteilter Meinung sein; doch die Atmosphäre einer gotischen Hallenkirche, der heitere Glanz eines Barockgärtleins, die würdevolle Strenge der Rathaus-Innenhöfe oder der Doppelkapelle auf der Kaiserburg – sie wirken noch heute auf den Besucher. Die Veranstalter des kulturellen Sommerprogramms, das vom Schul- und Kulturreferat ins Leben gerufen worden ist und von mancherlei Organisationen und Institutionen unterstützt, gefördert, geleitet und betreut wird, waren gut beraten, als sie profane und sakrale Räume als Kulisse und Mitspieler mit einbezogen.

„Das ist Nürnberg“

„Die Veranstaltungsreihe ,Kunst an historischen Stättenʻ will den Hinweis ,Das ist Nürnbergʻ (der auf einer der ältesten Ansichten von Stadt und Burg geschrieben steht) in die vielseitige Sprache der Künste um- und übersetzen. Große Bauten, die das Inferno des Krieges überdauerten, sollen mit dem Geist alter und zeitgenössischer Kultur erfüllt werden. Deshalb ist die Auswahl der Werke, die aufgeführt werden, weder zeitlich noch geographisch beschränkt: Neues steht neben Überkommenem, Fremdes neben Heimischem – wenn man will, ein Symbol für den Geist, dem sich das moderne Nürnberg verpflichtet fühlt.“ So formuliert es Nürnbergs Schul- und Kulturreferent Dr. Hermann Glaser.

29. Juli 1967: Kunst an historischen Stätten

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Er ist stolz darauf, daß unter den vielen reizvollen alten Städten als einzige Nürnberg sich dies ansprechende und anspruchsvolle Programm leisten kann: „In München fehlt einfach der Raum dafür.“ Und dabei glaubt man noch nicht am Ende zu sein; eine kleine Kommission will im August auf einer Stadtrundreise sich nach weiteren Möglichkeiten umsehen. Auch den Darbietungen selber sind noch keine Grenzen gesetzt: „Wir wünschen uns Singspiele für den Kreuzigungshof des Heilig-Geist-Spitals, wobei wir uns über ,Ausgrabungenʻ am meisten freuen würden, wir möchten für intime Räume mehr Solisten verpflichten und für die großen Innenhöfe stattdessen Ensembles, auch Schauspielgruppen „

Ein vielfaches Echo

Dr. Glaser, im Umgang mit fränkischem Kunst-Publikum nicht eben unerfahren, erlebte bei seinen vielen Aufführungsbesuchen nicht selten Überraschungen: „Daß die Hans-Sachs-Spiele Anklang und Zulauf finden würden, hatten wir erwartet – aber daß die Musik des Mittelalters und der Renaissance im Rittersaal der Kaiserburg ein solcher Erfolg werden würde, daß die ,Musik für Laute und Gitarre aus fünf Jahrhundertenʻ in der Ehrenhalle des Wollf‘schen Rathauses einen förmlichen Besucherstrom erleben sollte – das hatte niemand sich vorgestellt!“

Dr. Glaser schiebt den Publikumsandrang (sicherlich mit Recht) auf den langen, warmen Sommer mit seinen vielen schönen Abenden, auf die beachtenswert niedrigen Eintrittspreise (im Durchschnitt zahlt man für eine Karte 3 DM) und ein sehr vielfältiges, bunt gemischtes Programm, das Ernstes und Heiteres, „Schweres und Leichtes“ gleichermaßen umfaßt und deshalb ein vielfaches Echo findet.

Daß es gelegentlich Pannen oder Enttäuschungen geben würde, war allen von vornherein klar – noch hatte man die Räume nicht genügend auf ihre Tauglichkeit für kulturelle Veranstaltungen hin prüfen können. So ging beispielsweise die zarte Lautenmusik in der Halle des Wolffschen Rathauses gelegentlich im Lärm der vielbefahrenen Straße vor dem Haus unter. „Wir lernen noch“, entschuldigt sich Dr. Glaser, „im nächsten Sommer werden wir in diese Halle keinen Solisten bitten, sondern ein lautstarkes Orchester einladen!“

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