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30. November 1971: Jeder dritte Bürger ist bereit, den Wagen stehen zu lassen

30.11.2021, 07:00 Uhr
30. November 1971: Jeder dritte Bürger ist bereit, den Wagen stehen zu lassen

© N.N:

Den Vorrang gibt die Bevölkerung dabei der U- und S-Bahn; dem Bus als Nahverkehrsmittel wird nur noch geringe Attraktivität zugebilligt; ein weiterer Ausbau dieses Systems wird von allen Verkehrsmaßnahmen für am wenigsten dringend gehalten. Das ist das Ergebnis einer Repräsentativ-Umfrage im Rahmen des Nürnberg-Planes. Diese im Sommer gestartete Befragung von 2427 Personen und 160 meinungsbildenden Persönlichkeiten basierte, wie mehrfach berichtet, auf der Erkenntnis, daß die Wünsche der Bevölkerung in die Zukunftspläne der Stadt einbezogen werden müssen. Der Trend „Weg vom Auto“ – immerhin 35 Prozent der meinungsbildenden Persönlichkeiten wollen den Individualverkehr aus Verdichtungsräumen verdrängt sehen – setzt sich bei der Frage nach Fußgängerstraßen in der Innenstadt fort: 70 Prozent sprachen sich dafür aus, weitere Straßen dem Autoverkehr zu entziehen.

Bei der Auswertung der Umfrage-Ergebnisse stellte sich heraus: je jünger die Befragten, um so weniger sind sie bereit, auf das Auto zugunsten einer fußgängerfreundlicheren Innenstadt zu verzichten – wenngleich auch in der jüngsten Altersgruppe die Anhänger weiterer Fußgängerzonen noch überwiegen. Mit mindestens 80prozentiger Mehrheit fordern die Nürnberger innerhalb der nächsten zehn Jahre den Zusammenschluß ihrer Stadt mit Fürth und Erlangen zu einer nordbayerischen Regionalstadt, eine Verflechtung dieser Städte nach dem Muster des Großraumverbandes Hannover, die Bildung einer großen Bezirksregierung Frankens mit Sitz in Nürnberg und eine expansive Eingemeindungspolitik. Bei der Entwicklung einer Strategie, nach der das zukünftige Nürnberg geschaffen werden soll, ist es dann allerdings mit der Eintracht aus: hier stehen sich die Gartenstadt-Idee („Wohnen im Grünen“) und der Gedanke urbaner Verdichtung nahezu gleichwertig gegenüber. Dabei sind es erwartungsgemäß die älteren Jahrgänge, die das ruhigere Leben im Grünen der verdichteten Bauweise vorziehen.

Wandertrieb macht Sorge

Einigkeit herrscht dann wieder in der Frage, wie das Entwicklungsmodell in die Praxis umgesetzt werden kann. Der Gesamtplanung wird ganz eindeutig der Vorzug gegeben gegenüber der Privatinitiative des einzelnen im Rahmen der Marktwirtschaft. Sorge bereitet der Stadt der Wandertrieb ihrer Bürger: 30 479 Wegzüge wurden im Jahr 1970 registriert. Dennoch konnte erstmals seit 1964 und trotz einer jährlichen Erhöhung des Wohnungsbestandes um 3500 Wohneinheiten wieder ein geringer Zuwachs der deutschen Bevölkerung Nürnbergs erzielt werden. Bis dahin hatte ihr Anteil von Jahr zu Jahr abgenommen. Mit solchen Tendenzen verknüpft ist das Image einer Stadt. Wenn von den seit 1969 Zugezogenen nur 47 Prozent gern in Nürnberg wohnen, so muß dieses Image aufpoliert werden. Beispielsweise dadurch, daß die monumentalen Bauwerke und Anlagen aus der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft intensiv und zeitgemäß genutzt werden. Dafür sprachen sich immerhin 79 Prozent der Befragten aus, während eine Minderheit (14 Prozent) sie als Denkmale erhalten sehen möchte und nur ganz wenige es für richtig halten, die Bauwerke unter allen Umständen – also auch mit hohem Kostenaufwand – zu beseitigen.

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