365-Euro-Ticket für Schüler: Nicht für jeden wird es billiger

28.7.2020, 16:43 Uhr
Viele Schülerinnen und Schüler nutzen den öffentlichen Verkehr um zum Unterricht zu kommen.

© picture alliance/dpa Viele Schülerinnen und Schüler nutzen den öffentlichen Verkehr um zum Unterricht zu kommen.

In Sachen Schulweg-Kosten existiert in Nürnberg – wie überall in Bayern – eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft. Wer die fünfte bis zehnte Klasse besucht und im Stadtgebiet weiter als drei Kilometer von der Schule entfernt wohnt, bekommt das ÖPNV-Ticket für das Stadtgebiet – mit Ausnahme des Ferienmonats August – kostenlos. Grundschüler werden bereits ab zwei Kilometern Entfernung zwischen Wohnung und Schule bedacht.

In einigen Sondersituationen fällt die Entfernungsregelung sogar weg: Etwa weil ein Kind aus wichtigem Grund nicht in die wohnortnahe Grundschule geht oder weil es eine spezielle Förderung an einer bestimmten Schule benötigt. Oder weil der Schulweg aus Verkehrsgründen gefährlich ist. Alle anderen Schüler/innen mussten sich bislang normale Fahrkarten kaufen oder zur Schule laufen beziehungsweise radeln.


Das 365-Euro-Ticket kommt – aber die Gesamtkosten sind gewaltig


In der Vergangenheit war dies ein nicht ganz günstiger Spaß, zumal für Familien mit mehreren Schulkindern: Das reguläre Monatsticket für Schüler und Azubis kostet aktuell 60,50 Euro für das Stadtgebiet; in den zurückliegenden Jahren lag der Preis nicht wesentlich darunter. So manches Schulkind musste deshalb früher darauf verzichten, mit dem ÖPNV zur Schule zu kommen.

Auch deshalb führte die Stadt im Januar 2016 ein bezuschusstes Schülerticket für Vollzeit-Schüler ein – in enger Abstimmung mit ihrer Nahverkehrs-Tochter VAG, versteht sich. Schüler/innen der fünften bis zehnten Klasse, die keine kostenlose Fahrkarte bekommen, konnten seither das Monatsticket für 27,50 Euro kaufen, Schüler der Jahrgangsstufen elf bis 13 zahlten 37,50 Euro.

Nicht mehr notwendig

Ziel der Stadt war es, möglichst viele junge Menschen an den Öffentlichen Nahverkehr heranzuführen, sagt Jürgen Naesert, Verwaltungsleiter im städtischen Schulreferat. Mit der Einführung der 365-Euro-Schülerkarte fällt das vergünstigte Monatsticket nun weg, denn es ist nicht mehr notwendig.

Genau hier setzt die Kritik von NZ-Leser Jochen K. an. Bislang musste er pro Jahr zehn Monatstickets zu je 27,50 Euro kaufen, damit seine Tochter die etwa 5,5 Kilometer zur Schule überbrücken konnte: Im Ferienmonat August sei keine Fahrkarte nötig, und mit einer geschickten Kaufstrategie habe er ein weiteres Monatsticket einsparen können, sagt er. Mit der 365-Euro-Schülerkarte steigen die jährlichen Kosten nun um bis zu 89 Euro, so Jochen K., der hinter der Umstellung eine "versteckte Preiserhöhung" mutmaßt.

Tatsächlich kommen auf einen Teil der Schüler/innen etwas höhere Kosten zu, bestätigt auch VAG-Sprecherin Elisabeth Seitzinger. Doch für die 2,50 Euro mehr im Monat bekommen alle Betroffenen ganz erhebliche Zusatzleistungen. Denn im Gegensatz zur bisherigen Schüler-Monatskarte gilt das neue 365-Euro-Ticket künftig verbundweit und auch während der Sommerferien.

Und Schulklassen, die künftig ihre Schulausflüge mit Bus und Bahn unternähmen, würden hier dann auch noch die Reisekosten sparen. Nicht zuletzt gibt es bei der 365-Euro-Fahrkarte keine Altersbeschränkung, und die bisherige Entfernungsregelung von zwei beziehungsweise drei Kilometern fällt ebenfalls weg.

Kreis der Bezuschussten wächst gewaltig

Auch aus Sicht der Stadt bringt das 365-Euro-Ticket weitaus überwiegend Vorteile. Zum einen übernimmt der Freistaat zwei Drittel der Kosten, sagt Verwaltungschef Naesert. Daher bleibt es vorerst bei den bis zu knapp drei Millionen Euro jährlich, die der Kämmerer bislang für die vergünstigte Schüler-Monatskarte locker machen musste.

Gleichzeitig wächst der Kreis derer gewaltig, die von dem neuen 365-Euro-Ticket profitieren können: Während bislang zu 8000 die bezuschusste Schülerkarte nutzten, dürfen ab August bis zu 60.000 Nürnberger Pennäler den ÖPNV im gesamten Verkehrsverbund zu Schüler-Konditionen nutzen.

Nicht zuletzt gilt in Nürnberg bei der Bezahlung eine Sonderregelung: Schüler, die eine Berufsschule oder eine allgemeinbildenden Schule im Stadtgebiet besuchen, können das 365-Euro-Ticket künftig in Monatsbeträgen bezahlen und benötigen auch keinen VGN-Verbundpass. Alle anderen Schüler im Verbundbereich müssen die 365 Euro für die Schülerjahreskarte in einem Betrag vorab überweisen.

Und wer lieber zur Schule radelt und nur bei eisiger Kälte und/oder Schnee auf den ÖPNV umsteigen will? Für solche Schüler und Azubis gibt es weiterhin die bisherigen Zeitkarten – für 60,50 im Monat oder 20,70 in der Woche. Womit man unter dem Strich günstiger fährt, ist dann lediglich ein Rechenexempel.

Verwandte Themen


2 Kommentare