5. Mai 1971: Kämpferische Pose und viel Polemik

5.5.2021, 07:00 Uhr
5. Mai 1971: Kämpferische Pose und viel Polemik

© Contino

„Kampf der herrschenden Klasse“ hieß die Losung des Tages, zu deren Auftakt der DGB die „Internationale“ (Völker hört die Signale, auf zum Letzten Gefecht ...) intonieren ließ.

Theatralisch inszeniert waren der Prolog „Auf uns kommt es an ...“ und fünf Industriereportagen, die fünf Künstler der Städtischen Bühnen Nürnberg – für einen angemessenen Unkostenbeitrag“, hieß es, – abwechselnd von verschiedenen Plattformen eines Stahlrohr-Baugerüstes in der Halle erklingen ließen. „Die Unternehmer sollten jeden Tag dankeschön sagen, weil wir, die Arbeiterklasse, sie gewähren lassen“, „Beschäftigungspflicht zugunsten der älteren Arbeiter und Angestellten“, „Streikrecht für Lehrlinge“, lauteten einige der Parolen.

5. Mai 1971: Kämpferische Pose und viel Polemik

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Paul Schallück, Schriftsteller aus Köln, nahm zur Frage Stellung: „Wie mündig ist unsere Gesellschaft?“ Nach der Solidarisierung der Arbeiterklasse gegen den Widerstand der Besetzenden habe der Arbeiter auch heute noch nicht die Möglichkeit, über sich selbst oder einen Großteil seines Lebens auch nur mitzubestimmen.

Der Schriftsteller sprach von einem geistigen Elend der arbeitenden Klasse. „Jeder wird in eine Klassenstruktur hineingeboren, ob besitzend oder besitzlos“. Das habe auch unterschiedliche Startmöglichkeiten zur Folge. Dabei seien Kinder von Arbeitern keineswegs weniger begabt, als andere. Dennoch wirke sich die Herkunft maßgeblich auf die Entwicklungschancen aus. Eine Ungleichheit der Bildungschancen, auch der Fortbildung, wie sie heute im Beruf unerläßlich sei, könne nicht länger hingenommen werden.

70 Prozent aller Jugendlichen in der Bundesrepublik haben – so Schallück – nur die Berufsschule als einzige Möglichkeit einer „außerdem noch miesen“ Fortbildung. Das gegenwärtige Schulsystem nannte er eine schmutzige Sackgasse, aus der sich die Reservearmee des Kapitalismus rekrutiere, die vorsätzlich verdummt werde.

Erschreckend sei auch die Tatsache, daß heute bis zu 70 Prozent der Lehrlinge berufsfremd eingesetzt werden. Die Folge: ihre Ausbeutung als billige Hilfskräfte. Auch dieser Umstand liege nicht zuletzt in einer mangelhaften Schulausbildung begründet, die immer neue Untertanen produzieren wolle. „In der Bundesrepublik haben wir ein System der perfekten Unterdrückung des Arbeiters, der anfällig für alle politisch-demagogischen Parolen ist.“

Eine Münchener Singgruppe unterstrich anschließend in musikalischen Vorträgen die Forderung der Arbeiterklasse. Die Kernsätze aus ihrem Repertoire: „Lehrlinge zusammenhalten und protestieren“ – „Lenin, das ist unsere Sache – den müßt Ihr studieren“ – „Strauß und seine Basis und die Neonazis sind Bayerns größte Pracht'“.

Horst Klaus von der IG Metall in Frankfurt kritisierte das zunehmende Vermögen der Herrschenden, das sich um 140mal mehr entwickelt habe, als das Vermögen der Arbeitenden, „mit dem die Herrschenden gerade ihre Hundesteuer bezahlen können“.

Die Gegner solcher Forderungen befänden sich allein in den Reihen der Unternehmer, weil sie ihren Interessen zuwiderlaufen und ihren Herrschaftsbereich einschränken würden. Doch mit dem millionenfachen Willen und der Kampfbereitschaft der Gewerkschaften, ihrer Funktionäre und Mitglieder sei dieses Endziel zu erreichen. Horst Klaus unterstrich seine Forderungen mit einem Zitat von Bert Brecht: „Zorn und Unzufriedenheit genügen nicht.“

Bei Tarifverhandlungen unterscheiden letztlich nur der mobilisierte Druck und der organisierte Kampf der Massen gegen den Unternehmer. Nach einem Lied der Arbeiterjugend stimmten die Teilnehmer in den Schlußchor ein: „Brüder, zur Sonne zur Freiheit …“

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