6. Februar 1971: Beppi greinte dem Luftballon nach

6.2.2021, 08:04 Uhr
6. Februar 1971: Beppi greinte dem Luftballon nach

© Ulrich

Es gab kein kaltes Büfett, aber Bonbons. Und statt gesetzter Reden gellendes Kindergeschrei. Der Hauptmarkt wurde gestern Nachmittag zur Spielwiese. Von der turbulenten Aktion hier einige Beobachtungen.

Am originellen Trödel- und Tauschmarkt für altes Spielzeug herrschte ein Gedränge und lautstarkes Gefeilsche, wilder als in der Frankfurter Börse. „Ein Hubschrauber gegen ein Auto“ lautete einer der von uns aufgefangenen Sprachfetzen. Der Stoffhund mit nur einem Glasauge und eine Puppe mit ausgerissenem Arm wechselten ihren Besitzer.

Tausend bunte Luftballons stiegen auf. Darunter auch der des vierjährigen Beppi. Alles jubelte, alles lachte. Beppi greinte; sein Luftballon schwebt jetzt irgendwo unter dem weißblauen Himmel.

Vor dem Eingang des Rathauses bauten Kinder aus zahlreichen Pappkartons eine Pyramide. Welch friedliches Bild! Da plötzlich warfen sich Buben auf den Berg aus Pappe, Schachteln fliegen in die Luft, Kinder schlagen sich Kartonage um die Ohren. Und lachen! Was für ein Spaß! Die Fetzen fliegen. Aufgestaute Aggression wird frei. Kinder toben sich aus.

Werbechef Herbert Geiger stellte seinen gepflegten Personenwagen – tipp-topp in Schuß – auf den Hauptmarkt. Und Eimer mit Farbe daneben. Nun suchten sich die Kinder ausgerechnet Deutschlands liebstes Wirtschaftswunderkind, das Auto, aus. Sie schmierten und schmierten nach Herzenslust. Sie malten die Windschutzscheibe zu, alle Türen und Fenster und die Motorhaube. Dann gaben sie dem Dach einen neuen Anstrich. Spät am Abend ließ Geiger seinen Wagen waschen und fuhr nach Neumarkt nach Hause.

Die Verantwortlichen, das Kunstpädagogische Zentrum, das Schulamt und das Nürnberg-Kolleg, hatten sich für das Spielzeugmuseum einen besonderen Werbegag einfallen lassen. Sie schickten bunt verkleidete Kinder in grell-bemaltem Bus und Trambahn durch die Stadtteile. An jeder Haltestelle verteilten die Kinder Flugblätter: „Spielzeugmuseum, dou gemma fei hi, des wärd si ogschaut.“

In einem Ring aus Straßensperrteilen boxten die Buben mit durch Schaumstoffbandagen dickgepolsterten Fäusten. Der kleine Ulf verlor. Mit Tränen in den Augen wickelte er das Himbeerbonbon (Trostpreis) aus. Zwar flossen auch Tränen. Aber die meisten Kinder waren glücklich. Nur die Marktfrauen nicht. „Da geht ja kei G‘schäft mehr.“ Aber einmal drückten auch sie ein Auge zu.

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