Als Zietsch und Co. das Fanblut zum Kochen brachten
05.04.2013, 00:00 Uhr
Das bis dato letzte Aufeinandertreffen mit dem FSV Mainz im Nürnberger Stadion fand am achten Spieltag der Saison 2011/12 statt. Nach 20 Minuten strahlte nicht nur die fränkische Herbstsonne, sondern noch viel mehr die Clubfans, da Markus Feulner und Robert Mak den Club mit 2:0 in Führung geschossen hatten.
Als die Videowand die 52. Minute anzeigte, waren die Mienen im rot-schwarzen Lager längst verfinstert. Mainz hatte mit drei Treffern eine eindrucksvolle Antwort parat. Die Zeichen standen auf Heimniederlage. Eine slowakisch-tschechische Co-Produktion zwischen Mak und Mittelstürmer Tomas Pekhart sorgte für den etwas versöhnlichen 3:3-Endstand, der aufgrund der frühen Führung aber keinen im FCN-Umfeld so recht zufriedenzustellen vermochte.
Richtungsweisend war das zum „Kampf um Europa“ hochstilisierte Spiel im April 2011. Die Marschroute des Clubs war eindeutig: Mit einem Sieg vor heimischem Publikum sollte Mainz von Platz fünf verdrängt werden, um die formidable Saison mit der Qualifikation für das internationale Geschäft zu krönen.
Zwingende Offensivaktionen blieben allerdings rar. Nürnbergs Edeltechniker Ekici verzweifelte am Aluminium, nicht das erste Mal im Spieljahr 2010/11. Der Club war offensiv zwar bemüht, aber eben nicht durchschlagskräftig. In der Rückrunde 2009/10 hatten die Clubfans zuletzt Gelegenheit einen Sieg über die 05er zu bejubeln. Eine dominante erste Halbzeit genügte Anfang April 2010, um durch ein 2:0 drei Punkte im Kampf gegen den Abstieg zu holen.
Keine 180 Sekunden nachdem die damalige Bayern-Leihgabe Andreas Ottl in einer turbulenten Anfangsphase die Kugel ein erstes Mal an den Pfosten befördert hatte — insgesamt sollte der Ball noch weitere drei Mal mit dem Torgestänge der Gäste Bekanntschaft machen —, sah auf der Gegenseite Ivanschitz nach einer versuchten Tätlichkeit die Rote Karte.
Nach dem damals frühesten Platzverweis der Bundesliga-Geschichte kamen die Nürnberger offensiv richtig auf Touren und Frantz traf zum 1:0. Rund fünf Minuten vor der Pause erhöhte Choupo-Moting — übrigens derzeit in Mainzer Diensten — auf 2:0. Die Vorarbeit zu beiden Treffern leistete mit Marcel Risse ebenfalls ein aktueller Mainzer. In der Spielzeit 2005/2006, die der Club drei Plätze vor den Nullfünfern auf Rang acht beendete, feierte der FCN einen 3:0-Heimsieg und gleichzeitig eine formidable Revanche: Denn in der Hinrunde waren die Nürnberger in Mainz 1:4 unter die Räder gekommen, die Klatsche hatte Trainer Wolfgang Wolf den Job beim damaligen Tabellenletzten gekostet.
Doch bis zum Wiedersehen in der Rückrunde kam der Club wieder auf die Beine. Unter der Regie von Hans Meyer fuhr der FCN am 1. April 2006 seinen vierten Heimsieg in Serie ein und befreite sich Stück für Stück aus dem Tabellenkeller. Übrigens: Ein gewisser Jürgen Klopp musste sich aus der Coachingzone heraus die herbe Niederlage seiner Mainzer ansehen.
In der zweiten Liga trafen die Kontrahenten weitaus häufiger aufeinander. So zum Beispiel in der Saison 2000/01, als sich der FCN zu seinem 101. Vereinsgeburtstag mit dem vorzeitigen Aufstieg am 32. Spieltag gegen die Mainzer beschenkte.
Beim 1:0-Heimsieg, der den Fahrstuhlknopf nach oben drückte, avancierte Routinier Bernd Hobsch zum umjubelten Helden. Der kurz zuvor von Klaus Augenthaler eingewechselte Angreifer erzielte bei seinem erst vierten Kurzeinsatz in dieser Spielzeit seinen ersten Saisontreffer im Club-Trikot. Zumindest das Ende der Spielzeit 2000/01 taugte als Balsam auf Hobschs Angreiferseele.
Dauerreservist, Fehleinkauf, Transferflop waren die wenig schmeichelhaften Beschreibungen, welche man Hobsch zugedachte. In der 82. Minute jener Partie zeigte der einmalige Nationalspieler ein anderes Gesicht: Nach Zuspiel von Stoilov ließ der bullige Stürmer die Mainzer Skrinjar und Neustädter stehen und hämmerte das Leder humorlos in den Winkel — das Frankenstadion erlebte eine Explosion der Gefühle, der Club war wieder oben.
Die Gefühle kochten auch am 6. April 1996 hoch, jedoch war der Gemütszustand der Nürnberger Fangemeinde weit weniger euphorisch. In der damaligen Zweitligasaison spielte der FCN unter dem Damoklesschwert von sechs abgezogenen Punkten wegen vorheriger Lizenzverstöße.
Die Mannschaft von „Tiger“ Hermann Gerland war in dieser Spielzeit besonders zum Siegen verdammt. Da traf es sich vermeintlich gut, dass an jenem Sonntag mit den Mainzern der Tabellenletzte im Frankenstadion seine Aufwartung machte. 1:1 stand es in der 81. Minute, als der Mainzer Torwart Dimo Wache wegen einer Tätlichkeit vom Feld geschickt wurde. Fünf Minuten vorher ging schon Torsten Lieberknecht unfreiwillig duschen, auch er sah die Rote Karte.
Da Mainz bereits vor der Hinausstellung seines Torwarts dreimal gewechselt hatte, streifte sich Feldspieler Uwe Stöver die Handschuhe über. Doch anstatt aus allen Rohren zu feuern und die drei Punkte in der Noris zu behalten, sah FCN-Kämpferherz Rainer Zietsch Gelb-Rot und Sven Demandt brachte mit seinem Siegtor für die Mainzer drei Minuten vor Spielende das fränkische Fanblut zum Wallen.
„Wir haben uns doof angestellt“
Im Stadion hagelte es Schimpftiraden, am Ausgang suchten aufgebrachte Anhänger das Gespräch, und in der Münchner Straße gingen FCN-Fahnen in Flammen auf. Rainer Zietsch hat das Spiel versucht zu verdrängen, dennoch gibt er zu: „Ich kann mich nicht an jede Niederlage erinnern, aber an diese schon, da wir uns damals wirklich doof angestellt haben.“ Im Hinblick auf die generell verkorkste Saison meint Zietsch: „Das Spiel gegen Mainz war die Krönung dieser Saison und sicherlich auch ein Nackenschlag“.
Da mutet es doch mehr als erfreulich an, dass der Club am Sonntag dem Traum von Europa ein weiteres Stück näherkommen kann. Von Drittklassigkeit spricht in Nürnberg schon seit Jahren keiner mehr. „Beide Mannschaften haben sich extrem entwickelt, darum kann man das damalige Spiel mit dem am Sonntag gar nicht recht vergleichen“, sagt Zietsch.
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