Beim ersten Biss in den Hering kommt das Gehirn auf Touren
22.2.2012, 07:58 UhrBernhard Schels, 50, ist Mitinhaber von Fisch & Meer und weiß das genau: Die Import- und Einzelhandelsfirma gründet auf dem Hering.
Herr Schels, Hering soll toll gegen Kater helfen. Warum eigentlich?
Bernhard Schels: Man wacht in der Früh mit schlechtem Geschmack im Mund auf. Der ist sofort weg, wenn ich in Hering beiße. Die Säure und das Salz regen den Durst an, man muss trinken. Das ist gut für das Gehirn, das vom Alkohol trockengelegt wurde.
Essen Sie am Aschermittwoch einen Rollmops?
Schels: Ich trinke fast keinen Alkohol und bräuchte keinen. Bei uns gibt es Aschermittwoch aber traditionell Häckerli, das ist wie ein Fleischpflanzerl aber mit Hering statt Hack. Dazu werden sechs Filets, drei Brötchen, zwei Eier und eine Zwiebel zerkleinert und vermengt, mit Pfeffer, Paprika und gehobelter Gewürzgurke abgeschmeckt und geformt, in der Pfanne braten. Das schmeckt!
In Ihrer Familie hat der Hering Tradition.
Schels: Unser Unternehmen gründet darauf. Mein Urgroßvater konnte den Kolonialwarenladen seiner Eltern nicht übernehmen. Für ein eigenes Geschäft suchte er nach einer Marktlücke. Die fand er im Hering. Denn in Süddeutschland reichte in der Fastenzeit die Menge an Karpfen in den Weihern nicht aus, die Menschen mussten oftmals hungern und haben deshalb sogar Biber zu Fisch erklärt und gegessen. Aber wo kriegt man Hering her? Mein Urgroßvater Bernhard Schels ist über Holland die Küste hinauf bis nach Schottland gereist und hat 1907 in Peterhead eine Salzerei gekauft.
1300 Kilometer entfernt. Wie kamen die Heringe von dort nach Franken?
Schels: Mit dem Dampfschiff und der Eisenbahn, in Fässern, die noch mit Weidenrinde zusammengehalten wurden. Darin wurden Hering und Salz geschichtet, in jedem 80 Kilo Fisch und 40 Kilo Salz. Als Kind habe ich solche Fässer noch gesehen und kann mich erinnern, wie sie im Sommer geschwitzt haben.
Der Fisch ist nicht verdorben?
Schels: Ohne Kühlung hält Salzhering ein Jahr. Deshalb muss er ja auch 24 Stunden gewässert werden. Dabei wird das Wasser, das das Salz herauszieht, dreimal gewechselt.
Viel bekannter sind die Matjes-Filets?
Schels: Matjes wird zum Matjes, weil er mit dem Leberenzym fermentiert. Der zergeht auf der Zunge. Viel häufiger ist Hering nach Matjes-Art, der wird maschinell filettiert und ein chemisches Enzym zugesetzt. Der schmeckt eher wie Speck.
Bismarck-Hering und Rollmops sind aber nicht mehr ganz oben auf dem Speiseplan?
Schels: Wenn es wärmer wird draußen, bieten wir Rollmops-Teller mit vier verschiedenen Sorten an. Der ist durchaus gefragt. Und von 13 Millionen Tonnen Fisch, die weltweit jährlich verzehrt werden, ist ein Viertel Hering. Der Preis ist im vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen.
Laut Greenpeace zählt er zu den gefährdeten Arten. Sollten wir da nicht zurückhaltender sein?
Schels: Die Situation hat sich entspannt, sonst wären die Fangquoten nicht erhöht worden. Man muss bedenken: Ein weiblicher Hering legt durchschnittlich 30000 Eier, von denen kommen zwei bis vier Stück durch. Wenn mehr Nahrung zur Verfügung steht, überleben sechs bis acht Heringe. Sie werden schon mit drei bis sechs Jahren geschlechtsreif, der Bestand erholt sich also schnell. 1971 galt der Hering sogar schon einmal als ausgestorben.
Wovon lebt so ein Hering?
Schels: Nachts steigt er auf, tagsüber ist er auf dem Grund und frisst Schnecken, Ruderkrebse und Fischlarven.
Klingt nicht so lecker…
Schels: Die meisten Fische ernähren sich von anderen Tieren. Deshalb ist ihr Fleisch fest, eiweißreich und wenig fett. Der Hering hat etwas weicheres Fleisch und ist etwas fetter, aber das war früher wichtig: Je fetter der Fisch, desto besser für den Menschen.
Und heute?
Schels: Hat sich der Hering vom Arme-Leute-Essen zur Delikatesse entwickelt und die Hausfrau kauft die Filets schon geputzt, dann bleibt die Spüle sauber und der Abfall stinkt nicht. Wobei die Franken keine großen Fischfans sind. Pro Jahr und Kopf essen sie 13 Kilo – der bundesweite Schnitt liegt bei 17,6.
Wie groß ist die Auswahl an Hering?
Schels: Bei Fisch & Meer sind’s 23 verschiedene. Geräuchert als Bückling, Rollmops, Matjes, Hering, Salzhering, dazu die Salate. Mit Curry, roten Beeten, Paprika und vielen anderen Dressings. Hering ist ein unheimlich vielseitiger Fisch, auch auf Buffets!
Was ist denn neu auf der Herings-Speisekarte?
Schels: Matjestartar mit Mango und frischem Koriandergrün zum Beispiel. Eingelegter Matjes mit Wacholderbeeren und Zimt, die Kinder sagen Weihnachtsfisch dazu. Oder Matjeshappen auf Toast und obenauf eine Cocktailtomate, die in Öl und Knoblauch mariniert ist.
Ihr eigener Heringstraum?
Schels: In Schweden habe ich Hering gegessen, der mit süßen, kleinen Erdbeeren aufgeschnitten und als Carpaccio angerichtet war. Stellt man sich nicht so vor, aber mir läuft gleich das Wasser im Mund zusammen.
Mehr über das Fisch und Meer in unserer Rubrik Essen und Trinken!
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