Bekommt Nürnberg nun doch einen Drogenkonsumraum?

4.6.2020, 05:41 Uhr
Bekommt Nürnberg nun doch einen Drogenkonsumraum?

© Foto: Frank May/dpa

Die Debatte um einen Konsumraum kocht seit Jahren regelmäßig hoch. Stadträte fordern parteiübergreifend eine Fixerstube, in der Abhängige unter medizinischer Aufsicht Drogen konsumieren können – um zu verhindern, dass diese an einer Überdosis sterben.

Die Diskussion wurde zuletzt erneut durch die hohe Zahl von Drogentoten in Nürnberg befeuert. Im vergangenen Jahr starben in Nürnberg 34 Männer und Frauen an illegalen Betäubungsmitteln, so viele wie nie zuvor. 14 kamen im öffentlichen Raum ums Leben: auf Spielplätzen, in Parks oder Toiletten. Erst vor wenigen Tagen lag ein Mann tot in einer Gasse in der Altstadt, neben sich ein Spritzbesteck.

Vorstoß der Jungen Union

Die Forderung nach einem Drogenkonsumraum wurde zuletzt nicht nur von SPD, Grünen oder Der Linken sowie von den Drogenhilfe-Einrichtungen Lilith oder Mudra unterstützt. Auch die Bayerische Landesärztekammer sprach sich 2019 dafür aus. Sogar von den Konservativen wagte sich in der Vergangenheit gelegentlich jemand aus der Deckung. So forderte der damalige Präsident des Bayerischen Bezirketags, der CSU-Politiker Josef Mederer, schon 2016 Drogenkonsumräume für Nürnberg und München. Zuletzt machte die Junge Union in Nürnberg einen Vorstoß. Daniela Eichelsdörfer schlug vor ihrer Wahl in den Stadtrat "Drogen-Kompetenzräume" vor.

Und jetzt steht das Thema also im von CSU und SPD vereinbarten Kooperationsvertrag, in dem die Eckpunkte für die Zusammenarbeit im Stadtrat skizziert wurden. Die Stadt soll ein Gesamtkonzept für Drogenprävention und -hilfe erarbeiten, heißt es auf Seite 14 der 20 Seiten umfassenden Vereinbarung. "Im Rahmen eines Modellprojekts soll in Abstimmung mit dem Freistaat, der eine entsprechende Genehmigung zu erteilen hat, ein Drogenhilfezentrum geschaffen werden."

 

Für die SPD ist dieses Thema weit oben "auf unserer Prioritätenliste", so SPD-Fraktionschef Thorsten Brehm auf Anfrage. "Wir machen jetzt Dampf." Das sei nichts, was erst nächstes oder übernächstes Jahr in Angriff genommen werden könne, fährt er fort.

Nach den Vorstellungen der SPD soll in besagtem Drogenhilfezentrum der Rauschgiftkonsum unter medizinischer Aufsicht möglich sein. "Diese Notwendigkeit sehen wir als SPD." Brehm räumt aber ein, dass man beim Kooperationspartner noch Überzeugungsarbeit leisten müsse. "Es ist wichtig, dass die Konservativen mit an Bord sind."

Die Stadtverwaltung arbeitet aktuell an einem Konzept, die Mudra lieferte die Grundlagen. Es soll im Oktober im Sozialausschuss des Stadtrats vorgestellt werden. Hinter dem Stichwort "Drogenhilfezentrum" verberge sich natürlich das, was bislang als Konsumraum diskutiert wird, heißt es vonseiten der Verwaltung. "Wir werden mit dem Freistaat über die Rahmenbedingungen verhandeln", sagt Sozialreferentin Elisabeth Ries (SPD) auf Anfrage.

Und die CSU im Stadtrat? Die will sich nicht genau festlegen, was sie unter einem "Drogenhilfezentrum" versteht. CSU-Fraktionschef Andreas Krieglstein fordert ein "Gesamtkonzept" von der Verwaltung in Sachen Drogenhilfe und Prävention. Das Leistungsspektrum einer solchen Einrichtung könne "sehr vielfältig" sein. Er möchte auch "Ausstiegshilfen" für Drogenabhängige ermöglichen. Außerdem sei es der CSU wichtig, "dass alles in Abstimmung mit dem Freistaat erfolgt". Auch OB Marcus König (CSU) hält sich zurück: "Jetzt warten wir auf die Vorlage und dann muss der Stadtrat entscheiden." Eines aber sei sicher: "Wir wollen Menschenleben retten."

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) bleibt indes bei ihrer ablehnenden Haltung, was Konsumräume anbelangt. "In Drogenkonsumräumen sehen wir weiterhin keinen geeigneten Weg. Sie stehen im Widerspruch zur strafrechtlichen Verfolgung von Besitz und Erwerb von illegalen Drogen", so die Ministerin auf Anfrage. Das Gesundheitsministerium setze lieber auf Suchtprävention und Suchthilfe. Ein Beispiel sei das Naloxon-Modellprojekt zum Einsatz in Notfallsituationen unter anderem bei Opioid-Abhängigen.

Ministerium will Details prüfen

Ganz schlägt die Gesundheitsministerin die Tür aber nicht zu. Auf die Frage, unter welchen Bedingungen ein Drogenhilfezentrum in Nürnberg denkbar wäre, antwortet Huml: "Wichtig ist ein stimmiges Gesamtkonzept unter Einbindung auch der Anwohner und der Polizei. Außerdem darf davon kein falsches Signal ausgehen, das eher eine Verschlechterung der Lage zur Folge haben könnte. Deshalb werden wir das Konzept für ein Drogenhilfezentrum in Nürnberg genau prüfen, wenn es vorliegt."

Polizei und Staatsanwaltschaft lehnen Konsumräume mit dem Hinweis ab, dass Rauschgiftsüchtige im unmittelbaren Umfeld nicht kontrolliert werden dürften und so quasi ein rechtsfreier Raum entstehen könnte.

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