Schnuppertouren zu "Leib und Seele"
Biberschwanz und Ingwer: Vom ersten Kochbuch zur Sorge um das ewige Leben
19.02.2022, 17:50 Uhr
Sie sind oft mit viel Herzblut bei der Sache, wenn es darum geht, Gästen aus aller Welt einen Eindruck von Nürnberg zu vermitteln. Von weither kamen zuletzt freilich kaum Besucher. Touristen aus dem Inland sind freilich nicht weniger willkommen. Einmal im Jahr aber laden die Gästeführerinnen und -führer in vielen Orten vor allem das einheimische Publikum zu kleinen Entdeckungstouren ein.
Und nutzen den Weltgästeführertag auch gern dazu, Kostproben zu geben von neuen Themen und Inhalten, die sie sich gerade erarbeiten. Wie Charlotte Scheffler. "Was würden Sie heute Mittag gerne essen?" fragte sie am Hauptmarkt in die Runde der Interessenten. "Wie wäre es mit Biberschwanz mit Lebkuchen und Ingwer?" So etwas kam natürlich nur bei "Herrschaften" auf den Tisch, die sich neben dem Fleisch auch die teuren Gewürze aus dem Orient leisten konnten.
Gefunden hat die Stadtführerin den Menüvorschlag im ersten deutschen Kochbuch. Es ist Ende des 15. Jahrhunderts in Nürnberg erschienen, die Stadt war eine Hochburg der Papierherstellung und des jungen Druckwesens - da drängte sich die Buchhandlung Korn & Berg, die älteste in der Stadt, als Treffpunkt geradezu auf. "Wer das Buch nutzen wollte, musste aber schon kochen können. Denn bei den Rezepten fehlt jede Angabe zu Mengen oder Garzeiten." Das einfache Volk musste sich dagegen, wie andere Quellen bezeugen, mit Brot, Haferbrei und Hülsenfrüchten begnügen.
Rat zur Mäßigung
Schon damals ging es allerdings nicht allein ums Sattwerden und Genießen, sondern auch die Gesundheit. Und so durfte, wo immer es um das Wohl von Leib und Seele ging, der dringende Rat zum Maßhalten nicht fehlen. Unabdingbar war einst auch das Fasten, das manche heute für sich längst wiederentdeckt haben. Die Sorge ums Seelenheil war freilich noch prägender als die ums leibliche Wohl. Wie eng beides verflochten war, zeigt sich an den Gewürzen: Schon mit ihrem Hauch vermittelten sie, glaubte man, ein Stück vom Paradies.

In der knappen halben Stunde gelang es Charlotte Scheffler aber auch noch, einen Eindruck von den medizinischen Grundvorstellungen vor der Aufklärung zu vermitteln: "Da hing alles mit allem zusammen: die vier Elemente, die vier Körpersäfte, die vier Temperamente, die Jahreszeiten und die Lebensalter." A propos Gesundheit: Gegen Vorlage der Impfbestätigung erhielten die Teilnehmer kleine Punkte, um damit problemlos und ohne ständige Kontrollen an weiteren Rundgängen teilzunehmen. Alle Termine war gut gefragt, viele Teilnehmer kamen aus der Region, Neumarkt und Neunkirchen am Brand waren ebenso vertreten wie Schwabach und Fürth.
Drei im Weckla
Nicht fehlen durfte im Führungsangebot die Nürnberger Leibspeise. Oder, wie Bernd Krause im historischen Gewand eines Wirts es nannte, "die wichtigste Erfindung der Stadtgeschichte": Drei im Weckla. Das Rätsel, warum sie so viel kleiner als alle Artgenossen ist, konnte indes auch er nicht lösen. Dafür wartete der pensionierte Lehrer, dem Führungen, auch in Kostümen, einfach Spaß machen, mit einer schönen Erklärung dafür auf, warum Personen "von Stand" auf alten Porträts nie lächeln: "Weil alle schlechte Zähne hatten, das sollte niemand sehen."
Nach der elend langen Corona-Flaute hoffen die Stadtführerinnen und -führer nun auf eine wieder etwas bessere Saison. Viele hatten wochenlang keine einzige Gruppe, Charlotte Scheffler musste sich im Januar mit zwei Terminen begnügen. Wie die Mehrheit der Nürnberger Gästeführer war sie zum Glück auf die Einnahmen nicht existenziell angewiesen. Wer mit der Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreitet, hat sich meistens eine andere Tätigkeit suchen müssen.
Von leiblichen wie seelischen Freuden und Leiden zeugen nicht zuletzt Grabstätten wie auf dem Johannisfriedhof. Die barocke Ruhestätte von Andreas Paumgartner zum Beispiel, die Gabi Stauss den Teilnehmern ihrer Gruppen am Gästeführertag vorstellte, ziert auch ein Schädel mit beweglichem Unterkiefer - und einem Loch. "Das erinnert daran, dass ihn seine Frau erschlagen haben soll - aber das schöne Epitaph ließ er rechtzeitig vorher anfertigen."
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