Chef der Kultusgemeinde will Zentrum für Nürnbergs jüdische Geschichte

15.11.2020, 15:34 Uhr
Chef der Kultusgemeinde will Zentrum für Nürnbergs jüdische Geschichte

© Hartmut Voigt

IKGN und Stadt Nürnberg halten auch unter den derzeit erschwerten Bedingungen an der Erinnerung an die "Nacht der Schande" fest. Mit einer nicht-öffentlichen Veranstaltung am jüdischen Friedhof (neben dem Westfriedhof) gedachten die geladenen Vertreter aus Politik und Gesellschaft der Opfer der Shoah. Auf Vorsichtsmaßnahmen wurde genau geachtet: Alle Teilnehmer trugen Mund-Nasenschutz und hielten ausreichend Abstand voneinander.

Bei der Feier sprach sich der IKGN-Vorsitzende zwar nachdrücklich für Versammlungsfreiheit aus, betonte jedoch, dass Grenzen eingehalten werden müssen. Er plädierte für Rücksichtnahme, Menschlichkeit, Solidarität und Respekt. Aber: "Egoismus, Ignoranz und Selbstüberhöhung stehen oft im Vordergrund bei den sogenannten Corona-Demonstrationen", äußerte Hamburger, " Mitläufer scheuen sich nicht vor unerhört dummen Vergleichen. Da werden zum Beispiel von Impfgegnern Judensterne getragen."

"Einfach nur widerwärtig"

Die Kennzeichnung mit dem gelben Stern war bei den Nationalsozialisten ein Mittel der Ausgrenzung und Stigmatisierung, ein letzter Schritt vor der Ermordung im Konzentrationslager. Die Demonstranten, die heute den Stern tragen, so Hamburger, würden sich als Verfolgte und Opfer gerieren und sich allen Ernstes mit der Situation der Juden im Dritten Reich vergleichen. Die Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie würden mit der totalitären Vernichtungspolitik der Nazis verglichen. "Dieses Verhalten ist einfach nur widerwärtig", urteilte er.

Menschen sollten unter Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen zu Demonstrationen gehen können, wenn sie sich Sorgen um die im Grundgesetz festgeschriebenen Rechte machen, fuhr er fort. Aber sie sollten auch überlegen, wer bei diesen Kundgebungen noch alles mitmarschiere. "Immer mehr Extremisten kapern diese Kundgebungen", meint Hamburger.

Ein Ort des Nachdenkens

Der IKGN-Vorsitzende regte außerdem einen zentralen Ort zur Darstellung der Nürnberger jüdischen Geschichte an. Es gebe zwar über 70 jüdische Museen in Deutschland und allein 23 Gedenkstätten in Bayern. Doch in seiner Heimatstadt Nürnberg fehle eine derartige Einrichtung. "Ein solcher Ort wäre eine wichtige Anlaufstelle für alle Bürger, ein Ort der Aufklärung und des Nachdenkens."

Oberbürgermeister Marcus König unterstrich ebenfalls, das jüdische Leben in Nürnberg sichtbarer zu machen. "Wir leben mit vielen Erinnerungspunkten an jüdische Geschichte in Nürnberg", betonte der CSU-Politiker, man müsse sie für die Bevölkerung erkennbarer machen. Dies könne an vielen Stellen im Stadtgebiet geschehen. Eine zentrale Einrichtung sei zwar ebenfalls möglich. Doch angesichts der finanziellen Herausforderungen durch die Pandemie gibt sich König zurückhaltend: Er wolle nicht zu viel versprechen, was man später nicht einhalten könne.

OB König sieht große Verantwortung

Wichtig ist dem 40-Jährigen, aufkommendem Antisemitismus entgegenzuwirken. Dazu gehört für ihn das Gedenken an die Reichspogromnacht vor 82 Jahren. "Gerade in Nürnberg lebte damals einer der größten Hetzer", sagt König, "Geschichte kann uns nicht kalt lassen. Wir haben eine große Verantwortung."

In der Nacht von 9. zum 10. November 1938 hatten Nationalsozialisten in einer konzertierten Aktion jüdische Mitbürger geschlagen und ermordet, ihre Wohnungen, Synagogen, Friedhöfe und jüdische Geschäfte verwüstet. Nach juristischen Einschränkungen durch die "Nürnberger Gesetze" war die brutale Gewalt die nächste Stufe des Terrors gegen Juden in Deutschland.

Auf dem Weg zur "Endlösung"

"Die Nacht der Schande" bildete den Scheitelpunkt auf dem Weg zur Endlösung", unterstrich Hamburger. In keiner Stadt des Deutschen Reiches habe es mehr Opfer in dieser Nacht des Grauens gegeben als in Nürnberg. 37 Menschen wurden ermordet, nahmen sich das Leben oder starben kurze Zeit später an ihren schweren Verletzungen.

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